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Klimakrise: Wir können nicht mehr wegsehen – aus zwei Gründen


Wegsehen kann sich keiner mehr leisten

Von Florian Harms

Aktualisiert am 13.01.2022Lesedauer: 5 Min.
Meinung
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Angestellte einer Wildhonigfarm in Sambia: Das Land hat die meisten Lebensmittel bislang selbst produziert.Vergrößern des Bildes
Angestellte einer Wildhonigfarm in Sambia: Das Land hat die meisten Lebensmittel bislang selbst produziert. (Quelle: imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

Sambia ist ein kleines Land. Trotzdem müsste es jeden Tag in den Schlagzeilen sein. Zeitungen, Nachrichtenportale und Radiosender müssten regelmäßig aus der Hauptstadt Lusaka berichten, die "Tagesschau" und das "heute journal" müssten Korrespondentenbeiträge senden. In dem afrikanischen Binnenstaat – manchen bekannt durch die Victoria-Wasserfälle – leben 18 Millionen Menschen auf der doppelten Fläche Deutschlands, doch bei vielen müsste man das Verb "leben" in diesem Satz durch "leiden" ersetzen.

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In wenigen Ländern sind die Folgen der Klimakrise schon jetzt so heftig zu spüren wie in dem eigentlich gar nicht so armen Sambia. Monatelange Dürren wechseln sich mit sintflutartigen Regenfällen ab, Heuschreckenschwärme fressen auf, was Hitze und Fluten übrig lassen. Eine Ernte nach der anderen wird so vernichtet. Allein im vergangenen Jahr litten mehr als 1,2 Millionen Menschen Hunger – bei einer Bevölkerung, die zur Hälfte aus Kindern besteht. Die Not trifft Frauen und Mädchen besonders hart, weil sie traditionell auf den Feldern arbeiten.

Es ist längst nicht mehr nur eine akute, sondern eine dauerhafte Notlage, der die Menschen in Sambia ausgesetzt sind. Trotzdem interessiert sich der Rest der Welt kaum für ihr Schicksal – das haben wir jetzt schwarz auf weiß. Die Hilfsorganisation CARE hat ausgewertet, über welche Krisenherde rund um den Globus internationale Medien im vergangenen Jahr am wenigsten berichtet haben. Dazu hat sie mehr als 1,8 Millionen Artikel in englischer, französischer, deutscher, arabischer und spanischer Sprache untersuchen lassen. Das Ergebnis ist ernüchternd, wie meine Kollegin Camilla Kohrs zeigt: In der traurigen Rangliste finden sich hinter Sambia weitere afrikanische sowie lateinamerikanische Staaten und auch ein europäisches Land. Und fast überall spielt die Klimakrise eine erhebliche Rolle.

Die Zahlen sprechen für sich: Im Jahr 2021 hat die Organisation 360.000 Artikel über das Interview von Prinz Harry und seiner Gattin Meghan mit der amerikanischen Fernsehfragestellerin Oprah Winfrey gezählt. Über Sambia waren es 512. Kein Wunder, dass niemand über die dortige Notlage redet. Zur ganzen Wahrheit gehört allerdings auch, dass Beiträge über Krisenländer meist nur auf geringes Leserinteresse stoßen. Das ist auch bei t-online so. Auf den ersten Blick erscheint das nachvollziehbar; Länder wie Sambia, Niger oder Guatemala sind eben weit weg. Verständlich ist das Desinteresse, gestatten Sie mir bitte diese Bemerkung, trotzdem nicht. Es ist egoistisch und unvernünftig.

Sicher, auch hierzulande haben wir manche Sorgen, im Übrigen möge jeder sein Leben genießen. Trotzdem mutet es seltsam an, dass wir uns in Deutschland jeden Tag wohlschmeckende Speisen, ein warmes Zuhause, ein schönes Auto und Zerstreuung gönnen, während Millionen Menschen andernorts im Dreck leben und jeden Morgen überlegen müssen, wie sie ihre Kinder satt bekommen. Die Ignoranz ist aber auch deshalb riskant, weil die heutigen Probleme Sambias durch die rasante Erderhitzung schon bald auch die Probleme Ägyptens, Algeriens, Marokkos, ja, vielleicht auch Griechenlands, Siziliens, Albaniens sein können. Nur dass deren Einwohner, anders als die Menschen in Sambia, eher Mittel und Wege haben, ihre Rettung in Mitteleuropa zu suchen.

