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Reiner Calmund zum Confed Cup: "Es ging zu wie in der Boxbude"


Calli-Kolumne zum Confed Cup
"Sensationell! Es ging zu wie in der Boxbude"

t-online, Reiner Calmund

Aktualisiert am 03.07.2017Lesedauer: 4 Min.
Medel (2. v. l.) und Vidal (M.) wollen Kimmich an den Kragen.Vergrößern des BildesMedel (2. v. l.) und Vidal (M.) wollen Kimmich an den Kragen. (Quelle: imago-images-bilder)
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Ich habe ja als alter Sack schon eine Menge erlebt im Fußball. Und wenn ich auch vor Beginn des Turniers hier geschrieben habe, dass der Confed Cup für mich kein "Lulu"-Turnier ist, so gebe ich zu: Meine Anspannung erreichte nicht die Gradzahl wie bei einer WM oder EM. Ich habe mich über jedes Tor gefreut und über jeden Sieg. Doch im Hinterkopf war immer das Emotionen-Stopp-Signal: "Es ist nur der Confed-Cup. Alles halb so wild." Am Sonntag war es vorbei mit der Lockerheit.

Die Kolumne von Reiner Calmund bei t-online.de.

Mit jeder Minute des Endspiels wuchsen Anspannung und Aufregung über die Art und Weise, wie die Chilenen da teilweise zur Sache gingen. Bei einigen Aktionen des Südamerika-Meisters bin ich verbal schon ein klein wenig ausrastet.

Auf dem Rasen ging es zu wie in der Boxbude

Aber: Ich war in bester Gesellschaft. Oder haben Sie Joachim Löw zuletzt einmal dermaßen emotional erlebt wie am Sonntag in St. Petersburg? Wie der auf den Platz sprintete, um Emre Can zu schützen, als sich gleich vier Chilenen auf den Mittelfeldspieler stürzten? Das fand ich sensationell – auf dem Rasen ging es zu wie in der Boxbude und Jogi mittendrin.

Ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen, weil ich zu weit entfernt war. Aber aus der Distanz gewann ich den Eindruck, Deutschlands Confed-Cup-Team habe einen anderen Bundestrainer als "Die Mannschaft". Während Löw bei seinen Weltmeistern eher reserviert auftritt und im Bewusstsein, jede Menge Weltklasse im Team zu haben, die Jungs vieles einfach selbst erledigen lässt, war er bei diesen meist jungen und international unerfahrenen Spielern als Coach ganz anders gefragt.

Löw impfte den Spielern literweise Selbstvertrauen ein

Und diese Aufgabe löste Löw mit Bravour und erinnerte alle nachhaltig daran, dass er ein Weltklasse-Trainer ist. Einer, der offenbar in kurzer Zeit komplexe Sachverhalte vermitteln kann. Der jungen Spielern wie Leon Goretzka, Timo Werner, Niklas Süle oder Antonio Rüdiger literweise Selbstvertrauen einimpfte. Der halbwegs etablierten Jungs wie Julian Draxler, Shkodran Mustafi, Emre Can, Sebastian Rudy, Julian Brand mehr und mehr Führungsaufgaben übertrug und ihnen damit ermöglichte, den nächsten Schritt in ihrer Karriere anzugehen.

Das gilt verstärkt für Joshua Kimmich und Jonas Hector, im Finale die beiden einzigen festen A-Nationalspieler. Lars Stindl schließlich ließ er die Freiheiten in der Offensive, die der Gladbacher braucht und dann auch nutzte. Wenn Löw nach dem Sieg gegen die Chilenen sagen konnte: "Jeder Spieler, der hier war, hat eine bessere Position als vorher", dann beschreibt das auch seinen Erfolg. Jeder dieser Spieler ist besser geworden – so einfach ist das.

Deutschland gewann sogar noch die Fair-Play-Wertung

Besser geworden bei einem Turnier, zu dem alle anderen Verbände ihre stärksten Teams schickten. Doch Top-Stars wie Arturo Vidal, Alexis Sanchez oder Cristiano Ronaldo durften am Ende zuschauen, als Julian Draxler den Pokal in die Höhe stemmte. Deutschland stellte mit ihm den besten Spieler des Turniers, mit Werner den besten Torschützen vor Lars Stindl und Leon Goretzka, die wie er drei Treffer erzielt hatten, beim Leipziger kamen allerdings noch zwei Vorlagen dazu. Ach ja: Deutschland gewann auch noch die Fair-Play-Wertung.

