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Effenberg: Schalke 04 hat nur einen Gewinner – Nübel, der den Klub verlässt


Meine Saisonbilanz
Auf Schalke gibt es nur einen Gewinner

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 30.06.2020Lesedauer: 8 Min.
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Alexander Nübel hat ein turbulentes Jahr beim FC Schalke hinter sich.Vergrößern des Bildes
Alexander Nübel hat ein turbulentes Jahr beim FC Schalke hinter sich. (Quelle: Poolfoto/imago-images-bilder)

Flick kann bei Bayern eine Ära wie Hitzfeld oder Heynckes prägen. Dortmund muss Sancho und Haaland halten. Auf Schalke gibt es nur einen Gewinner. Die Saisonbilanz.

Die Bundesliga-Saison ist geschafft – das ist wohl der größte Erfolg nach einer Spielzeit, die im Zeichen der Corona-Pandemie stand. Schon vor den Relegationsspielen zwischen Werder Bremen und Heidenheim ist klar: Der größte Gewinner ist die Deutsche Fußball-Liga (DFL) mit Christian Seifert an der Spitze. Sie hat ein 51-seitiges Hygienekonzept auf die Beine gestellt, das zunächst kritisch beäugt wurde – mit dem wir dann aber zum großen Vorreiter in der Sportwelt geworden sind.

Wir haben es in Deutschland geschafft, den Wettbewerb sportlich fair zu Ende zu bringen. Das war mit Abstand das Wichtigste.

Neben der DFL gibt es natürlich weitere Gewinner – und Verlierer. Hier sind sie.

  • Die Gewinner

Hansi Flick: Beim FC Bayern gibt es viele Gewinner – von Torschützenkönig Robert Lewandowski (34 Treffer) über die wieder erstarkten Thomas Müller (21 Torvorlagen) und Jérôme Boateng, den überragenden Linksverteidiger Alphonso Davies oder David Alaba auf neuer Position in der Innenverteidigung. Am Ende war es aber Hansi Flick, der all diese Spieler zu hundert Prozent in die Spur gebracht hat und entsprechend an erster Stelle stehen muss.

Wir müssen natürlich das Pokalfinale und die Champions League abwarten, um seine Leistung abschließend zu beurteilen. Ein erfolgreiches Abschneiden in der Champions League ist natürlich der Anspruch des FC Bayern. Ich kann mir aber dann schon vorstellen, dass Flick mal eine längere Zeit das Gesicht des Vereins ist, ähnlich wie ein Ottmar Hitzfeld oder Jupp Heynckes.

Timo Werner: Mit 28 Toren in 34 Bundesliga-Spielen hat Werner nicht nur die beste Saison seiner Karriere gespielt – er hat mit seinem Wechsel zum FC Chelsea zur kommenden Saison auch eine hervorragende Entscheidung für seine Karriere getroffen. Ich denke, dass wir noch sehr viel Freude an Werner haben werden, gerade auch im Nationaltrikot bei Welt- und Europameisterschaften.

Kai Havertz: Kaum ein Tag vergeht ohne neue Meldungen oder Gerüchte über einen möglichen Wechsel. Er wird mit Real Madrid, Chelsea, Bayern, Barcelona oder Manchester United in Verbindung gebracht. Ich persönlich würde Kai Havertz allerdings raten, noch ein Jahr bei Bayer Leverkusen zu bleiben.

In der ersten Saisonhälfte war Havertz nur an drei Toren beteiligt und hatte eine schwächere Phase. Dennoch stärkten die Bosse ihm den Rücken. Das Ergebnis: In der Rückserie erzielte Havertz allein zehn Tore und bereitete fünf weitere vor. Das wäre nicht gelungen, wenn Trainer Peter Bosz und die Vereinsspitze ihm nicht volles und uneingeschränktes Vertrauen geschenkt hätten. 2021 kann er immer noch wechseln – und sich seinen neuen Verein komplett aussuchen.

Lucien Favre: Platz zwei und 13 Punkte Rückstand auf den FC Bayern – Borussia Dortmund hat die Deutsche Meisterschaft und somit das große Ziel erneut deutlich verpasst. Das ist eine Sichtweise. Die andere – und die unterstütze ich – sieht so aus, dass der BVB sehr wohl eine sehr starke Saison gespielt und nahezu das Beste aus seinen Möglichkeiten gemacht hat. Dortmund hat mit 84 Toren in einer Saison einen Vereinsrekord aufgestellt. Und Favre ist mit einem Schnitt von 2,04 Punkten pro Spiel weiterhin der beste Trainer der Klubgeschichte. Dortmund hat sich nun klar und auch zu Recht zu Favre als Trainer für die kommende Saison bekannt.

Auch Jürgen Klopp wäre mit dem BVB diese Saison nicht Meister geworden. Der FC Bayern war mit Flick einfach für andere Bundesliga-Klubs nicht zu schlagen.

