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HomeSportFußballKolumne - Stefan Effenberg

Stefan Effenberg: Jetzt muss Thomas Tuchel beim FC Bayern liefern


Unruhe in München
Nicht Kane: Auf diesen Star muss Bayern jetzt hoffen

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

18.08.2023Lesedauer: 5 Min.
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Thomas Tuchel: Er steht in der Kritik.Vergrößern des Bildes
Thomas Tuchel: Er steht in der Kritik. (Quelle: Frank Hoermann/SVEN SIMON/imago images)

Nach dem Fehlstart gegen Leipzig haben der FC Bayern und Trainer Thomas Tuchel beim Liga-Auftakt selbst den Druck erhöht. Es gibt gleich drei Meisterrivalen.

Der Wunsch bei Bayern München ist immer, mit Ruhe in die Saison zu starten. Denn nur so kannst du die hochgesteckten Ziele erreichen. Wenn du dann aber im ersten Pflichtspiel der Saison im Supercup gleich mit 0:3 gegen Leipzig verlierst, und das sogar verdient, wird daraus nichts. Damit haben sie selbst gleich den Druck erhöht. Da kommt man schon ins Grübeln. Nicht nur den Fans gibt diese Leistung zu denken, auch ich war regelrecht schockiert.

Thomas Tuchel konnte den enttäuschenden Auftritt seiner Mannschaft nicht erklären, war ratlos und hat sich sogar bei Neuzugang Harry Kane dafür entschuldigt. Das kam bei dessen Mitspielern nicht gut an. Tuchel darf seine Ratlosigkeit so nicht äußern. Ich hätte mir einen anderen Modus gewünscht: Dass er klar weiß und anspricht, was falsch gelaufen ist und dass man es am Freitag beim Bundesligastart in Bremen besser machen wird.

Jetzt ist da auch für Tuchel direkt Druck drauf, keine Frage. Er weist bislang eine sehr schlechte Statistik als Bayern-Trainer auf, hat von 13 Pflichtspielen schon fünf verloren und bei zwei Unentschieden nur sechs gewonnen. Ich hatte eigentlich die Hoffnung, dass er weiß, was er zu tun hat, um die Bayern wieder dahin zu bringen, wie man sie eigentlich kennt: zurück zu alter Dominanz. Das muss er jetzt ab Freitag beweisen.

Dann werden bei Bayern viele Dinge hinterfragt

Nach dem Spiel dann so ein Interview zu geben, da waren wir alle erschrocken. Das war alles andere als ein kämpferischer Trainer, der ausstrahlt, dass er weiß, wo die Probleme liegen. Ich gehe trotzdem davon aus, dass das bei ihm der Fall ist.

Er hat Kane als Mittelstürmer bekommen und damit eine ganz große Baustelle geschlossen. Und schon angekündigt, dass Kane bei ihm ab sofort immer spielen wird. Das ist auch richtig so. Jetzt muss er auch noch Min-jae Kim, der eine gute Vorbereitung hatte, in die Startformation stellen. Aus den Fehlern gegen Leipzig sollte man lernen, um dann gegen Bremen eine deutlich bessere Leistung zu zeigen.

Bei Bayern München hast du immer ein Problem, wenn du keine entsprechenden Ergebnisse lieferst. Hauptsache, du gewinnst – die Art und Weise, wie das passiert, ist dabei nicht so entscheidend. Sonst hast du direkt wieder Diskussionen und dann werden bei Bayern viele Dinge hinterfragt. Die Verantwortlichen vertrauen Tuchel zu 100 Prozent, haben ihm viel Mitspracherecht in der Kaderplanung gegeben. Jetzt muss er auch liefern, er ist in der Bringschuld.

Effenberg: "Kimmich und Goretzka haben es schon bewiesen"

Bei der Holding-Six, also einem defensivdenkenden Mittelfeldspieler, den sich Tuchel wünscht, gehen die Meinung auseinander. Ich bin der Meinung, dass er genügend zentrale Spieler im Kader hat, die diese Rolle auch spielen können, allen voran Joshua Kimmich.

Ich habe auch das Duo Kimmich und Leon Goretzka noch längst nicht abgeschrieben. Sie haben die höchsten Ansprüche, setzen sich die höchsten Ziele. Sie haben es auch schon bewiesen und mit Bayern die Champions League gewonnen, auch wenn damals Thiago noch Teil des Bayern-Mittelfelds und Kimmich teilweise Rechtsverteidiger war.

Auch in der Nationalmannschaft haben sie schon sehr gut als Doppelsechs funktioniert. Solche Spieler laufen nicht weg, wenn es mal ungemütlich wird, sondern sagen: "Nein, ich bleibe hier und stelle mich dem Konkurrenzkampf." So wie Goretzka das bereits getan hat. Ich sehe jedenfalls keine Notwendigkeit, auf dieser Position noch mal viele Millionen zu investieren.

