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Didi Hamann vor Bayern – BVB: "Lewandowski und Haaland sind nicht entscheidend"


Experte vorm Spitzenspiel
"Das wird der neue Bayern-Verfolger"


22.04.2022Lesedauer: 7 Min.
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Robert Lewandowski: Der Pole blickte im Hinspiel in Dortmund öfters süffisant drein.Vergrößern des Bildes
Robert Lewandowski: Der Pole blickte im Hinspiel in Dortmund öfters süffisant drein. (Quelle: Team 2/imago-images-bilder)

Gegen den Verfolger BVB könnte sich der FC Bayern den zehnten Meistertitel in Folge sichern. Für den TV-Experten Didi Hamann ist es jedoch aus einem anderen Grund ein vorentscheidendes Duell.

Wenn der deutsche "Klassiker" zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund am Samstag (ab 17.30 Uhr auf Sky Sport Bundesliga 1 & UHD) abgepfiffen wird, könnte auch das Titelrennen vorzeitig entschieden sein. Mit einem Sieg in der heimischen Allianz Arena könnten sich die Münchner bereits am 31. Bundesliga-Spieltag ihre zehnte Meisterschaft in Folge sichern.

Der BVB derweil könnte mit einem Sieg in der bayerischen Landeshauptstadt seinen Abstand auf die Bayern auf sechs Punkte verkürzen und ein wichtiges Ausrufezeichen in einer ansonsten verkorksten Spielzeit setzen.

Vor dem Topspiel hat t-online mit Sky-Experte Dietmar "Didi" Hamann über die Ausgangslage beider Teams, mögliche und notwendige Umbrüche in München und Dortmund sowie Deutschlands aktuell besten Innenverteidiger gesprochen.

t-online: Herr Hamann, das direkte Aufeinandertreffen der Bayern und des BVB könnte ausschlaggebend für die endgültige Entscheidung im nie so wirklich ins Rollen gekommenen Titelrennen sein. Sprechen überhaupt noch Aspekte für einen Dortmunder Erfolg in München?

Didi Hamann (48): Die Bayern werden die Partie nutzen wollen, um ihre Vormachtstellung im deutschen Fußball weiter zu zementieren. Es ist schließlich das bestmögliche Szenario eingetroffen: mit einem Heimsieg am Samstag gegen den ärgsten Konkurrenten BVB die Meisterschaft klarmachen. Das wird bei ihnen noch einmal für eine ganz besondere Motivation sorgen.

Der Druck liegt also klar auf Seiten der Dortmunder. Sie wollen mit einem Sieg in München ihre enttäuschende Saison zumindest versöhnlich zu Ende bringen. Schließt das Team an die gute Leistung aus der Partie gegen Wolfsburg an und erringt gegen den FC Bayern einen hohen Sieg, wäre das auch ein Zeichen an die Fans, dass die Mannschaft noch nicht abgeschlossen hat mit der Spielzeit, und Grund zur Hoffnung auf mehr Erfolge in der kommenden Saison besteht.

Bayern gegen Dortmund wird gerne als der "Klassiker" bezeichnet. Dabei hat diese Bezeichnung nicht die Tradition, wie es etwa beim spanischen El Clasico zwischen Real Madrid und FC Barcelona der Fall ist. Spricht das für oder gegen die Bundesliga?

Dass wir heute vom FC Bayern gegen den BVB als Klassiker sprechen, während das etwa in den 1970er-Jahren noch Bayern gegen Gladbach war, spricht für die Konkurrenz in der Bundesliga. Es gelingt immer wieder neuen Vereinen, sich hochzuarbeiten und den Bayern Paroli zu bieten – auch wenn dies nur begrenzt möglich ist, wenn man bedenkt, dass sie in diesem Jahr wohl die 10. Meisterschaft in Folge einfahren werden (schmunzelt).

Sie verknüpfen den Begriff also mit einer langjährigen Rivalität um den Titel. Welches Bundesliga-Team sehen Sie mittelfristig in der Verfolgerrolle hinterm FC Bayern?

Ich sehe am ehesten RB Leipzig in dieser Rolle, da ich sie in den kommenden Jahren vor dem BVB und noch näher am FC Bayern erwarte. Es ist also gut möglich, dass wir in sechs, sieben Jahren von Bayern gegen Leipzig als dem deutschen "Klassiker" sprechen.

