Newsblog zum Ukraine-Krieg US-Regierung rechnet offenbar mit russischem Großangriff

Rächt sich Putin für "Operation Spinnennetz"? Der ukrainische Präsident äußert sich enttäuscht von der US-Regierung. Alle Entwicklungen im Newsblog.
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Sonntag, 8. Juni
US-Regierung rechnet offenbar mit russischem Großangriff
Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters rechnet die US-Regierung mit einem massiven russischen Angriff auf die Ukraine in den kommenden Tagen. Demnach dürften bei dem Angriff sowohl Kamikazedrohnen als auch Marschflugkörper und ballistische Raketen zum Einsatz kommen. Die US-Regierung wertet den erwarteten Großangriff als Vergeltung für die jüngste "Operation Spinnennetz" des ukrainischen Geheimdienstes SBU, bei der eine Vielzahl russischer Flugzeuge zerstört oder beschädigt wurde.
Nach Angaben der "Bild"-Zeitung hält es auch die Bundesregierung für möglich, dass Russland in Kürze zu einem großen Vergeltungsschlag ausholt. Die Aktivitäten der russischen Seite werde "genau beobachtet", schrieb die Zeitung unter Berufung auf nicht näher genannte Regierungskreise. Die Ukraine hat sich bislang nicht zu den Berichten geäußert.
Schon in den vergangenen Nächten hatte Russland ukrainische Städte wieder massiv aus der Luft angegriffen. Bei einem Angriff auf Kiew in der Nacht zu Freitag setzte Russland mehr als 400 Kamikazedrohnen vom Typ Shahed ein. Bei einem Angriff auf die zweitgrößte Stadt Charkiw in der Nacht zu Samstag waren es mehr als 200 Shaheds. Bei den Angriffen wurden mehrere Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt.
Selenskyj: US-Regierung leitet 20.000 Raketen für die Ukraine um
Die US-Regierung hat nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine für die Ukraine bestimmte Lieferung von 20.000 Antidrohnenraketen in den Nahen Osten umgeleitet. Die Geschosse seien speziell zum Abfangen iranischer Kamikazedrohnen vom Typ Shahed entwickelt worden, sagte Selenskyj dem US-Sender ABC News. Russland greift ukrainische Städte immer wieder mit Hunderten Shahed-Drohnen gleichzeitig an.
"Wir haben uns auf diese 20.000 Raketen verlassen", sagte Selenskyj dem Sender am Sonntag. "Ihre Entwicklung war nicht teuer, bedurfte aber spezieller Technologie. Am Morgen hat mich der Verteidigungsminister informiert, dass die USA diese Raketen in den Nahen Osten geschickt haben", so Selenskyj. In welches Land die Raketen stattdessen geschickt wurden, ließ er offen. Die Entwicklung der Raketen sei noch mit der Regierung von Präsident Biden ausgemacht worden, erklärte der Präsident.
Selenskyj unterstrich die Gefahr, die von den Shahed-Drohnen für die ukrainische Bevölkerung ausgeht. Außerdem betonte er den Bedarf der Ukraine an Flugabwehrraketen vom Typ Patriot. Diese gelten als effektivste Waffe gegen russische Raketen und Marschflugkörper. Seit der Amtsübernahme von Donald Trump haben die USA der Ukraine keine neue Munition mehr für ihre Patriotgeschütze geliefert. Die letzte Lieferung von 90 Patriotraketen erhielt Kiew Anfang des Jahres aus Israel.
Russland meldet Geländegewinne
Die russischen Streitkräfte dringen nach eigenen Angaben derzeit am Boden in die ukrainische Region Dnipropetrowsk vor. Die russische Armee teilte am Sonntag im Onlinedienst Telegram mit, Kräfte einer Panzereinheit hätten "die Westgrenze der Volksrepublik Donezk erreicht und führen weiterhin eine Offensive in der Region Dnipropetrowsk". Donzek gehört zu den fünf Regionen, die Russland nach eigenen Angaben annektiert hat, das an Donezk angrenzende Dnipropetrowsk gehört bislang nicht dazu.
Der Vormarsch der russischen Streitkräfte in eine weitere Region der Ukraine wäre sowohl ein symbolischer als auch ein strategischer Rückschlag für Kiew nach monatelangen Verlusten auf dem Schlachtfeld. Eine Reaktion der Ukraine lag zunächst nicht vor. Auf dem pro-ukrainischen Onlineportal "Deep State Map", das Frontverläufe nachzeichnet, werden jedoch russische Streitkräfte in unmittelbarer Nähe der Region Dnipropetrowsk markiert. Am Morgen hatten die ukrainischen Behörden ein Todesopfer bei russischen Angriffen in der Region gemeldet.
Dnipropetrowsk ist ein wichtiges Bergbau- und Industriezentrum der Ukraine. Tiefere russische Vorstöße in die Region könnten ernste Folgen für die angeschlagene Armee und Wirtschaft der Ukraine haben.
Moskau setzt Betrieb an mehreren Flughäfen aus
Die zivile russische Luftfahrtbehörde hat angesichts eines ukrainischen Drohnenangriffs am Sonntagmorgen den Betrieb an zwei wichtigen internationalen Moskauer Flughäfen vorläufig gestoppt. Flüge in Wnukowo and Domodedowo wurden demnach aus Sicherheitsgründen ausgesetzt. Die Flugabwehr habe bis 06.00 Uhr MESZ neun ukrainische Drohnen mit Kurs Moskau zerstört, teilte der Bürgermeister der Hauptstadt, Sergej Sobjanin, mit.
Rettungsdienste seien zu den Orten geschickt worden, an denen Drohnentrümmer niedergegangen seien. Zu etwaigen Schäden oder Opfern liegen keine Angaben vor. Die Ukraine äußerte sich zunächst nicht.
Litauischer Präsident kritisiert Sanktionsandrohungen von Merz
Der litauische Präsident Gitanas Nauseda hat Bundeskanzler Friedrich Merz scharf für seine nicht umgesetzten Sanktionsdrohungen gegen Russland kritisiert. "Das ist ein Problem", sagte Nauseda der "Bild am Sonntag". "Und das betrifft nicht nur die Glaubwürdigkeit unserer Sanktionen, sondern die Glaubwürdigkeit all unserer Maßnahmen gegenüber Russland und unserer Unterstützung für die Ukraine."
Mit Blick auf das Sicherheitsrisiko für die Nato sagte er der Zeitung: "Russland wird sich nicht auf die Ukraine beschränken. Das ist mehr als offensichtlich. Es geht um eine Bedrohung für uns alle."
Russland fängt Drohne ab
Russische Luftabwehreinheiten haben laut lokalen Behörden eine ukrainische Drohne abgefangen. Die Drohne war Richtung Moskau unterwegs, schrieb Bürgermeister Sergej Sobjanin auf Telegram.
Russland: Ukrainische Drohne löst Brand in Chemiewerk aus
Ein ukrainischer Drohnenangriff löst laut Angaben der örtlichen Behörden in der russischen Region Tula einen kurzzeitigen Brand im Chemiewerk Azot aus. Zwei Menschen werden verletzt. "Der Brand ist gelöscht", schrieb Gouverneur Dmitri Miljajew auf Telegram.
- Eigene Recherche
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters