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Tagesanbruch: Wahlverlierer Donald Trump – Zwangsjacke für den US-Präsidenten


Was heute wichtig ist
Zwangsjacke für Donald Trump

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 12.11.2020Lesedauer: 5 Min.
Meinung
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Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

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Wahlverlierer Donald Trump verhält sich wie ein Autokrat.Vergrößern des Bildes
Wahlverlierer Donald Trump verhält sich wie ein Autokrat. (Quelle: imago images/Reuters-bilder)

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WAS WAR?

Macht ist nur dann fruchtbar, wenn sie eingeschränkt ist. In Demokratien ist die Macht erstens durch den Volkswillen legitimiert, zweitens zeitlich begrenzt und drittens an klare Regeln gebunden. Wer ganz oben sitzt, muss seinen Posten räumen, wenn die Bürger es mehrheitlich verlangen. Kein Staat ist perfekt, auch Demokratien nicht, aber die Einhegung der Macht beugt Exzessen vor und verhindert brutales Durchregieren mit schlimmen Folgen.

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Was geschieht, wenn die Macht nicht demokratischen, rechtsstaatlichen Regeln verpflichtet ist, sehen wir vielerorts: In Aserbaidschan hat der Autokrat Aliyev das benachbarte Armenien überfallen, um sich die Enklave Bergkarabach unter den Nagel zu reißen. Der Krieg hat zahlreiche Tote gefordert und den ganzen Kaukasus erschüttert. In der Türkei hat Erdoğan durch sein autokratisches Gebaren Land und Leute in eine tiefe Wirtschaftskrise gestürzt. Er verprellt die wichtigen Handelspartner in der EU und beschimpft Frankreichs Präsidenten Macron, weil der den Islamismus anprangerte. In Ungarn hat Orbán das Parlament entmachtet. Er setzt per Notstandsverordnung seinen Willen durch und lässt kritische Journalisten mundtot machen. In Belarus versucht Diktator Lukaschenko, sein Regime mithilfe brutaler Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten zu retten. In Russland verbiegt Putin die Verfassung, um ewig zu herrschen, und lässt Gegner ermorden. In China unterwirft Staatschef Xi Hunderte Millionen Menschen einer Digitaldiktatur und zerschlägt die Demokratiebewegung in Hongkong. Im ölreichen Venezuela richtet Maduro die Wirtschaft zugrunde und hetzt Todesschwadronen auf die hungernden Bürger. In Tansania hat sich Präsident Magufuli die "Wiederwahl" gesichert, indem er Journalisten und Oppositionelle austrickste. Und in den USA weigert sich der in einer demokratischen Wahl unterlegene Amtsinhaber, seine Niederlage einzugestehen und die Machtübergabe einzuleiten: Donald Trump verweigert Joe Bidens Team die nötigen Zugänge, Informationen und Budgets, um den Regierungsantritt im Januar vorzubereiten. Stattdessen verunglimpft er den Sieger in Twitter-Salven, schwadroniert von "Wahlbetrug", obwohl keinerlei – wortwörtlich: keinerlei – stichhaltige Beweise dafür vorliegen, und faucht, er werde im Amt bleiben.

Gestern schrieb ich, Trumps Verhalten sei kindisch. Aber es ist schlimmer. Er untergräbt das Vertrauen in die Demokratie und entfremdet seine Anhänger vom Rechtsstaat. "Donald Trump hat der Demokratie seines Landes den Krieg erklärt", kommentiert mein Kollege Patrick Diekmann. Das klingt martialisch, aber so kann man das durchaus sehen. "Er nimmt ein ganzes Land in Geiselhaft, indem er die wichtige Übergangsphase zum nächsten Präsidenten blockiert." Laut einer Umfrage des Instituts Morning Consult hatten vor zwei Wochen noch knapp 70 Prozent der Republikaner-Anhänger Vertrauen in das Wahlsystem. Jetzt sind es nur noch ein Drittel. Trumps Gift wirkt.

Sein Kalkül scheint klar: Die US-Bundesstaaten, in denen er nur knapp verloren hat, überzieht er mit juristischen Klagen, damit sie bis zum Stichtag, dem 8. Dezember, kein amtliches Endergebnis vorlegen können. Dann dürften die Regionalregierungen statt der Wählerstimmen darüber entscheiden, wer ins "Electoral College" entsendet wird, um den künftigen US-Präsidenten zu wählen. Da diese Bundesstaaten überwiegend von Trumps Republikanischer Partei regiert werden, könnten sie womöglich für Trump statt für den wahren Sieger Biden stimmen. Ob es tatsächlich so weit kommt, ist fraglich, aber die Möglichkeit steht im Raum. Es ist eine Strategie wie aus dem Lehrbuch der Autokraten. Putin, Xi oder Magufuli würden es kaum anders machen.