Sowohl der FC Bayern als auch Borussia Dortmund konnten ihre Saisonziele nicht erreichen. Inwiefern sind drastische Umbrüche bei beiden Klubs im Sommer unausweichlich?

Beim FC Bayern wird man abwarten müssen, was mit Robert Lewandowski passiert. Ich kann mir gut vorstellen, dass er den Verein im Sommer verlassen wird. Dann wird die drängendste Frage sein, wie man ihn ersetzt bekommt.

Auf den BVB wird nach Saisonende wohl deutlich mehr Arbeit zukommen. Mit Niklas Süle haben sie den ersten sehr guten Spieler verpflichtet, zudem scheint mit Nico Schlotterbeck Deutschlands aktuell bester Innenverteidiger zu kommen. Tüten die Dortmunder diesen Transfer ein, hätten sie zumindest schon einmal ihre Achillesferse, die Innenverteidigung, beeindruckend verstärkt.

Was würde ein Abgang Erling Haalands für die kommende BVB-Saison bedeuten?

Sollte Haaland gehen, müsste die Frage, wer in der Sturmspitze aufläuft, geklärt werden. Mit Donyell Malen hätte man einen möglichen Nachfolger bereits in den eigenen Reihen, der es aktuell extrem schwer hat. Neben Haaland zu stürmen, ist wahrlich kein Spaß, weil Haaland so enorm viele Räume im Angriff besetzt und dadurch wenig Bälle für Malens Torabschlüsse abfallen. Gut möglich also, dass der BVB sich noch mit Karim Adeyemi verstärkt und sich so variabler im Sturm aufstellt.

Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass eine mögliche Verstärkung mit Adeyemi nicht der Königstransfer des BVB wäre. Es ist viel wichtiger, dass das Abwehrzentrum steht und dessen Zusammenspiel funktioniert, als einen Stürmer vorne drin zu haben, der 30 Tore in einer Saison schießt. Solch ein Einzelspieler bringt dich auch nicht weiter, wenn die anderen Mannschaftsteile nicht gleichwertig mitgedacht werden.

Sie sind also ein Verfechter des alten American-Football-Credos "Defense wins championships"?

Die Abwehr ist in jedem Sport die Basis. Wenn sie nicht stabil steht, wird über kurz oder lang der Offensivdrang eines jeden Teams leiden, weil es dem Spiel an Balance fehlt. Der BVB und der FC Bayern sind mitnichten der FC Barcelona der 2010er-Jahre, der offensiv so berauschenden Fußball ablieferte, dass es kaum der Defensive benötigte.

Deshalb bin ich der Überzeugung, dass, wenn die Dortmunder sich zur kommenden Saison mit Süle und Schlotterbeck in der Verteidigung aufstellen, sie einen klaren Trumpf gegenüber den Münchnern mit Hernández und Upamecano haben.

Ein besonderes Augenmerk liegt vor der Partie auf Süle. Er wird auf intensive Weise mit der in der laufenden Saison oftmals instabilen Dortmunder Abwehr konfrontiert. Inwiefern würde er schon jetzt eine Verstärkung darstellen?

Was Süle mitbringt, was dem BVB aktuell fehlt, ist Zuverlässigkeit. Ein Innenverteidiger muss über die gesamte Saison nahezu fehlerfrei bleiben, das macht seine Position aus. Süle wird dahingehend oftmals unterschätzt. Er wird häufig nur auf seine bullige Statur beschränkt, wodurch sein Stellungsspiel und seine Schnelligkeit regelmäßig unter den Tisch fallen.

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Könnten Veränderungen in der Chefriege den BVB womöglich wieder näher an den FC Bayern heranrücken lassen?

Beim BVB hört mit Sportdirektor Michael Zorc eine ganz entscheidende Personalie im Sommer auf. Auf ihn folgt Sebastian Kehl, der gleich zwei wichtige Personalentscheidungen treffen werden muss, da bei Marco Reus und Mats Hummels die Verträge im Sommer 2023 auslaufen. Sein Umgang mit dieser Konstellation dürfte wegweisend für die mittelfristige Ausrichtung des BVB sein.

