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Tagesanbruch: Merkel und Putins Hund und 155.000 Euro für Champagner


Tagesanbruch
Was heute Morgen wichtig ist

Meinung von Florian Harms

Aktualisiert am 18.05.2018Lesedauer: 7 Min.
Meinung
Was ist eine Meinung?

Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
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Quelle: ADFC Hamburg/Benjamin Harders

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Jede Menge wichtiger Themen gab es gestern, und oft ging es dabei um Europa. Die EU-Kommission verklagt Deutschland. EU-Gipfeltreffen auf dem Balkan. Die EU will die amerikanischen Handelssanktionen aushebeln. Italiens künftige Regierungspolitiker schlagen einen Anti-Europa-Kurs ein. Alles berichtenswert. Aber heute lasse ich Europa mal links liegen und möchte Sie auf ein lokales Thema hinweisen: das wachsende Risiko im Stadtverkehr.

Falls Sie in einer aufstrebenden Großstadt wie Berlin, Hamburg, Frankfurt, München oder Stuttgart leben und regelmäßig mit dem Fahrrad fahren, wissen Sie sofort, wovon ich spreche. Allen anderen sage ich: Es ist eine Zumutung, was viele Kommunen da veranstalten. Weil immer mehr Menschen in die Städte ziehen, sind immer mehr Autos auf den Straßen unterwegs. Zugeparkte Gehsteige, Raser, der fehlende Seitenblick beim Abbiegen.

Auch manche Radler sind wild unterwegs, keine Frage. Aber der Kern des Problems ist ein anderer: Die städtische Verkehrspolitik begünstigt fast immer die Blechkarossen – und Unfälle, bei denen Radfahrer oder Passanten zu Schaden kommen, nehmen zu. Wer mal erlebt hat, wie ein kleines Kind auf seinem Rädchen fast von einem SUV oder Lieferwagen überfahren wurde (oder gar Schlimmeres), der vergisst das nicht mehr. Und entschließt sich vielleicht dazu, dieses Risiko und die Lethargie vieler Stadtverwaltungen nicht mehr länger hinzunehmen. So wie diese Bürger in Hamburg. Wäre ich dort gewesen, ich hätte bei diesem stillen Protest mitgemacht.

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Bei den Kollegen der "Süddeutschen Zeitung" ging es gestern turbulent zu. Nach heftigen Protesten vieler Leser und vieler Redakteure hat die Chefredaktion den langjährigen Karikaturisten Dieter Hanitzsch vor die Tür gesetzt. In einer Zeichnung hatte er Israels Regierungschef Netanjahu mit antisemitischen Klischees karikiert – was Hanitzsch allerdings bestreitet.

Der Fall ist knifflig. Einerseits bin ich überzeugt, dass die Freiheit der Kunst zu den wichtigsten Errungenschaften unserer demokratischen Gesellschaft zählt. Kunst darf provozieren, Karikaturen dürfen schmähen. Andererseits ist Antisemitismus abscheulich und gefährlich und darf nicht geduldet werden, egal, in welcher Form.

Was also ist von der Sache zu halten? Schwierig zu beantworten. Deshalb habe ich jemanden gefragt, der sich viel besser mit Karikaturen auskennt als ich: Ich habe unseren Cartoonisten Mario Lars gebeten, seine Antwort auf den Fall Hanitzsch zu zeichnen. Das hat er gestern Abend getan. Während einer langen Autofahrt auf dem Beifahrersitz. Mindestens ebenso eindrücklich wie sein Bild finde ich seine Begründung, die ich hier zitieren möchte:

"Was für ein Dilemma. Mein erster Gedanke: Ich muss ihm beispringen, dem Dieter Hanitzsch. Er ist doch Kollege, und die Freiheit der Karikatur ist heilig. Dann beschäftige ich mich mit den Hintergründen. Und schon hat sich das mit heilig. Ob so eine Karikatur gut oder schlecht ist, liegt ja im Auge des Betrachters. Und in meinem Auge ... nun ja. Ich persönlich mag keine Symbolkarikaturen. Und über den Antisemitismus darin lässt sich streiten. Ausschlaggebend für die Trennung sollen ja auch Äußerungen im persönlichen Gespräch gewesen sein. Grundsätzlich ist es mit der Freiheit der Karikatur ja so eine Sache, seit man dafür auch in Europa (Paris) erschossen werden kann. Aber da soll mir keiner nur auf die Islamisten zeigen, mir wurde schon von Christen der Tod gewünscht. Zurück zum Dilemma: Da ich mich in diesem Fall weder für noch gegen Hanitzsch positionieren kann, habe ich mich ins Halbfeld begeben. Wie sagt der Fußballexperte: Pässe aus dem Halbfeld sind Pässe aus dem Halbfeld. Und wenn man auf dem falschen Fuß erwischt wird, kommt das dabei heraus:"

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WAS STEHT AN?