Dazu passt Trumps jüngster Coup: Er hat nicht nur seinen Verteidigungsminister, sondern nun auch die komplette zivile Führung des Ministeriums gefeuert und durch Lakaien ersetzt. Beobachter spekulieren, ob Trump einen Militärputsch vorbereitet: Chaos stiften, Unruhen anzetteln, Soldaten losschicken, den Notstand verhängen – und weiterregieren. Dann würde sich bewahrheiten, was der amerikanische Historiker Timothy Snyder kurz vor der Präsidentschaftswahl im t-online-Interview sagte: "Donald Trump wird bis zum bitteren Ende kämpfen." So weit muss es nicht kommen, in Washington und auch in den umkämpften Bundesstaaten gibt es viele kluge, gesetzestreue Patrioten, die den Rechtsstaat verteidigen. Aber dass überhaupt vor dem Szenario eines Präsidentenputsches gewarnt werden muss, zeigt, welch schweren Schaden Trump bereits angerichtet hat. Dieser Mann ist eine Gefahr für die Demokratie – nicht nur in den USA, sondern weltweit. Mit seinem selbstherrlichen Gebaren liefert er machthungrigen Politikern die Blaupause, wie sich demokratische Prozesse aushebeln lassen.

Zugleich stellt er die demokratische Öffentlichkeit vor ein pathologisches Problem: Als Narzisst kann er nicht verlieren. Das wirft die Frage auf, ob er nicht wie ein Politiker behandelt werden sollte, der im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, sondern wie ein Kranker. Falls der Patient Donald John Trump seinen Feldzug gegen die Demokratie fortsetzt und sich weigert, das Weiße Haus zu verlassen, ist es spätestens am 20. Januar Zeit, den Krankenwagen zu rufen. Die Pfleger sollten für alle Fälle eine Zwangsjacke mitbringen.


WAS STEHT AN?

Das Robert Koch-Institut informiert heute über die aktuelle Corona-Lage in Deutschland. Wie die Situation in Ihrem Landkreis ist, erfahren Sie auf unserer interaktiven Karte.

Der Innen- und der Verfassungsausschuss des sächsischen Landtags wollen die Hintergründe der chaotischen "Querdenken"-Demonstration in Leipzig erhellen. Da gibt es jede Menge Klärungsbedarf.

Vor dem Schloss Bellevue in Berlin treten Soldaten zum feierlichen Gelöbnis anlässlich des 65. Gründungstags der Bundeswehr an. Sie werden versprechen, der Demokratie treu zu dienen und Recht und Freiheit tapfer zu verteidigen. Bundespräsident Steinmeier wird in seiner Rede appellieren, dass sich Bundeswehr und Gesellschaft niemals fremd werden dürfen.

In Münster beginnt der Prozess um die Kindesmissbrauchsfälle in einer Gartenlaube. Angeklagt sind ein 27-Jähriger, seine Mutter und drei Männer aus Niedersachsen, Hessen und Brandenburg.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stellt die Steuerschätzung für die kommenden Jahre vor. Weil sich die Wirtschaft trotz Corona berappelt, scheint die Lage weniger düster auszusehen als im Frühjahr angenommen.

Es gibt viele große Rockmusiker. Aber nur einer verbindet Rock, Country und Folk so unvergleichlich wie der Großmeister, der heute seinen 75. Geburtstag feiert. Herzlichen Glückwunsch, Neil!

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WAS LESEN?

Donald Trump versucht, Joe Bidens Machtübernahme zu verhindern – doch der neue Mann lässt sich nicht beirren, meint die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Hier stellt sie die wichtigsten Mitarbeiter des neu gewählten Präsidenten vor.


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Seit gut zwei Monaten findet an den Schulen wieder Präsenzunterricht statt, teilweise mit Maskenpflicht. Trotzdem sind derzeit offenbar mehr als 300.000 Schüler und rund 30.000 Lehrer in Quarantäne. Meine Kollegin Sandra Simonsen hat recherchiert, ob Schulkinder womöglich doch eine größere Rolle bei der Ausbreitung der Pandemie spielen.


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WAS AMÜSIERT MICH?

Karneval, Fastnacht und Fasching sind in Corona-Zeiten auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Ich wünsche Ihnen trotzdem einen fröhlichen Tag.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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