Dortmund hat eine extrem hohe Fachkompetenz in der Führung, hat Toptransfers getätigt und nun eine junge und entwicklungsfähige Mannschaft, dafür muss man den Verantwortlichen auch mal Respekt zollen. Während Bayern für Verteidiger Lucas Hernández 80 Millionen Euro an Atlético Madrid überwiesen hat, kosteten Spieler wie Jadon Sancho (8 Millionen), Erling Haaland (20 Millionen), Julian Brandt (25 Millionen), Emre Can (25 Millionen) und Thomas Meunier (ablösefrei) zusammen nicht so viel.

Kann das für den Titel reichen? Ich denke, grundsätzlich schon. Ich muss aber auch klar sagen: Dortmund muss die Leistungsträger halten und weiterentwickeln. Sonst brauchen sie nicht antreten, um Deutscher Meister zu werden. Haaland, Emre Can, Axel Witsel und Mats Hummels sind Mentalitätsspieler, die du einfach brauchst. Sancho, Thorgan Hazard oder Julian Brandt sind begnadete Fußballer. Mit einer Mischung daraus wirst du am Ende erfolgreich sein.

Borussia Mönchengladbach: Die Qualifikation für die Champions League ist ein riesiger Erfolg. Der Verein ist mit der Verpflichtung von Trainer Marco Rose als Nachfolger des durchaus erfolgreichen Dieter Hecking 2019 ein hohes Risiko eingegangen, das sich letztlich ausgezahlt hat. Jetzt hoffe ich natürlich, dass der nächste Schritt kommt.

Ich weiß, dass sich die Fans nach einem großen Erfolg sehnen. Der letzte ist mit dem DFB-Pokalsieg 25 Jahre her. Die Deutsche Meisterschaft oder einen Erfolg im Europapokal halte ich weiterhin für sehr schwer zu erreichen – aber vielleicht wird es noch mal etwas mit einem Pokalsieg.

Union Berlin: Ein unglaublich sympathischer Aufsteiger, der ein absoluter Gewinn für die Bundesliga ist. Union sind ein paar richtig gute Schachzüge bei der Transferplanung gelungen. Sie haben eine Achse mit erfahrenen Spielern gebildet und so Erfolg gehabt. Ich denke nicht, dass sie das ohne so erfahrene Spieler wie Christian Gentner oder Neven Subotic geschafft hätten.

  • Die Verlierer

Der HSV: Er ist DER große Verlierer im gesamten deutschen Profifußball. Ein Punkt hätte gereicht, um die Relegation zu erreichen – stattdessen hat der HSV am letzten Zweitliga-Spieltag 1:5 zuhause gegen Sandhausen verloren. Wahnsinn. Immerhin: Der HSV hätte wohl auch gegen Bremen in der Relegation nicht bestanden.

Der HSV ist nach der Coronapause gescheitert, auch wenn ich das Wort "Scheitern" nicht mag. Es fehlt an Qualität in der Mannschaft. Womöglich spielt auch eine gewisse Selbstüberschätzung eine Rolle. Ich gehe davon aus, dass mal wieder ein Cut bevorsteht.

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Die Mannschaft braucht eine neue Hierarchie und Führungsspieler mit der richtigen Mentalität. Die wird man nicht in den ersten fünf oder zehn Spielen erkennen – sondern in den Spielen, bei denen es drauf ankommt. In den letzten Partien habe ich keinen Spieler beim HSV gesehen, der dazu in der Lage war. Die entscheidende Frage ist, wer mental bereit ist für die Aufgabe, den HSV wieder in die Bundesliga zu bringen.

Und sollte es mit Hecking als Trainer weitergehen? Ich kann mir das schwer vorstellen. Ich gehe davon aus, dass es auch auf dieser Position eine Veränderung gibt – und das ist wahrscheinlich auch richtig.

Der FC Schalke: 16 Bundesliga-Spiele hintereinander ohne Sieg – das ist eine Katastrophenbilanz, die mit dem 0:4 beim SC Freiburg am letzten Spieltag gekrönt wurde. Nach der starken Hinrunde und mit dem riesigen Polster auf die Abstiegsplätze hätte die Mannschaft eigentlich frei sein und entsprechend aufspielen müssen. Das Gegenteil ist eingetreten und wirft natürlich auch die Frage nach der Qualität in der Mannschaft auf.

Was wird aus Trainer David Wagner? Ich würde ihm noch die Chance geben, es in einer weiteren Saison hintenraus besser zu machen. Nach acht Wochen in der neuen Saison wird man dann sehen, wohin die Reise geht.

Für mich spielt die Unruhe rund um den Verein weiter eine Rolle. Aktuell steht Aufsichtsratschef Clemens Tönnies nicht nur auf Schalke massiv in der Kritik – sondern hat mit seiner Fleischfabrik noch ganz andere Baustellen. Ich finde es grundsätzlich gut, wenn sich jemand kämpferisch gibt und etwas wiedergutmachen will, bei Clemens Tönnies ist aber einfach der Zeitpunkt erreicht, an dem ein Rückzug vielleicht das Beste wäre.

