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Stefan Effenberg kritisiert Niklas Süle: Jetzt zeigt sich das wahre Gesicht


Nationalspieler verlässt Bayern
Jetzt zeigt sich das wahre Gesicht

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 05.02.2022Lesedauer: 6 Min.
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Nationalspieler Niklas Süle (l.) wird den FC Bayern am Saisonende verlassen. Stefan Effenberg (Kreis) sieht diese Entscheidung kritisch.Vergrößern des Bildes
Nationalspieler Niklas Süle (l.) wird den FC Bayern am Saisonende verlassen. Stefan Effenberg (Kreis) sieht diese Entscheidung kritisch. (Quelle: imago-images-bilder)

Spieler wie Max Kruse und Niklas Süle entscheiden sich mit ihren Vereinswechseln für Geld und gegen sportlichen Erfolg. Das ist eine große Gefahr für den Fußball.

Die Olympischen Winterspiele in Peking haben begonnen – mindestens genauso spannend ist an diesem Wochenende allerdings die Bundesliga.

Ein besorgniserregender Trend

Der FC Bayern hat RB Leipzig im Topspiel niedergerungen (Lesen Sie hier den Spielbericht). Am Sonntag spielt der Tabellenzweite Borussia Dortmund gegen den Dritten Bayer Leverkusen.

Dazu gibt es hochemotionale Diskussionen um die Transferentscheidungen dieser Woche. Kein Wunder, lassen sie doch einen besorgniserregenden Trend erkennen.

Der frühere Nationalspieler Max Kruse hat sich gegen den sportlichen Erfolg, einen möglichen Pokalsieg und eine eventuelle Qualifikation für die Champions League entschieden, indem er den Tabellenvierten Union Berlin verlassen hat. Beim VfL Wolfsburg bekommt er mehr Geld – kämpft allerdings künftig gegen den Abstieg.

Damit einhergeht ein fatales Signal.

Süle hat sich gegen Titel entschieden

Für Kruse hat der sportliche Erfolg keine Bedeutung. Man muss ihm hoch anrechnen, dass er seinen Wechsel zumindest ehrlich begründet hat. Andererseits kann ich mir als Union-Berlin-Fan davon nichts kaufen.

Da habe ich mir vielleicht ein Max-Kruse-Trikot gekauft im Laufe der sehr erfolgreichen eineinhalb Jahre – und dann ist er von einem auf den anderen Tag weg. Was mache ich mit meinem Trikot? Wahrscheinlich schmeiße ich das in die Ecke.

Genauso hat sich Nationalspieler Niklas Süle entschieden, ein Vertragsangebot des FC Bayern nicht anzunehmen und den Verein im Sommer ablösefrei zu verlassen. Wohin, ist noch unklar. Klar ist dagegen schon jetzt, dass er sich ebenfalls gegen den sportlichen Erfolg und für mehr Geld entschieden hat. Denn in Europa gibt es keinen Verein, bei dem er so eine Titelgarantie hat wie bei Bayern.

BVB-Wechsel nicht vorstellbar

Jedes Jahr die Meisterschaft, fast jedes Jahr den Pokal – und womöglich alle paar Jahre die Champions League: Süle verzichtet bewusst und freiwillig auf diese Titel. Denn: Die können weder Real Madrid und der FC Barcelona bieten – noch englische Klubs wie Manchester City oder der FC Liverpool, die sich die nationalen Trophäen gegenseitig wegnehmen.

Und erst recht nicht Newcastle United, die angeblich interessiert sein sollen.

Bei all diesen Klubs kann Süle allerdings voraussichtlich mehr Geld verdienen, als Bayern ihm geboten hat. Auch ein Wechsel innerhalb der Bundesliga zu Borussia Dortmund wäre nur damit zu erklären, dass der BVB ein höheres Gehalt locker macht. Vorstellen kann ich mir das nicht.

Bayern haben konsequent gehandelt

Der Abschied von Niklas Süle ist für Bayern sportlich kein Mega-Verlust. Was wehtut, ist höchstens die Tatsache, dass es nach Jérôme Boateng, David Alaba und Javi Martinez bereits der vierte Spieler innerhalb eines halben Jahres ist, der zum Nulltarif geht und keine Ablösesumme abwirft.

Dennoch spricht diese Personalie für den FC Bayern. Der hat nicht rumgeeiert, sondern gesagt: "Das ist unser Angebot, diese Summe bist Du uns wert. Wir werden uns aber nicht verbiegen und da drüber gehen."

Von Spielern kommt dann gern als Argument eine fehlende Wertschätzung. Ich sehe es so, dass sie die jeden Monat auf ihrem Kontoauszug sehen. Bei Süle kommt noch die hohe Wertschätzung von Trainer Julian Nagelsmann dazu, den er bereits aus gemeinsamen Hoffenheimer Zeiten kannte.

Deshalb ist das Verhalten von Bayern konsequent, richtig und auch Zeugnis einer neuen Strategie, die sich immer deutlicher herauskristallisiert.

Bei den absoluten Leistungsträgern streckt sich der FC Bayern natürlich, um die Verträge zu verlängern – so wie das auch bei Serge Gnabry und Thomas Müller gelingen wird (Lesen Sie hier, was Trainer Nagelsmann zur Zukunft von Müller sagt). Er hält Stars aber auch nicht um jeden Preis, sondern setzt eine Grenze. Das ist ein Signal an die eigenen Spieler, aber auch an Europa: "Wir machen hier nicht alles mit und zahlen keine 30 Mio. Euro oder mehr im Jahr." Stattdessen setzt Bayern nun wirklich immer konsequenter auf die eigene Jugend.