Wir können uns das Wegsehen nicht mehr leisten. Aus moralischen Gründen, aber auch aus Eigeninteresse. Und falls Sie nun denken: Ach herrje, jetzt kommt der Harms wieder mit einem Spendenaufruf um die Ecke, dann antworte ich Ihnen: Nein, heute genügt es schon, wenn Sie einfach ein paar Minuten über Ihren Medienkonsum nachdenken. Spenden dürfen Sie natürlich trotzdem.


Die Welt schaut auf Koblenz

Der Vorwurf der Bundesanwaltschaft lautet: Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Für Folter in mindestens 4.000 Fällen, Morde an mindestens 30 Menschen und mehrere Vergewaltigungen sowie Fälle sexualisierter Gewalt soll der frühere syrische Geheimdienstoffizier Anwar Raslan verantwortlich sein. Die Taten sollen zwischen April 2011 und September 2012 im Folterknast al-Chatib in Damaskus begangen worden sein, für den er zuständig war. Während die Bundesanwälte eine lebenslange Freiheitsstrafe und die Feststellung der besonderen Schuld des Angeklagten fordern, wodurch eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung nach 15 Jahren ausgeschlossen wäre, plädieren die Anwälte des Geheimdienstmanns auf Freispruch und stellen ihren Mandanten als Mitläufer wider Willen dar (hier erfahren Sie mehr). Wenn heute die Vorsitzende Richterin das Urteil verkündet, geht ein Prozess zu Ende, der weltweit Aufmerksamkeit erregt hat und den man eigentlich am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vermuten würde. Nur weil es das Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht erlaubt, auch hierzulande mögliche Kriegsverbrechen von Ausländern in anderen Staaten zu verfolgen, konnte der erste Strafprozess um Staatsfolter in Syrien ausgerechnet in Rheinland-Pfalz stattfinden.


Viele Hände, ein Ball

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Der finale Akt der Posse

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Es gibt nicht nur traurige Schlagzeilen zu Sambia. Von einer leichteren Seite berichtet uns die Deutsche Presse-Agentur: Ein Schiedsrichter aus Sambia hat es tatsächlich fertiggebracht, ein Fußballspiel gleich zweimal zu früh abzupfeifen. In der Partie beim Afrika-Cup zwischen Tunesien und Mali hatte er nämlich schon nach 85:06 Minuten offenbar keine Lust mehr und zückte die Pfeife. Die Spieler überzeugten ihn jedoch davon, dass das ja nun wirklich überhaupt nicht gehe. Also pfiff er wieder an – nur um nach 89:45 Minuten endgültig Feierabend zu machen. Zwischendrin hatte er noch rasch eine Rote Karte verteilt. Wenig später saß der Trainer der malischen Mannschaft in der Pressekonferenz, als er informiert wurde, dass die restlichen Sekunden plus Nachspielzeit doch noch zu absolvieren seien. Also trabten seine Kicker zurück auf den Platz. Leider hatten nun aber die Tunesier echt überhaupt keine Lust mehr. Kein Wunder, sie hatten ja das einzige Tor des Spiels erzielt. Daher stand man ein bisschen herum, bis der Schiri die Partie mit einem energischen Pfiff endgültig beendete. Ob die Zuschauer gepfiffen oder eher gelacht haben, berichten die Kollegen der dpa leider nicht.

Ich wünsche Ihnen einen heiteren Tag. Morgen kommt der Tagesanbruch von meinem Kollegen Johannes Bebermeier, von mir hören Sie am Samstag wieder. Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
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Mit Material von dpa.

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