Es heißt, die Bundeskanzlerin könne gut mit nüchternen Politikern. Steinmeier, Scholz, Tusk, diese Kategorie. Zu Staatenlenkern mit expressiven Charakteren eine Beziehung aufzubauen, falle ihr dagegen schwer. Sarkozy, Trump, Berlusconi, diese Typen.

Heute trifft Angela Merkel auf einen Mann, der beides vereint. Er lässt sich nicht nur gern mal expressiv mit nacktem Oberkörper ablichten, sondern vertritt zugleich sehr nüchtern und sehr kompromisslos die Interessen seines Landes (oder das, was er dafür hält). Nein, eine enge politische Beziehung konnte Angela Merkel noch nie zu Wladimir Putin aufbauen, geschweige denn eine persönliche Vertrauensbasis. Unvergessen das Treffen, bei dem Putin seine ungestüme Labrador-Hündin Koni mitbrachte, weil er wusste, dass Merkel sich vor Hunden ein bisschen fürchtet (auch wenn er später etwas anderes behauptete). In Sotschi war das damals.

Am selben Ort treffen sich Merkel und Putin heute, elf Jahre später, wieder. Um die Konflikte in der Ukraine, in Syrien, zwischen Israel und Palästina und mit dem Iran soll es gehen. Heikle und komplizierte Themen, für die auch ein Regierungschef seine volle Konzentration braucht. Ohne sich darum zu sorgen, ob ihm vielleicht ein Vierbeiner gefährlich werden könnte. Wir dürfen davon ausgehen, dass auch Herr Putin das weiß. Ob er es aber respektiert oder sich nicht doch wieder irgendetwas einfallen lässt, um seinen Gast zu verunsichern? Wissen wir nicht. Ein nüchtern-expressiver Charakter eben.

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Die Blumen: 125.000 Euro. Der Lunch und das Dinner: fast 300.000 Euro. Die Torte: 57.000 Euro. 1.700 Flaschen Champagner: 155.000 Euro. Das Brautkleid: etwa 342.000 Euro. Haare und Make-up: 11.400 Euro. Uniform und Anzug des Bräutigams: 9.130 Euro. Die Eheringe: 6.800 Euro. Nicht zu vergessen die Sicherheitsvorkehrungen: 34 Millionen Euro. Ja, die Hochzeit des britischen Prinzen Harry mit seiner Meghan morgen wird ein sündhaft teurer Spaß.

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Welch ein Wahnsinn!, könnte man angesichts dieser Summen denken. Wer braucht schon so ein teures Spektakel? Dabei übersieht man schnell, dass es bei dieser Feier um viel mehr geht als nur um zwei junge Menschen, die sich das Jawort geben, wie meine Kollegin Maria Holzhauer treffend schreibt.

Deshalb wird sich meine Kollegin als Reporterin ins Londoner Hochzeitsgetümmel stürzen und für Sie berichten. Unterstützt wird sie von unserem Newsroom-Team aus Ricarda Heil, Lukas Martin, Elke Habekost, Luca Cordes und Janna Specken. Meine Kollegen halten Sie von früh morgens bis in den Abend hinein auf dem Laufenden – und natürlich können Sie das gesamte Ereignis im Livestream auf t-online.de anschauen. Was wann stattfindet, lesen Sie hier. Kleiner Tipp: Wenn Sie den Kuss sehen wollen, sollten Sie spätestens um 13 Uhr bei uns hineinschauen.

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Aber die royale Hochzeit ist nicht der einzige Höhepunkt dieses Samstags. Um 20 Uhr folgt der zweite: das DFB-Pokalfinale zwischen Bayern München und Eintracht Frankfurt. Das allerallerallerletzte Spiel von Jupp Heynckes als Trainer und zugleich das letzte von Niko Kovac als Frankfurt-Trainer, bevor er Heynckes beerbt. Da sind große Emotionen im Spiel. Als wäre das Finale im Berliner Olympiastadion nicht ohnehin schon eindrucksvoll genug.

