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So kann Armin Laschet noch Scholz und Baerbock schlagen: Schluss mit Gegacker


Tagesanbruch
Jetzt muss er liefern

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 28.08.2021Lesedauer: 5 Min.
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Armin Laschet will wieder angreifen.Vergrößern des Bildes
Armin Laschet will wieder angreifen. (Quelle: Thilo Schmuelgen/Reuters-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

nun haben Sie lange genug auf die Rückkehr des Tagesanbruchs am Wochenende gewartet. Da sind wir wieder: Diesmal analysiere ich gemeinsam mit meinem Kollegen Moritz Bailly die wichtigsten Themen der Woche, und die haben es in sich. Hören Sie bitte hinein:

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Dieses Wochenende ist politisch auch deshalb so spannend, weil der bisher schleppende Bundestagswahlkampf endlich auf zwei seiner Höhepunkte zusteuert: An diesem Samstagabend diskutieren CSU-Chef Markus Söder und der Grünen-Stratege Robert Habeck auf Einladung von t-online, "Spiegel" und "Vice" über ihre Konzepte für Deutschlands Zukunft. Und am Sonntagabend treffen bei RTL die Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen aufeinander. Welchen Eindruck sie dabei hinterlassen, kann den Kampf ums Kanzleramt beeinflussen.

Denn in Wahlkämpfen werden Politiker zu Figuren. Sie sind nicht länger gewöhnliche Menschen mit Stärken und Schwächen, sondern Gesichter auf Plakaten, Köpfe in Talkshows, Gestalten in kurzen Internetvideos. Sie sind Gesprächsstoff vor dem Fernseher, auf dem Büroflur und in den Schnatterblasen auf Twitter. In diesem Zustand bildet sich ein Image so schnell, dass es hinterher kaum noch zu verändern ist. Dieses Image kann den Wahlausgang entscheiden.

Das Image, das Armin Laschet seit einigen Wochen anhaftet, ist das eines Hallodris. Der Typ, der zwischen den Hochwassertrümmern kicherte. Der alte weiße Mann, der mit verkniffener Miene klarstellt, dass er wegen eines Starkregens nicht seine Klimapolitik zu ändern gedenkt. Der Schluffi, der unbeholfen neben dem Technologieguru Elon Musk herumstammelt. Unterm Strich ein Mann, dem viele Bürger nicht mehr zutrauen, Deutschland sicher durch all die Krisen unserer Zeit zu lotsen, Corona, das Klima, das Artensterben, der digitale Rückstand, die Gefährdung des Wohlstands, die ungeregelte Migration, die soziale Spaltung.

Es ist ein vernichtendes Urteil, und es ist bemerkenswert, wie viele Menschen binnen weniger Wochen zu diesem Urteil gelangt sind. Man hört es in diesen Tagen nicht nur in den Kreisen von Politikern und Journalisten, man hört es auch von Unternehmern, man hört es auf der Straße, in Restaurants, auf Bürofluren, in der Eisenbahn. Der kann es nicht: Das ist er Eindruck, den offenkundig immer mehr Menschen vom Kanzlerkandidaten der Union haben.

Sieht man sich die Entwicklung dieses Imageschadens an, lernt man allerdings mehr über die Erregungszyklen der medialen Öffentlichkeit als über den Menschen und Politiker Armin Laschet. Der Mensch Armin Laschet kann gewinnend, warmherzig und humorvoll sein. Der Politiker Armin Laschet hat eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie er den deutschen Wohlstand erhalten will, indem er die Wirtschaft stärkt, Bürokratie abbaut und klimafreundliche Technologien fördert. Der Politiker Armin Laschet hat auch die Gabe, ganz unterschiedliche Menschen und Interessen an einen Tisch zu bringen und Differenzen zu moderieren, wie man das im Rheinland eben macht: Miteinander zu reden und nach Gemeinsamkeiten zu suchen ist immer besser, als einander anzukläffen und ständig zu wiederholen, wie doof der andere ist.

Das ist Armin Laschets Stil, und damit regiert er das größte Bundesland Nordrhein-Westfalen recht erfolgreich. Trotzdem ist seine Kanzlerkandidatur drauf und dran, krachend zu scheitern, und das hat etwas mit seiner Kommunikation zu tun. Er erscheint zu Terminen zu oft unvorbereitet und stolpert in Situationen hinein, die ihn schlecht aussehen lassen. Was er als Spontaneität verbrämt, wirkt manchmal eher wie Naivität. Er neigt dazu, die Mechanismen der "sozialen Netzwerke" zu unterschätzen. Er beschäftigt Öffentlichkeitsarbeiter, die ihren Chef nicht davor bewahren, dumme Fehler zu machen. Und vielleicht funktionieren auch die Absprachen zwischen seinem Stab in Düsseldorf und seiner Parteizentrale in Berlin nicht reibungslos. All das und noch ein bisschen mehr hat Herrn Laschet ein Image eingebrockt, mit dem er große Probleme haben wird, die Bundestagswahl für die Union zu gewinnen und Kanzler zu werden. Eine exklusive Umfrage von t-online dokumentiert das Problem: Demnach kann Armin Laschet nach Meinung vieler Wähler politische Inhalte nur schlecht kommunizieren.

