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Ukraine-Talk bei "Anne Will": Sollen jetzt chinesische Soldaten eingreifen?


Vorstoß von Linken-Politiker bei "Anne Will"
Chinesische Soldaten in die Ukraine holen?


Aktualisiert am 06.03.2023Lesedauer: 4 Min.
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Jan van Aken bei Anne Will (Archivbild): "Das Gerede über Waffen verhindert kluge Ideen." (Quelle: IMAGO/Jürgen Heinrich)

Jan van Aken will einen Frieden in der Ukraine durch chinesische UN-Soldaten sichern. "Dann wird Russland nicht angreifen", sagt er bei "Anne Will".

"Das Gerede über Waffen verhindert kluge Ideen", klagte Jan van Aken (Die Linke) bei "Anne Will". Der Außenexperte und ehemalige Biowaffeninspektor bei den Vereinten Nationen hatte einen Vorschlag mitgebracht, wie ein Friede in der Ukraine mit einem nicht vertrauenswürdigen Kremlchef gelingen könne. Chinesische Blauhelmsoldaten könnten eine UN-Verwaltung in den von Russland besetzten Gebieten schützen. "Das wäre eine sehr, sehr große Sicherheitsgarantie für die Ukraine", sagte er. "Denn Putin wird niemals auf einen chinesischen Soldaten schießen."

Die Gäste

  • Kevin Kühnert, SPD-Generalsekretär
  • Jan van Aken (Die Linke), Konfliktforscher
  • Ljudmyla Melnyk, Institut für Europäische Politik
  • Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz
  • Annette Kurschus, Theologin

"Vertrauen ist nicht da", pflichtete van Aken der deutsch-ukrainischen Expertin Ljudmyla Melnyk bei. Die hatte davor gewarnt, Verhandlungen als "Allheilmittel" zu betrachten und dabei die Ursachen des Krieges – nämlich Wladimir Putins Großreichsfantasien – außer Acht zu lassen. Beobachtermissionen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatten den Angriff Russlands nicht verhindern können. Von Aken plädierte deshalb dafür, bei einer UN-Mission stattdessen auf Putins wichtigste Verbündete zu setzen.

Chinesische Soldaten in der Ukraine?

Neben China sollten deshalb auch weitere Mitglieder der BRICS-Staaten (Zusammenschluss der Länder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) große Kontingente an Soldaten in die Ukraine schicken, allen voran Indien und Brasilien, schlug der Krisenberater von der Rosa-Luxemburg-Stiftung vor. Er versprach sich davon bei "Will" quasi einen eingebauten Schutzschirm für die UN-Mission. "Dann wird Russland nicht angreifen", warb van Aken für seine Ideen. Denn China und Russland würden niemals Krieg gegeneinander führen: "Dann werden wir mehrere Jahre Zeit haben."

"Wir müssen doch neu denken", appellierte der Linken-Politiker. Ganz so neu ist sein Vorschlag allerdings nicht. Er hatte bereits sieben Wochen nach dem russischen Angriff in einem Interview im "Neuen Deutschland" gefordert, stärker auf China und Indien zu setzen. Er warf dem Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, vor: "Was Sie sagen, ist: Waffen liefern und fünf Jahre Krieg. Das möchte ich nicht." Der ehemalige sicherheitspolitische Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schien durchaus von van Akens Vorschlag angetan zu sein. "Man sollte das versuchen" und könnte ja im UN-Sicherheitsrat eine solche Resolution einbringen, meinte er bei "Anne Will".

UN-Generalsekretär António Guterres könne sich ohnehin stärker in dem Krieg engagieren, ließ der Diplomat durchblicken. Wie groß die Erfolgsaussichten für eine derartige Blauhelmmission sein werden, schien Heusgen allerdings zu bezweifeln. "Ich bin mal gespannt, wie weit Sie kommen", sagte der ehemalige Vertreter Deutschlands bei den UN. Als "zynisch" kritisierte hingegen Melnyk den Vorschlag zum UN-Mandat und einer abschließenden Volksbefragung, zu welchem Land die besetzten Gebiete gehören sollen. Die Menschen dort hätten nie ein solches Referendum gewünscht, unterstrich die gebürtige Ukrainerin.