Aber warum ist das eigentlich so? Warum schwärmen alle von dieser besonderen Atmosphäre während der Pokal-Endspiele in Berlin? Unser Kolumnist Stefan Effenberg hat als Spieler gleich mehrere Finale erlebt und sogar zwei gewonnen. In seiner neuen Kolumne beschreibt er heute Vormittag, warum es vor dem Finale so "prickelt", wie es sich anfühlt, den Goldtopf zu gewinnen – und was passieren kann, wenn man anschließend zu ausgelassen feiert ...

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WAS LESEN?

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine Errungenschaft. Wir Bürger können uns glücklich schätzen, dass wir so umfangreich und differenziert in Fernsehen, Radio und Internet informiert werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in der Krise: Glaubwürdigkeitsverlust, Legitimationsdruck, neue Sehgewohnheiten aufgrund der Digitalisierung – und immer lautere Kritik an den enormen Summen, die die Apparate von ARD, ZDF und Deutschlandfunk kosten. Vor dem Bundesverfassungsgericht sollten die Intendanten nun erläutern, warum die Zwangsabgabe für jede Wohnung gerechtfertigt ist. Dabei machten Sie keine gute Figur. "Sie ergingen sich vornehmlich in Selbstlob, mitunter hart am Rande des Erträglichen", schreibt der Kollege Heinrich Wefing in der "Zeit".

Und die Frage stellt sich ja wirklich: Sollte die jetzige Rundfunkfinanzierung reformiert oder gar abgeschafft werden? Wir haben die Leser von t-online.de gefragt. Meine Kollegin Sabrina Manthey hat die Stimmen zusammengefasst.

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In Deutschland hat jeder Mensch das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Sagt das Bundesverfassungsgericht. Und dieses Minimum soll nicht nur das nackte Überleben sichern, sondern auch "ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben" ermöglichen. Das gilt auch für Hartz-IV-Empfänger. Und jetzt kommt es: Die Bundesregierung rechnet den Hartz-IV-Regelsatz offenbar systematisch nach unten. Schon seit Jahren. Eigentlich müssten die Empfänger monatlich 155 Euro mehr bekommen, hat der WDR-Kollege Jan Schmitt recherchiert. Aber der Staat spart lieber Milliarden. Unerhört. Übrigens: Auch diese Recherche wurde über die Rundfunkgebühren finanziert.

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Die Wellen der Aufregung schlagen wieder einmal hoch in Amerika, aber diesmal geht es nicht um Trump. Nicht um #MeToo. Und doch geht ein tiefer Riss durch das Land. Kompromisslose, unvereinbare Positionen prallen aufeinander. Es geht um: Leerzeichen. Genauer darum, ob man nach dem Punkt am Satzende ein oder zwei Leerzeichen machen soll. Bei uns ist das Thema schon lange zu den Akten gelegt – einmal die Leertaste, das genügt. In den USA lebt die Tradition der zwei Leerzeichen jedoch hier und da fort. Sie stammt aus den Zeiten der Schreibmaschine, als jedes Zeichen stur den gleichen Platz auf dem Papier bekam – das breite "w" genauso wie das schmale "i". So entstanden kleine Lücken schon im Wort. Damit sich der Einschnitt nach dem Satzende besser abhebt, vergrößerte man den Abstand mit einem zusätzlichen, zweiten Leerzeichen. Die Norm ist das nicht mehr, nötig auch nicht, doch eine Studie fand jetzt heraus, dass man Texte so schneller lesen kann. Die Traditionalisten jubeln, die anderen sind entsetzt. Und ich bin froh. Ist besser als ein Tweet von Trump. mehr

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WAS FASZINIERT MICH?

Den Zauberwürfel werden viele von Ihnen wahrscheinlich kennen: Grübeln, drehen, wenden – und irgendwann, irgendwann, irgendwann hat man's vielleicht tatsächlich und wirklich geschafft, alle Farben wieder an die richtige Stelle zu bekommen. Ja, das ist eine Kunst. Aber wie soll man dann das nennen, was dieser zwölfjährige Chinese macht – Magie?

Ich wünsche Ihnen einen magischen Tag.

Ihr Florian Harms
Chefredakteur t-online.de
E-Mail: harms.chefredaktion@t-online.de

Mit Material von dpa.

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