Fest steht, dass Kehl ein beachtliches Erbe antritt – die Arbeit des Dortmunder Scoutings und Managements der vergangenen Jahre ist ja durchweg positiv zu bewerten. Man hat immer wieder Spieler, wie etwa Jadon Sancho und Ousmane Dembele für kleines Geld verpflichtet und für hohe Summen weitertransferiert. An diesem Geschick wird er sich messen lassen müssen.

Wie betrachten Sie die Situation von Cheftrainer Marco Rose?

Mit Blick auf Rose, den man für viel Geld aus Gladbach verpflichtet hat, verstehe ich einfach nicht, warum man Edin Terzic noch im Klub hält. Es erschwert Rose die Trainerarbeit ungemein, weil er ständig an den Erfolgen des enorm beliebten Terzic gemessen wird. Dieses Denken hing bleiern über der Saison und ist für mich eine der Erklärungen für das enttäuschende Abschneiden der Dortmunder in dieser Saison.

In Ihrer Sky-Kolumne kritisierten Sie derweil Oliver Kahn für seine Führungsschwäche. Was muss sich beim Münchner Klubboss ändern – oder wird er in dieser Form keine langfristige Zukunft beim FC Bayern haben?

Mir geht es nicht darum, dass Kahn lautstärker auftreten muss, sondern mir missfällt es, dass er sich zu einigen Vorgängen erst gar nicht äußert. In meiner Kolumne ging es mir dabei um den Wechselfehler in der Partie gegen den SC Freiburg. Es wäre doch nichts dabei gewesen, hätte er sich als Vorstandsvorsitzender hingestellt und gesagt: "Da trifft uns wohl eine Mitschuld, aber das wird nun die Sportgerichtsbarkeit klären."

Das wäre doch ein Zeichen von Führungsstärke gewesen: auch die eigenen Fehler eingestehen und zu ihnen stehen zu können. Stattdessen hat er sich komplett aus der Verantwortung geschlichen und es dem Trainer überlassen, sich zu diesem Vorfall zu äußern.

Das Duell Bayern gegen BVB ist auch das Duell der beiden Superstürmer Lewandowski und Haaland. Ist es diese Paarung, der Sie sich in Ihrer Vorbereitung als Sky-Experte im besonderen Maße widmen?

Lewandowski und Haaland sind zwar die beiden Spieler, über die vor der Partie am meisten gesprochen und geschrieben wird. Aber es ist mir zu einfach, wenn behauptet wird, dass sie die Akteure sein werden, die das Duell entscheiden. Fußballspiele werden grundsätzlich im Mittelfeld entschieden. Da geschehen die Aktionen, die darüber entscheiden, ob und welche Bälle die beiden bekommen. Und da sehe ich den FC Bayern als die dominantere Mannschaft an. Dem BVB fehlt in diesem Mannschaftsteil die gewisse Körperlichkeit, die etwa ein Leon Goretzka auf Seiten der Münchner mitbringt.

Wegen dieses Gesamtpakets sehe ich ihn als deutliche Verstärkung gegenüber einem fehleranfälligen Manuel Akanji und einem alternden, verletzungsanfälligen Mats Hummels an. Dass der BVB einen solchen Spieler, mit 26 Jahren im besten Fußballalter, ablösefrei vom FC Bayern verpflichten konnte, ist schon ein riesiges Ausrufezeichen. Das hat und wird die Münchner noch ordentlich durchschütteln. Denn Fakt ist: Weder Upamecano noch Hernández bringen das Gesamtpaket mit, das Süle darstellt.

Was ist Ihre Prognose für die Partie in der Allianz Arena?

Die Bayern werden Meister. Die Frage ist nur, ob sie es bereits am Samstag werden. Der BVB wird ihnen Paroli bieten müssen, weil diese Partie – unabhängig vom Ausgang dieser Spielzeit – richtungsweisend für sie ist. Wie will man sich denn in acht Wochen, wenn die Vorbereitung für die neue Saison beginnt, hinstellen und den Bayern den Titelkampf ansagen, wenn man zuvor mal wieder eine Packung in der Allianz Arena kassiert hat? Das würde doch keiner ernst nehmen. Deshalb muss der BVB alles daransetzen, mit einem Sieg am Samstag Zweifel beim FC Bayern zu säen und so das eigene Selbstbewusstsein stärken.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Dietmar Hamann in Düsseldorf
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