"Anne Will": Kritik von Kühnert

Kritik kam in der Talkshow ebenfalls von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. "Sie sitzen ein bisschen mit dem Impetus desjenigen hier, der als Erster weltweit auf die Idee gekommen ist, dass man ja mal miteinander sprechen könnte", sagte er an van Aken gewandt. Er warf diesem vor, zwar eine breite diplomatische Friedensinitiative zu fordern, aber doch nur wieder Chinesen und Inder für westliche Interessen einzusetzen. "Wenn wir wollen, dass die BRICS-Staaten eine Rolle spielen, dann dürfen wir nicht nur definieren, was wir von denen wollen, sondern dann müssen wir uns die Frage stellen, was wir denen eigentlich mittelfristig zu bieten haben", beschrieb Kühnert die verschobenen globalen Machtverhältnisse.

Und welche Perspektive kann der Westen der Ukraine bieten? "Das ist nicht der Appell für ewig währende Waffenlieferungen", hatte Kühnert an einer Stelle der Sendung klargestellt. Wie es denn mit der Nato-Mitgliedschaft aussehe, wollte Will wissen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte kürzlich mit der Aussage überrascht, die Partner des Bündnisses seien langfristig für einen Beitritt der Ukraine. Ganz so definitiv klang das beim obersten SPD-Strategen nicht. "Ob und wann das passieren wird, wissen wir heute nicht", sagte Kühnert.

"Ich glaube, dass wir über eine Nato-Mitgliedschaft ernsthaft nachdenken müssen", meinte hingegen Heusgen. Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz schränkte allerdings ein: Dann müsse man die Ukraine "mit so viel Waffen vollstopfen", dass Putin – oder dessen Nachfolger – es sich dreimal überlegt, das Land erneut anzugreifen. Aktuell sind seiner Ansicht nach Waffenlieferungen der einzige Weg, den Kremlmachthaber an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Keine Verhandlungen mit Putin

"Werden denn derzeit hinter den Kulissen Gespräche mit Moskau geführt?", hakte Anne Will nach. "Soweit ich weiß, läuft auf dieser offiziellen Ebene nichts", entgegnete Merkels Ex-Berater. Zwar gebe es Kontakte etwa zu Getreideexporten oder dem Austausch von Gefangenen. Doch "Verhandlungen vergleichbar mit denen, die wir zum Minsker Abkommen geführt haben, gibt es nicht". Kühnert ergänzte etwas später: Womöglich lasse sich rückblickend feststellen, dass der Frieden am Ende über vertrauliche diplomatische Kanäle zustande gekommen sei.

Die Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, repräsentierte in dieser Ausgabe von "Anne Will" viele Bürger, die bei der Unterstützung für die Ukraine hin- und hergerissen sind. "Ich bin überzeugt, dass keine Waffe Frieden schafft", sagte die Pfarrerin. Sie betonte mit Blick auf die deutsche Unterstützung: "Jede Waffe, die eingesetzt wird, tötet auch."

Waffenlieferungen sind nach Ansicht der Theologin zwar gerechtfertigt, um Leben zu schützen. Kurschus stellte aber für sich selbst fest: "Ich werde mitschuldig, wenn ich das für gut halte. Ich nehme in Kauf, dass durch die Waffen russische Soldaten zu Tode kommen. Das ist eine Verantwortung, die mit Schuld zu tun hat." Waffenlieferungen seien deshalb nur zu verantworten, wenn durch sie eine Strategie für Verhandlungen und Frieden ermöglicht werde.

Verwendete Quellen
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