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Barack Obama und Bruce Springsteen: Als Obamas Möbel vom Sperrmüll kamen


"Shit, ich bin reich!"
Obama löchert Springsteen mit Fragen zu Reichtum und Luxus

Von Barack Obama und Bruce Springsteen

25.10.2021Lesedauer: 5 Min.
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Bruce Springsteen und Barack Obama: In ihrem neuen Buch "Renegades" sprechen der Musiker und der frühere US-Präsident unter anderem über ihre Vergangenheit.Vergrößern des Bildes
Bruce Springsteen und Barack Obama: In ihrem neuen Buch "Renegades" sprechen der Musiker und der frühere US-Präsident unter anderem über ihre Vergangenheit. (Quelle: Rob DeMartin)

Bruce Springsteen ist Rockgigant, Barack Obama war der mächtigste Mann der Welt. Beide haben aber auch harte Zeiten erlebt. Im neuen Buch "Renegades" sprechen sie darüber.

Sie sind Männer, die Geschichte schrieben: Barack Obama zog als erster Afroamerikaner ins Weiße Haus ein, Bruce Springsteen wird von Millionen Rockfans als "The Boss" verehrt. Privat sind der Politiker und der Musiker befreundet. Im Rahmen eines Podcasts führten sie lange Gespräche über ihre Herkunft, Politik und das allmähliche Verblassen des Amerikanischen Traums. Zu lesen sind ihre Gedanken im Buch "Renegades", das am 26. Oktober 2021 erscheint. Ein Auszug:

Barack Obama, geboren 1961, wurde 2008 zum 44. Präsidenten der USA gewählt. Der Demokrat war das erste afroamerikanische Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten. 2009 erhielt er den Friedensnobelpreis. Bruce Springsteen, Jahrgang 1949, gehört zu den bekanntesten Rockmusikern der Gegenwart. Für sein Werk erhielt Springsteen zahlreiche Auszeichnungen, darunter 20 Grammys. Am 26. Oktober erscheint ihr gemeinsames Buch "Renegades. Born in the USA. Träume – Mythen – Musik".

Barack Obama: Aber das Interessante ist, dass Michelle, teils weil sie ein sehr klares Selbstbild hatte – mit liebenden Eltern, einem Gefühl von Familie und Gemeinschaft –, nicht das Gefühl hat, errettet werden zu müssen. Ihr Gefühl sagt: "Ich brauche einfach ein bisschen Geld."

Bruce Springsteen: Witzig.

Barack Obama: Als ich sie kennenlerne, fährt sie einen Saab und ist gerade einem Weinclub beigetreten. Aus ihrer Sicht hat sie es zunächst einmal geschafft.

Ich weiß noch, wie sie mich zu einer Party mit ihren Freunden einlädt, und das sind alles junge Karrieremenschen. Ich passe da überhaupt nicht rein. Denn ich habe auf diese Ära reagiert, indem ich die entgegengesetzte Richtung einschlug. Ich hatte vielleicht drei Hemden. Ich hatte einen einzigen Teller. Und ich lebte in diesen heruntergekommenen Wohnungen, und meine Möbel kamen alle vom Sperrmüll. Ich kannte die Versuchung. Ich dachte, wenn ich einmal anfing, Dinge besitzen zu wollen, wäre das ein Hamsterrad, aus dem es kein Entkommen gäbe. Ich bin also mit diesen jungen Karrieretypen zusammen. Sie sehen alle aus wie Richard Gere in American Gigolo.

Bruce Springsteen: Das war der Look!

Barack Obama: Ich komme rein und ich hatte ein schlechtsitzendes Jackett aus irgendeinem Textildiscounter. Ironischerweise kam meine politische Stärke, glaube ich, unter anderem daher. Die Leute spürten, dass Michelle und ich aus eigenem Erleben wussten, wie es war, einen ganzen Berg Studiendarlehen zurückzahlen zu müssen, wie es war, wenn man die Kreditkarte überzogen hatte, und wie es war, Abstriche machen zu müssen. Und es war nicht gespielt.

Bruce Springsteen: Verstehe.

Barack Obama: Mich würde interessieren, wie du mit Geld umgegangen bist. Anfangs wolltest du nur deinen musikalischen Traum verwirklichen, aber an welchem Punkt sagst du dir plötzlich: "Shit, ich bin reich!"?

Bruce Springsteen: Mit dreißig, würde ich sagen, zweiunddreißig, dreiunddreißig. Ich hatte so viele schlechte Abmachungen getroffen, dass ich zehn Jahre lang ziemlich abgebrannt gewesen war. Ein Beispiel: Es war 1972, und ich war total pleite. Mein Manager sagte, wenn ich nach New York käme, könnte er mir 35 Dollar geben. Also sagte ich: "Ich fahre in die Stadt." Ich kratzte alle Pennys aus der Schublade zusammen und überlegte, was mich die Fahrt nach New York kosten würde … es reichte gerade so. Meine Freundin lieh mir ihr Auto, aber es hatte eine Drucktastenschaltung.

