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Corona-Gipfel: Reichen die neuen Regeln von Bund und Ländern?


Was heute wichtig ist
Reicht das?

MeinungVon Florian Wichert

Aktualisiert am 15.10.2020Lesedauer: 7 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Bundeskanzlerin Angela Merkel.Vergrößern des Bildes
Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Quelle: Stefanie Loos/AFP POOL/dpa-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

hier ist der kommentierte Überblick über die Themen des Tages:

WAS WAR?

Das endgültige Ende von Kleinstaaterei und Flickenteppichen. Ein Schulterschluss aller Ministerpräsidenten ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten im eigenen Bundesland. Eine stets zielgerichtete Debatte von historischer Dimension. Bundesweit einheitliche Maßnahmen ohne jede Ausnahme. Eine Lösung für den seit Tagen tobenden Streit um das Beherbergungsverbot. Einheitliche Bußgelder für Maskenverweigerer. Eine glückliche Bundeskanzlerin, die voller Zuversicht in den andauernden Kampf gegen Corona zieht.

All das gab es gestern nicht.

Zumindest nicht ganz. Denn tatsächlich kann sich ein Teil der Ergebnisse sehen lassen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sowie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder stellvertretend für die ganze Runde vorstellten, als sie nach einem langen Tag um 22.14 Uhr endlich vor die Medienvertreter traten.

Die Ergebnisse werfen eben nur einige Fragen auf.

Die wichtigste von ihnen lautet: Reicht das?

Schon um 14 Uhr hatten die Beratungen im Kanzleramt begonnen. Es war das erste persönliche Treffen seit Mitte Juni. Allein das verdeutlicht die Brisanz. Täglich neue Höchstwerte an Corona-Neuinfektionen in diversen Städten und Regionen haben Bund und Länder zum schnellen Handeln gezwungen.

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Eine "historische Dimension" hatte Kanzleramtschef Helge Braun in Bezug auf die Gespräche angekündigt. Söder sagte, durch Deutschland müsse ein Ruck gehen. Und auch Merkel machte zu Beginn der Gespräche gleich Druck: "Wollen wir einen beherzten Schritt machen oder uns wieder Woche für Woche treffen wie im Frühjahr?"

Erst Stunden später standen die Beschlüsse, die zum Beispiel folgende Maßnahmen enthalten:

"Es soll allgemein dort, wo die Infektionszahlen steigen und spätestens bei einer Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in einer Woche eine ergänzende Maskenpflicht im öffentlichen Raum eingeführt werden, wo Menschen dichter und/oder länger zusammenkommen. Ab einer Inzidenz von 35 soll auch eine Teilnehmerbegrenzung bei 25 Teilnehmern im öffentlichen und 15 Teilnehmern im privaten Raum gelten.

Ab 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage sollen die Kontakte im öffentlichen Raum auf maximal 10 Personen beschränkt werden und eine verbindliche Sperrstunde ab 23 Uhr für Gastronomiebetriebe gelten. Einschließlich eines generellen Außenabgabeverbotes von Alkohol." (Die Übersicht der verschärften Maßnahmen finden Sie hier.)

Jeweils nach zehn Tagen soll die Wirkung der Maßnahmen überprüft werden, um diese gegebenenfalls zu verschärfen. Ein paar Ausnahmen gibt es natürlich: Rheinland-Pfalz, Hessen und NRW werden die Teilnehmerzahl für Treffen in privaten Räumen nur als Empfehlung aussprechen. Niedersachsen will die Regelung erst prüfen.

Merkel, Müller und Söder nannten die Ergebnisse einen "wichtigen Schritt". Söder gab allerdings auch zu: "Ob das reicht, ist offen." Zumal die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin einen Beschluss zum höchst umstrittenen Beherbergungsverbot an das Ende der Herbstferien am 8. November vertagten. Eine Chance auf eine Einigung? Gab es nicht.

Auch zu einheitlichen Bußgeldern konnten sich die Teilnehmer nicht durchringen. Von Merkel ist aus den Gesprächen der Satz "Es reicht einfach nicht, was wir hier machen" überliefert. Und der Nachsatz: "Die Ansagen von uns sind nicht hart genug, um das Unheil von uns abzuwenden."