Die größere offene Baustelle ist ohnehin ganz hinten auf der Torhüterposition. Du kannst nicht nur mit Sven Ulreich und einem Nachwuchskeeper in die Saison gehen, das kann sich der Rekordmeister nicht erlauben.

Kepa hat sich für Real Madrid entschieden, nachdem sich Thibaut Courtois das Kreuzband gerissen hat. Diese Verletzung sollte ein warnendes Beispiel für Bayern sein, wie schnell das gehen kann. Du brauchst noch jemanden als Back-up oder Nummer eins. Alles andere wäre fahrlässig.

Bayern muss jetzt auf Müller hoffen

Mit Robert Lewandowski, der den Klub verlassen hat und Kapitän Manuel Neuer, der sich im Winter das Schien- und Wadenbein gebrochen hat, sind zwei absolute Führungsspieler weggebrochen, auch Thomas Müller fehlte zuletzt häufig verletzt. Auf wen willst du jetzt also hoffen und setzen? Harry Kane kann das sprachlich nicht direkt transportieren.

Momentan führt Kimmich die Mannschaft als Kapitän an. Diesen Anspruch hat er auch zu Recht und seine Qualitäten stehen für mich außer Frage. Das muss er jetzt aber auch zeigen und auf dem Platz abliefern. Der Nächste in der Hierarchie ist Goretzka, der – Stand jetzt – noch nicht so die Rolle spielt. Deshalb musst du jetzt zwangsläufig auf Müller setzen und hoffen, dass er schnell wieder fit wird – etwas anderes bleibt dir gar nicht übrig. Müller wird dringend gebraucht.

 
 
 
 
 
 
 

Dass Tuchel auch mal deutliche sowie kritische Worte gegenüber seinen Spielern findet, ist das Recht des Trainers und sogar seine Aufgabe – in erster Linie intern, aber auch mal öffentlich Dinge anzusprechen. Damit müssen die Profis umgehen können und zurechtkommen. Da sehe ich auch keinen Bruch zwischen Trainer und Mannschaft. Die Spieler sollten das umsetzen, was ihr Coach von ihnen einfordert und sind jetzt genauso gefordert. Grundsätzlich sollte man bei Bayern die Entwicklung bis zur Länderspielpause jetzt erst mal abwarten.

Der Supercup war ein Wink für die Bundesliga

Die ersten Eindrücke deuten aber darauf hin, dass es in diesem Jahr an der Spitze wieder lange spannend bleiben könnte. Der Supercup war ein Wink für die Bundesliga. Ich erwarte einen engen Meisterkampf, in dem Dortmund, Leipzig und Leverkusen die Bayern-Jäger sein werden.

Dortmund hat sich mit Felix Nmecha und Marcel Sabitzer richtig gut verstärkt. Es ist für mich der stärkste BVB der vergangenen drei Jahre. Auch Leipzig hat seine Abgänge sehr gut kompensiert, wie sie gegen Bayern eindrucksvoll gezeigt haben. Einen höheren Gradmesser kannst du nicht haben und sie haben abgeliefert. Sie haben eine Mannschaft, die einen großen Hunger hat – das gilt speziell für die Meisterschaft. Die Möglichkeit ist da. Ihr Sportvorstand Max Eberl hat schon gesagt, dass sie sich nicht kleinmachen und verstecken wollen.

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Leverkusen hat sich ebenfalls unter anderem mit Granit Xhaka, Victor Boniface und Jonas Hofmann klug verstärkt. Alle Konkurrenten der Bayern haben sehr gut eingekauft und zugelegt, wenn auch vielleicht nicht ganz mit dem Strahlen eines 100-Millionen-Transfers von Harry Kane. Die drei Klubs haben ihre Abgänge dennoch gut aufgefangen und sind sogar stärker geworden. Sie werden von Anfang an großen Druck auf Bayern ausüben.

Ich bin auch gespannt, wie Union und Freiburg mit der Zusatzbelastung umgehen werden und ob sie ihre tolle Saison bestätigen können. Der Abstiegskampf wird wieder unglaublich spannend. Heidenheim, Darmstadt, aber auch Bremen, Augsburg und Bochum sind da mittendrin. Auch das wird ein Kampf bis zum letzten Spieltag. Etwas Schöneres gibt es doch nicht. Meine Vorfreude auf die neue Saison ist jedenfalls riesig.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: "Ich repräsentiere den FC Bayern insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander – auch und insbesondere mit dem FC Bayern."
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