Doch er sieht noch eine Chance, sein Erscheinungsbild bei Millionen Menschen aufzupolieren: Am Sonntagabend trifft er sich mit seinen Kontrahenten Olaf Scholz von der SPD und Annalena Baerbock von den Grünen zur ersten von drei Fernsehdebatten, die von den Sendern großspurig als "Triell" inszeniert werden. Armin Laschet ist überzeugt: Das ist seine Chance auf ein Comeback in der Wählergunst, und er möchte sie nutzen. Sein Hauptgegner ist nun nicht mehr die ebenfalls strauchelnde Frau Baerbock – sondern der aufstrebende Herr Scholz, der sich als legitimer Nachfolger der stoischen Kanzlerin gebärdet. Er wird versuchen, den "SPD-Merkel" zu entzaubern.

Angriffsflächen gibt es: Laschet kann Scholz vorwerfen, ein unsicherer Kantonist zu sein, weil der womöglich auch mit der Linkspartei koalieren und ein rot-grün-rotes Bündnis schmieden würde. Dann wäre Deutschland außenpolitisch unberechenbar – aber das Drama in Kabul zeigt ja: Im Zweifel müsste die Bundeswehr gemeinsam mit ihren EU-Partnern auch ohne die Amerikaner militärisch eingreifen können, um deutsche Staatsbürger aus einer Notlage zu befreien. Bisher ist sie dazu nicht in der Lage. Sie kann noch nicht einmal ihre eigenen Soldaten in Mali verlässlich schützen, weil die SPD ihr partout keine Drohnen gewähren will, erst recht keine bewaffneten. Mit außenpolitischem Duckmäusertum aber verzwergt sich die Bundesrepublik selbst: So könnte eine Argumentationslinie von Armin Laschet lauten.

Außerdem könnte Herr Laschet anführen, dass die SPD mit ihren Steuererhöhungsplänen den Wirtschaftsaufschwung nach der Corona-Krise womöglich gleich wieder abwürgen würde. Und er könnte sowohl der SPD als auch den Grünen vorwerfen, dass sie die Relevanz des Klimaschutzes ebenfalls jahrzehntelang unterschätzt haben. Stattdessen verkämpfte sich die Umweltbewegung 25 Jahre lang gegen Atomkraftwerke. Die ehemalige rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen unter Hannelore Kraft konnte sich nicht zum Kohleausstieg durchringen – den beschloss erst das Kabinett von Armin Laschet. Und bis heute tun sich auch die Grünen und die SPD schwer, konkret zu sagen, woher denn all die Energie kommen soll, die Deutschland in den kommenden Jahren braucht. Der Ausbau von Windkraft, Solaranlagen und Wasserstofftechnologien wird dauern – wer also sowohl aus der Kernkraft als auch aus der Kohle noch schneller aussteigen will als bereits beschlossen, muss zwangsläufig mehr klimaschädliches Erdgas aus Russland und mehr schmutzige Kohle aus Polen, Südafrika und Kanada kaufen. Ein Selbstbetrug.

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Aus Sicht des Kanzlerkandidaten von CDU und CSU wäre es also gar nicht so schwer, die Schwachstellen in den Plänen von SPD und Grünen aufzuzeigen. Armin Laschet wird es wohl versuchen, und wenn er seinen Auftritt am Sonntagabend gut vorbereitet hat, könnte er das Blatt womöglich doch noch wenden. Abgesehen davon wäre es ganz schön, wenn sich genügend Journalisten zur Abwechslung mal mehr für die Inhalte als für die Bilder der Debatte interessieren und nicht jedes Twitter-Gegacker zur Eilmeldung aufblasen würden. Dann kann diese Diskussion womöglich wirklich einige Erkenntnisse bringen – egal, wer dabei die beste Figur macht. Ich für meinen Teil freue mich jedenfalls darauf.

Und Ihnen wünsche ich ein schönes Wochenende. Damit Sie beschwingt hineinkommen, empfehle ich Ihnen diesen Song von einem meiner Lieblingsalben. Und wenn Sie den Tagesanbruch weiterempfehlen möchten, können Sie diesen Link nutzen.

Herzliche Grüße,

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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