Merkel stellte fest: Ein beherzter Schritt, der regelmäßige Nachjustierungen überflüssig macht, war das schon mal nicht.

Und in der Tat klingen die Maßnahmen deutlich harmloser als die erneute nächtliche Ausgangsbeschränkung, die beispielsweise Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über die Region Paris und weitere Großstädte verhängt hat – von 21 Uhr bis 6 Uhr und verbunden mit einer Geldstrafe von 135 Euro bei Zuwiderhandlung. Oder als der Teil-Lockdown in den Niederlanden. Dort ist das Infektionsgeschehen natürlich auch ein anderes.

Bei den Regeln für Deutschland gibt es zweifellos dennoch erfreuliche Entwicklungen. Die Grenze von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche setzt früher an als bisher – so wie es sich die Kanzlerin erhoffte. Und gemeinsam mit der Grenze von 50 gibt sie zumindest eine einfache und gut verständliche Warnampel ab. Grün ist sie unter 35 Neuinfektionen, gelb darüber und rot ab 50 Neuinfektionen.

Und was den Maßnahmen aufgrund der zum Teil erneut fehlenden Einigkeit der Ministerpräsidenten an Schärfe noch fehlte, versuchten Müller, Merkel und Söder verbal auszugleichen. Um die Dramatik der Situation zu verdeutlichen und an die Bevölkerung zu appellieren, wurden sie deutlich.

Merkel sagte beispielsweise: "Wir haben es mit einer Jahrhundert-Herausforderung zu tun." Und: "Deutschland kann sich einen zweiten Lockdown nicht leisten."

Söder mahnte: "Wir sind dem zweiten Lockdown viel näher, als wir es wahrhaben wollen. Es ist nicht fünf vor 12. Es ist Schlag 12."

Und Müller regte sich auf: "Was können wir eigentlich noch tun, um jedem begreiflich zu machen: Wir sind in einer weltweiten Krise. Und in einer weltweiten Krise gibt es Einschränkungen. Und die könnten noch erheblich dramatischer sein als die, die wir haben."

Noch eine Warnung von Söder: "Sollte ein zweiter Lockdown kommen, wird das den Wohlstand des Landes fundamental gefährden und für nächste Generationen dauerhafte Schäden verursachen." Und wieder Müller: "Vielleicht sitzen wir in zwei Wochen hier und sprechen über eine Sperrstunde ab 20 statt 23 Uhr."

Die Botschaft: Jeder Einzelne muss sich zusammenreißen und sich an die Regeln halten, damit Deutschland diese Krise weiterhin gut und besser als die Nachbarländer übersteht. Egal, wie Corona-müde die vergangenen Monate gemacht haben. Und egal, wie lange und hart der Winter mit einem deutlich höheren Infektionsrisiko im Vergleich zum Sommer wird. Wenn das gelingt, wird der gestrige Tag zwar in der Nachbetrachtung nicht als historisch gelten. Aber zumindest als erfolgreich und wichtig im Kampf gegen die Pandemie.


WAS STEHT AN?

Um 15 Uhr beginnt heute der EU-Gipfel in Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs beraten über den Brexit-Streit mit Großbritannien und über ein neues Klimaziel für 2030. Die Verhandlungen mit London über einen Handelspakt nach der Brexit-Übergangsphase kommen seit Monaten keinen Millimeter voran. Die Zeit wird knapp. Zweieinhalb Monate sind es bis zum Ende der Übergangsphase.


In Paris trifft Außenminister Heiko Maas (SPD) um 10.15 Uhr auf seinen französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian und sein polnisches Pendant Zbigniew Rau. Der Grund: das außenpolitische Gesprächsforum "Weimarer Dreieck". Das Ziel: konkrete Impulse für die Außen- und Europapolitik bei aktuellen Themen.

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Heute und morgen beraten die Kultusminister der Länder über die Corona-Lage der Schulen und über eine bessere Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen. Auch auf der Tagesordnung: der lange geplante Bildungsrat, der die Länder bei der Abstimmung bildungspolitischer Fragen beraten soll.


Gibt es endlich den Durchbruch im monatelangen Streit um den neuen Bußgeldkatalog? Nach einer Videokonferenz stellen die Verkehrsminister der Länder ab 12.30 Uhr die Ergebnisse ihrer Herbstberatungen vor. Hintergrund des Streits ist eine Änderung der StVO und des Bußgeldkatalogs, mit der Strafen für zu schnelles Fahren deutlich verschärft wurden.


