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Nach Saarland-Debakel: Jetzt muss sich die Union wieder auf ihren Mut besinnen!


Nach Saarland-Debakel
Jetzt muss sich die Union wieder auf ihren Mut besinnen

MeinungEin Gastbeitrag von Dennis Radtke (CDU)

29.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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Tobias Hans (l.) und Friedrich Merz: Die Unionsparteien müssen eine konstruktive Oppositionspolitik betreiben, sagt CDU-Poltiker Denis Radtke.Vergrößern des Bildes
Tobias Hans (l.) und Friedrich Merz: Die Unionsparteien müssen eine konstruktive Oppositionspolitik betreiben, sagt CDU-Poltiker Denis Radtke. (Quelle: Oliver Dietze/dpa-bilder)

Die CDU ist im Saarland gescheitert und geht im Bund auf Oppositionskurs. Der Europaabgeordnete Dennis Radtke warnt seine Partei davor, jetzt zu sehr auf taktische Spielchen zu setzen.

Angst essen Seele auf, heißt es. Entsprechend stellt sich die Frage, wie viel Seele in unserer Gesellschaft noch übrig ist. Zu der Angst vor dem Klimawandel und der Angst vor der Corona-Pandemie ist nun die Angst vor dem Krieg in Europa mit all seinen Folgen gekommen.

Auch wenn Sorge und Achtsamkeit im Umgang mit Covid-19 politisch und allgemein zurückgehen, wird uns auch dieses Thema weiter begleiten – sowohl mit Blick auf die Gesundheit, als auch mit Blick auf die Wirtschaft. Eine Gesellschaft, die mit derart tiefgreifenden Ängsten konfrontiert ist, braucht Klarheit, Verlässlichkeit und Ehrlichkeit in der politischen Führung ebenso dringend wie Zuversicht, Optimismus und eindeutige Ziele.

Denkverbote überprüfen

Seit Ende des Zweiten Weltkrieges stand die Politik in Deutschland nicht vor solch fundamentalen Herausforderungen wie heute. Wir Politiker müssen den Menschen klarmachen, dass Putins Krieg gegen die Ukraine unser Leben nicht nur kurzfristig durch gestörte Lieferketten und steigende Preise beeinflusst, sondern dass die Folgen für uns nachhaltig sein werden.

Dennis Radtke, Jahrgang 1979, ist CDU-Politiker und seit 2017 Mitglied des Europäischen Parlaments, wo er dem Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten angehört.

Wer Unabhängigkeit von russischen Rohstoffen will, muss nicht nur die Energieversorgung noch schneller umbauen, der muss auch bereit sein, die Denkverbote zu längerer Laufzeit für Kohlekraftwerke und dem Bau von Flüssigerdgasterminals (LNG-Terminals) über Bord zu werfen.

Wer die europäische Sicherheit künftig nicht von Wahlentscheidungen in den USA abhängig machen will, muss dafür sorgen, dass die Europäische Union außen- und sicherheitspolitisch endlich erwachsen wird und das Prinzip der Einstimmigkeit hinter sich lässt. Nur eine wirklich handlungsfähige EU kann in einer transatlantischen Partnerschaft verhindern, dass Europa zum Spielball russischer und chinesischer Interessenpolitik wird.

Die Erweiterung der Europäischen Union duldet keinen weiteren Aufschub mehr. Wenn wir nicht riskieren wollen, dass der Balkan auf Dauer unter den Einfluss von russischen, türkischen oder chinesischen Machtspielen gerät, brauchen wir endlich sichtbare Fortschritte. Gleiches gilt für eine Mitgliedschaft von Georgien, Moldau und der Ukraine.

Zeit der Sonntagsreden ist vorbei

Wir Europäer müssen unseren Anspruch aus politischen Sonntagsreden diesen Ländern gegenüber endlich auch mit konkreten politischen Handlungen im Alltag untermauern. Wir dürfen uns von Russland nicht einreden lassen, dass eine EU-Erweiterung gegen andere Länder gerichtet wäre. Im Gegenteil: Die EU-Nachbarschaftspolitik zeigt, dass alle Nachbarn, die das wollen, von der EU profitieren. Auch Russland hatte die EU eine Verlängerung des umfassenden Partnerschafts- und Kooperationsabkommens angeboten.