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Es erübrigt sich fast zu erwähnen, dass mit der Dreierkette ein neues System eingespielt wurde und das Team dank schnellem, vertikalem Umschaltspiel jeden Gegner ins Schwimmen bringen konnte. Zwar waren Mexiko und Chile phasenweise überlegen. Doch Deutschland verteidigte mit Glück, einem starken ter Stegen und Geschick – und erspielte sich in jedem Spiel ein paar glasklare Chancen, die effektiv genutzt wurden. Von zwölf Turniertoren (die meisten aller Teams) fielen elf aus dem Spiel heraus, oft waren es Konter- oder wie am Sonntag Pressingsituationen, die den Gegner überraschten.

Neun Chilenen waren bei der WM gegen Brasilien dabei

Die Startelf im Finale wies insgesamt weniger als 200 Länderspiele auf, die der Chilenen weit über 900. Wir brauchen also über ein paar Fehler nicht zu sprechen. Erfahrung spielt eine große Rolle auf dem internationalen Parkett. Die Chilenen kamen mit neun Spielern, die vor drei Jahren im WM-Achtelfinale gegen Brasilien im Elfmeterschießen scheiterten – am Ende langte es gegen die Leidenschaft und die Begeisterung der jungen Deutschen eben nicht.

Diese Begeisterung vermittelte Löw und er und sein Team beendeten damit einen grandiosen Sommer für den deutschen Fußball. Die U21 wurde Europameister (ohne neun Stammspieler!), die A-Mannschaft holte den Confed-Cup.

Confed-Cup-Team war keine zwei Jahre älter als die U21

Löw und sein Kollege Stefan Kuntz waren ebenso wie DFB-Manager Oliver Bierhoff klug genug, die herausragende Rolle der deutschen Profiklubs in Sachen Nachwuchsschulung hervorzuheben. Wenn den beiden wichtigsten Auswahl-Mannschaften des DFB rund 50 Top-Spieler zur Verfügung stehen, dann ist dies in erster Linie ein Verdienst der Vereine.

Sie und die Verbände leisten nach dem Motto "Nicht quatschen – machen" eine großartige Nachwuchsarbeit. Das Ergebnis liegt deutlich sichtbar auf der Hand. Neben den vielen Top-Talenten in unseren Auswahlmannschaften sind auch unsere Profi-Klubs mit ihren Talenten im internationalen Vergleich gegen finanzstarke Konkurrenz gut aufgestellt. Die A-Mannschaft vom Sonntag war im Schnitt nicht einmal zwei Jahre älter als das U21-Siegerteam vom Freitag.

Drei Persönlichkeiten stellten die Weichen

In diesem Zusammenhang möchte ich als Beteiligter und Zeitzeuge aus einem großen Kreis von verdienstvollen Funktionären und Trainern drei Persönlichkeiten besonders hervorheben. Der verstorbene DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder war nach der EM-Pleite 2000 in Holland und Belgien der Initiator für das neue und nicht billige DFB-Jugendkonzept. Jeder Bundesliga- und Zweitligaverein wurde verpflichtet, ein Nachwuchs-Leistungszentrum mit guten Trainern und Infrastruktur auf die Beine zu stellen.

Matthias Sammer, 1996 unser letzter "Fußballer des Jahres in Europa" und 2002 jüngster Meistertrainer mit dem BVB, stellte als Sportdirektor und Stratege ab 2006 wichtige Weichen und das hemdsärmelige Torjäger-Idol Horst Hrubesch sorgte zuerst als DFB-Trainer und nun als Sportdirektor mit Kompetenz, Teamgeist und seiner besonderen Persönlichkeit für Stimmung und Erfolge.

Aber: Bei den Turnieren kommt es dann auch darauf an, was die Bundestrainer daraus machen. In Russland hat Jogi Löw einmal mehr bewiesen, dass wir uns auf ihn verlassen können. In der Arbeit mit dem Team sowieso. Und wenn es hart auf hart kommt auch bei der Rangelei auf dem Rasen.

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