Wer raubkopierte Filme bei YouTube hochlädt, riskiert Schadenersatzforderungen – doch dafür braucht die geschädigte Firma vom Plattform-Betreiber die Nutzerdaten. Muss YouTube die herausrücken? Darüber verhandelt ab 12 Uhr der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Geklagt hat der Filmverleiher Constantin, der E-Mail-Adressen, Telefonnummern und verwendete IP-Adressen von drei Nutzern will.


WAS LESEN ODER ANSCHAUEN?

Der folgende Fall sorgt für Verunsicherung: In den USA ist bei einem bereits seit längerem genesenen 25-jährigen Corona-Patienten eine zweite Infektion mit dem SARS-CoV-2-Erreger nachgewiesen. Das Dramatische: Bei der zweiten Infektion zeigte der junge Mann nicht nur Symptome wie Fieber, Kopfweh und Husten. Er musste einige Tage später auch in eine Notaufnahme gebracht und beatmet werden.

Wie kann das sein?

In der Regel gilt doch bei Infektionskrankheiten: Wer genesen ist, bleibt vor dem Erreger geschützt. Bei Corona ist der Fall des 25-Jährigen allerdings nicht der erste. Deshalb sind meine Kolleginnen Sandra Simonsen und Nicole Sagener dem verheerenden Phänomen auf den Grund gegangen.


Wenige Branchen trifft Corona härter als das Taxigeschäft. Mit den Kontaktbeschränkungen und den Restriktionen im Reiseverkehr, den Schließungen von Clubs, Bars und Restaurants gingen den Taxifahrern die Kunden verloren. Geschäftsreisende kamen nicht mehr, zum Flughafen wollte niemand, auch Feierlustige waren nicht mehr unterwegs.

Seit Jahresbeginn ist die Zahl der Taxis in Berlin von über 8.200 auf 7.300 geschrumpft. Fast 1.000 abgemeldete Fahrzeuge bedeuten einen Rückgang von etwa zwölf Prozent. Die Zahl der Fahrten brach massiv ein: um bis zu 90 Prozent.

Und die Lage ist weiterhin extrem angespannt. Wer noch nicht aufgegeben hat, nimmt abzüglich der Kosten oft weniger als den Mindestlohn ein. Leszek Nadolski ist Taxifahrer in Berlin und hat meinem Kollegen David Ruch erzählt, dass er ohne staatliche Hilfe die letzten Monate nicht überstanden hätte – und wenn ihn seine Frau nicht unterstützt hätte. Junge Kollegen würden sogar im Auto schlafen, um jede mögliche Fahrt mitnehmen zu können, wie Sie hier lesen können.


Drei Spiele hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft innerhalb einer Woche absolviert. Der Erfolg? Nur ein Sieg aus drei Spielen. Die TV-Quoten? Bestenfalls mittelmäßig. Das Interesse an der Nationalmannschaft? Sinkend.

Mein Kollege Noah Platschko war zuletzt beim 3:3 gegen die Schweiz im Stadion und ist rund um die Partie der Frage nachgegangen, warum die Fans eigentlich keine Lust mehr auf ihre Nationalmannschaft haben. Und meine Kollegin Saskia Leidinger hat einen Fanforscher zurate gezogen. Die Ergebnisse sind spannend. Sie finden sie hier und hier.


Weckerklingeln. Schnell unter die Dusche. Anziehen. Haare machen. Schnell beim Bäcker vorbei. Brötchen. Kaffee. Arbeit. Argh. Die Betten hat man natürlich nicht gemacht.

Sie kennen das? Dann hat meine Kollegin Jennifer Buchholz gute Nachrichten für Sie. Warum es nämlich sogar besser für die Gesundheit ist, Bettdecke und Kopfkissen nicht zurechtzulegen, lesen Sie hier.


WAS AMÜSIERT MICH?

Die Kehrseite der Maskenpflicht.

Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Tag. Morgen kommentiert mein Kollege Sven Böll an dieser Stelle zum ersten Mal die Themen des Tages für Sie. Ich freue mich auf das Debüt.

Ihr

Florian Wichert
Stellvertretender Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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