Wie würden die Fans reagieren, wenn sie ins Stadion dürften? Das ist für mich eine ganz wichtige Frage, die das Handeln in den nächsten Wochen bestimmen sollte. Wie würden sie die Arbeit von Trainer Wagner oder Boss Tönnies beurteilen? Ich kann mir vorstellen, dass die Stimmung mit Fans am Nullpunkt wäre – und das darf man nicht außer Acht lassen.

Über Schalke gab es so viele Negativschlagzeilen – ich bin gespannt, wann die nächsten kommen. Vielleicht ja schon im Zuge der Überlegungen, als erster Verein eine Gehaltsobergrenze einzuführen. Die halte ich nämlich für nicht praktikabel, weder auf Schalke noch in der Bundesliga. Statt sich unnötige Grenzen zu setzen, die sie ohnehin nicht einhalten, sollten die Schalker lieber konsequent auf die Jugend setzen. Das könnten die Fans nachvollziehen und weiter hinter ihrer Mannschaft stehen.

Auf Schalke gibt es eigentlich nur einen Gewinner: Torwart Alexander Nübel. Denn der ist jetzt weg und wechselt zum FC Bayern. Nübel hat eine schwierige Saison hinter sich, die er vor allem den Schalker Verantwortlichen zu verdanken hat. Sie haben ihm das Vertrauen entzogen, die Kapitänsbinde genommen und somit einen großen Teil dazu beigetragen, dass er an Sicherheit verloren hat und sein Potenzial nicht mehr abschöpfen konnte.

Hertha BSC: Gegenüber dem HSV oder auch Schalke hat Hertha einen großen Vorteil: Der Klub ist auf einem guten Weg und hat womöglich das Schlimmste hinter sich. Das war die ganze Aufregung um die Tagebücher von Ex-Trainer Jürgen Klinsmann oder die Missachtung der Hygieneregeln von Salomon Kalou mit anschließendem Rauswurf.

Sportlich – und dabei bleibe ich – hat Jürgen Klinsmann Hertha stabilisiert. Und Bruno Labbadia hat das zuletzt fortgeführt. Hertha kann durchaus positiv in die Zukunft schauen und mit jungen hungrigen Spielern daran arbeiten, der "Big City Club" zu werden, der sie sein wollen. Ich wünsche ihnen, dass das gelingt.

Philippe Coutinho: Der Brasilianer hat sich mit seinem Wechsel zum FC Bayern keinen Gefallen getan. Das konnte man allerdings vorher nicht wissen. Er hatte am Anfang Probleme und war nun zuletzt lange verletzt. Vielleicht geht Coutinho zurück nach England, wo er bei Liverpool seine beste Zeit hatte. Er ist mittlerweile 28 Jahre alt, er hat noch maximal zwei große Verträge vor sich und muss sich genau überlegen, welchen Schritt er geht. Er ist nach wie vor ein herausragender Fußballer. Das Wichtigste für Coutinho ist, dass er permanent spielt und so seinen Spaß am Fußball zurückgewinnt. Bei Bayern war das über weite Strecken leider nicht möglich.

Mario Götze: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass Mario Götze noch locker drei, vier Jahre auf absolutem Top-Niveau spielen und einer Spitzenmannschaft weiterhelfen kann. Aber er ist in der Bringschuld. Götze hat nun über Jahre unter seinen Möglichkeiten gespielt, es ging seit seinem Tor zum Weltmeistertitel 2014 fast permanent bergab. Er muss diesen Willen in sich haben, es noch mal allen zu beweisen. Der Weg kann nur ins Ausland führen, weil er in Deutschland zu sehr unter Beobachtung stehen würde. Vielleicht wechselt er nach Italien?

Ich erinnere mich an Stürmer Ciro Immobile, der in der Bundesliga bei Borussia Dortmund arge Probleme hatte und mittlerweile seit Jahren Tore ohne Ende in der Serie A erzielt. Der Vergleich hinkt zwar etwas, weil Immobile zurück in die Heimat ging. Doch trotzdem sieht man an ihm, was so ein Wechsel in eine andere Liga bewirken kann. Das wünsche ich Mario Götze auch.

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Die große Frage, die noch offen ist: In welche Kategorie gehört eigentlich Werder Bremen? Der Klub hat eine enttäuschende Saison gespielt – und würde bei einem Erfolg in der Relegation gegen Heidenheim dennoch zu den Gewinnern zählen. Auch weil man an Trainer Florian Kohfeldt festgehalten hat.

Ich gehe davon aus, dass Werder durch den Sprung von Platz 17 auf 16 und dem 6:1 gegen den 1. FC Köln einen psychologischen Vorteil hat und die Klasse halten wird. Wenn Werder gegen Heidenheim nicht besteht, hat der Klub es auch nicht verdient, in der Bundesliga zu bleiben.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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