Mit Blick auf Deutschland müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um das Zusammenbrechen ganzer Wertschöpfungsketten zu verhindern. Energiepreise, Fachkräftemangel, unterbrochene Lieferketten und explodierende Erzeugerpreise sind eine akute Bedrohung für viele Branchen, die nicht nur ein beherztes Zufassen von Politik nötig macht, sondern die auch die Sozialpartner mit einbeziehen muss. Kleinteilige Flickschusterei wird die grundsätzlichen Probleme nicht mehr lösen.

Gleiches gilt für die drohenden sozialen Verwerfungen. Hinweise, die Leute sollten nicht so rasen, müssen in den Augen derjenigen, die auf ihren verrosteten Corsa angewiesen sind, wie Hohn klingen und greifen viel zu kurz, um die grundlegenden Probleme vieler Haushalte zu lösen. Wenn bei den Themen Tanken und Heizen keine kurzfristigen, beim Thema Mietpreis und Eigentumsbildung keine mittelfristigen Lösungen gefunden werden, steuert dieses Land auf eine soziale Katastrophe zu.

Selbstredend liegt die Verantwortung für all dies beim Bundeskanzler und der von ihm geführten Ampelkoalition. Die zu schulternden Aufgaben sind jedoch von so fundamentalem Gewicht, dass sie ohne eine Politik der ausgestreckten Hand kaum zu bewältigen sein werden.

Zeit zur Besinnung

Hierbei darf sich eine ausgestreckte Hand der Regierung in Richtung Opposition nicht auf den Hinweis beschränken, dass aktuell nicht die Stunde der Parteipolitik schlägt. Wer Mitverantwortung anmahnt, der muss auch Mitwirkung anbieten, sonst verkommt dieser Satz zur politischen Binse, zur plumpen Abwehr von berechtigten Fragen und berechtigter Kritik.

Wenn den Unionsparteien eine Hand in dieser Form angeboten wird, muss sie auch bereit sein, diese aus staatspolitischer Verantwortung heraus anzunehmen. Das Ziel, eigenes Profil in der Opposition zurückzugewinnen, muss an diesem Punkt kurzfristig hintanstehen.

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Die Union sollte sich darauf besinnen, was sie immer ausgezeichnet hat: an den Wegmarken der Geschichte das Richtige zu tun, ohne Rücksicht darauf, wie populär Entscheidungen in den eigenen Reihen oder bei den Wählerinnen und Wähler ankommen. Ohne diesen Mut wären Wiederbewaffnung, Nato-Doppelbeschluss, Euro-Einführung und EU-Osterweiterung nicht denkbar gewesen.

Diesen Mut wird es nun auch brauchen, wenn wir eigene Positionen im Zusammenwirken mit der Regierung überdenken müssen. Auch von der erwarteten Niederlage im Saarland, wo CDU-Ministerpräsident Tobias Hans nicht Opfer eigener Fehler geworden ist, sondern von einer in Krisenzeiten üblichen Regierungsgläubigkeit aus dem Amt herauskatapultiert wurde, darf sich die Union nicht vom Kurs abbringen lassen. In Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen werden wir aller Voraussicht nach als Sieger vom Platz gehen.

Altbewährter Markenkern

CDU und CSU müssen nun deutlich machen, dass der Grundsatz einer soliden Haushaltsführung weiter Markenkern unserer Politik sein wird. Wir sind aber in dieser herausfordernden Zeit verpflichtet anzuerkennen, dass mit Blick auf die notwendigen Investitionen in die Bundeswehr und in den Umbau der Energieversorgung kurzfristig Summen gestemmt werden müssen, die mit einer Einhaltung der Schuldenbremse nicht zu vereinbaren sind.

Wer ebenfalls zu Recht fordert, dass wir einen weiteren Anstieg der Energiekosten – sowohl für die Industrie als auch für Arbeitnehmer – für Menschen mit normalen und geringen Einkommen dämpfen müssen, muss auch bereit sein, kurz- und mittelfristig ein Abweichen von politischen Grundsätzen auszuhalten.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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Debatte bei der CDU
Von Sara Sievert



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