Ablösefreier Wechsel bedeutet Handgeld

Die Verantwortlichen haben dem erst 16-jährigen Paul Wanner einen langfristigen Vertrag gegeben. Der 18-jährige Jamal Musiala ist fester Bestandteil der Stamm-Mannschaft und auch der 19-jährige Malik Tillman hat bereits sieben Pflichtspiele in dieser Saison absolvieren dürfen.

Ein ablösefreier Wechsel wie der von Süle kommt finanziell immer dem Spieler zugute. Wenn mein Vertrag ausläuft und mein künftiger Verein die Ablösesumme spart, kann ich nicht nur ein höheres Gehalt verlangen – sondern auch ein sattes Handgeld für meine Unterschrift einstreichen.

Der damalige Nationalspieler Sebastian Deisler hat 2001 die Summe von 20 Millionen Mark für seine Unterschrift bei Bayern aufs Konto überwiesen bekommen. Diese Handgelder sind in den letzten Jahren nicht unbedingt kleiner geworden.

Gefahr und Chance für Vereine

Der Weltmeister Kylian Mbappé wechselt wohl im Sommer ablösefrei von Paris St. Germain zu Real Madrid und soll angeblich 40 Millionen Euro Handgeld bekommen – das wäre ein Rekord. Verlierer in diesem Fall: PSG.

Der Klub hat vor vier Jahren rund 180 Millionen Euro Ablöse bezahlt und sieht nun keinen Cent. Und: Er hat mit Mbappé bis heute nicht die Champions League gewonnen – den Titel also, den man mit der Verpflichtung unbedingt holen wollte.

Das zeigt: Für die Vereine ist das sowohl Gefahr als auch Chance, sich wiederum ablösefreie Spieler zu holen. Die haben dann natürlich wieder die Wahl zwischen verschiedenen Arbeitgebern.

Die Klubs versuchen mitunter, die Spieler noch schnell ein halbes Jahr vor Vertragsende zu verkaufen, wie es Gladbach mit Denis Zakaria (Juventus) gelungen ist.

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Spielern kann das egal sein

Mitspieler Matthias Ginter dagegen bleibt bis Saisonende und wird keine Ablöse mehr bringen. Entscheidend auch hier: Wenn der Spieler nicht mitmacht, ist der Verein aufgeschmissen. Und: Es geht auf beiden Seiten – insbesondere bei den Klubs auch coronabedingt – nur noch um Geld.

Dieser Trend ist eine große Gefahr für den Fußball, weil er die Entfremdung von den Fans beschleunigt. Wenn immer mehr Spieler für ein höheres Gehalt spielen statt für Erfolg und Titel, dann nimmt das dem Fußball die Glaubwürdigkeit und rüttelt an den Grundfesten des Sports.

Den Spielern kann es egal sein, wenn sie einen Verein verlassen und dieser keine Ablösesummen bekommt – und offenbar ist es vielen auch egal. Hier zeigt sich aber immer auch das wahre Gesicht eines Spielers und das darf man nicht unterschätzen. Der Nächste, dessen wahres Gesicht sich zeigen wird, ist Dortmund-Stürmer Erling Haaland.

Das wahre Gesicht von Haaland

Er hat einen Vertrag bis 2024 und in diesem Sommer die Möglichkeit, den BVB für festgeschriebene 75 Millionen Euro zu verlassen. Er kann diese Klausel bis ungefähr Ende Mai ziehen und damit zeigen, dass ihm der Verein, die Kaderplanung und auch die Fans egal sind.

Oder er schafft jetzt sehr zeitnah Fakten, gibt dem Klub die Möglichkeit, sich für die Zeit nach seinem Abschied adäquat aufzustellen – sowie den Fans endlich eine Antwort auf ihre drängendste Frage. Immerhin deutete er ja an, dies tun zu wollen.

Ablösefreie Wechsel, Geld statt Erfolg – das passt sicherlich in die Entwicklung, dass sich der Fußball immer weiter von den Fans entfernt. Dafür gibt es viele weitere Beispiele. Die Preiserhöhung von Streaming-Dienst DAZN. Die TV-Rechtevergabe, die einem Fan so viele Abonnements abverlangt, dass er im Jahr teilweise rund tausend Euro zahlen muss, um alle Spiele seines Lieblingsvereins sehen zu können.

Gut für den Fußball ist das nicht

Die Ticketpreise sind über die Jahre explodiert. Dazu kommen coronabedingte Faktoren, die beispielsweise öffentliche Trainingseinheiten, Autogrammstunden und dringend benötigte Fannähe verhindern. Der DFB kennt sich damit bestens aus, auch wenn es hier schon vor der Pandemie an der Nähe zu den Anhängern haperte. Die Glaubwürdigkeit des Verbandes hat in den vergangenen Jahren so sehr gelitten, dass die Zuschauer ohnehin nur noch wenig Interesse an einem Stadionbesuch hatten.

Nun kommen also die Vereinswechsel von Süle oder Kruse dazu, die das Verhältnis zu den Fans belasten.

Natürlich muss man letztlich jeden Wechsel individuell betrachten. Gut für den Fußball sind die Entscheidungen der beiden allerdings nicht. So viel steht fest.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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