Ich komme zum Lincoln Tunnel, und die Durchfahrt kostete einen Dollar. Ich hatte hundert Pennys, ja? Ich gab der Frau die Pennys, und sie sagte: "Die Pennys kann ich nicht nehmen."

Da war ein Schild mit der Aufschrift "Keine Pennys." Ich sagte: "Ma’am, das ist mein ganzes Geld. Ich habe nicht genug Benzin, um nach Hause zurückzufahren. Ich muss in die Stadt, also bleiben wir hier sitzen, bis ich jeden einzelnen Penny gezählt habe."

Sie öffnete die Rollen, nahm jeden Penny, und nach einer Minute guckt sie mich an und sagt: "Sie können nicht durch." "Wieso nicht?" Sie streckt die Hand aus dem Fenster. Es war ein kanadischer Penny dabei.

Ich sagte: "Es gibt auf der ganzen verdammten Welt nicht ein Auto, in dem nicht irgendwo unterm Sitz ein Penny liegt." Und ich stieg aus dem verfluchten Auto, während hinter mir alles um die Wette hupte, und ich durchsuchte das Auto, und ob du es glaubst oder nicht, ich fand einen Penny und konnte nach New York reinfahren. Aber das war mir eine Lehre … In Amerika bringen dich 99 Cent nicht ans Ziel. Du brauchst den ganzen Dollar, mein Freund.

Barack Obama: Ich bin beeindruckt. Und du hast die Frau nicht verflucht.

Bruce Springsteen: Nein, nein. Ich musste nur auf Teufel komm raus diesen Penny finden.

Aber mit Anfang dreißig passierte einiges. Zum einen begann das Konzertgeschäft sehr einträglich zu werden. Wir zogen los und spielten viele Shows. Und ich hatte endlich den Großteil der Schulden von meinen dämlichen Fehlentscheidungen zurückgezahlt. Am Anfang hatte ich zwanzig Riesen auf der Bank – das war mein Vermögen, fast zehn Jahre nach meinem ersten Plattenvertrag –, und am Ende der Tour kam ich mit deutlich mehr nach Hause, und mein erster Gedanke war: "O mein Gott. Was mich betrifft, bin ich reich." Zweiter Gedanke: "Ich hasse mich." Denn jetzt sitze ich in der Falle!

Mein erster Luxus war also der Luxus, mein Geld zu ignorieren. Aber ich weiß noch, dass ich mir eine Sache geleistet habe. Ich kaufte mir für 10.000 Dollar einen Chevrolet Camaro. Wenn ich drin saß, kam es mir jedes Mal vor, als würde ich in einem goldenen Rolls-Royce herumfahren, und es war mir peinlich.

Barack Obama: Kein gutes Gefühl. Dir war unwohl.

Bruce Springsteen: Sehr unwohl.

Barack Obama: Es passt nicht zu dem, wofür du stehst. In Bezug darauf, wen du als deine Zuhörerschaft und was du als dein Thema definierst.

Bruce Springsteen: Und wie ich mich empfinde … Ich will mich damit also nicht zufriedengeben. Ich will diese Ganzheit, von der du sprachst. Darum geht es mir.

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Barack Obama: Errettung.

Bruce Springsteen: Genau.

Barack Obama: Erlösung.

Bruce Springsteen: Ich denke also, dass ich den sozialen Aufstieg mit einer gesunden Skepsis anging.

Barack Obama: Selbst als sich das Ganze weiter beschleunigt, nicht wahr? Ich meine, während der gesamten Achtziger und bis in die Neunziger hinein verdienst du nicht nur immer mehr Geld, sondern die Versuchungen, das Geld auszugeben, werden immer reichlicher. Und deine Kollegen, andere in deiner musikalischen Sphäre, sind beim Geldausgeben nicht ganz so zurückhaltend.

Bruce Springsteen: Da hat jeder seine eigene Einstellung. Und ich verurteile niemanden.

Barack Obama: Ich sage auch nicht, dass du sie verurteilst – aber was ich wissen will, ist, ob du dir zu dieser Zeit denkst: "Warum kaufe ich mir nicht eine große Villa?"

Bruce Springsteen: Das denke ich schon, und ich habe keine Antwort drauf, was ein großes Problem ist, weil ich an einen Punkt kam, an dem ich sagte: "Ich will ein Zuhause. Ein Zuhause ist Teil dieser Ganzheit."

Ich finde keins. Ich kriege keins. Ich kann keins kaufen. Und mir wird klar: "Ah, ich verstehe. Ich kann keins kaufen, weil ich keins verdient habe." Warum habe ich keine Partnerin und kein Privatleben und keine Kinder oder Dinge, die mich zufrieden machen? "Tja, ich verdiene das alles nicht." Als ich endlich etwas Geld verdient habe, zwang mich das, zu hinterfragen, wer ich war.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

Verwendete Quellen
  • Barack Obama, Bruce Springsteen: Renegades. Born in the USA. Träume – Mythen – Musik (Deutsche Ausgabe), 320 Seiten, 42,00 Euro (Erscheint am 26. Oktober im Penguin Verlag)
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