"Beitragsspirale" spitzt sich zu Im Juli drohen bei sechs Kassen höhere Zusatzbeiträge
Rund 14,6 Milliarden Euro beträgt das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen im Vorjahr. Die Folge: Steigende Beiträge. Auch im Juli ziehen sechs Kassen an.
Die gesetzlichen Krankenkassen mit ihren gut 74 Millionen Versicherten sehen nach tiefroten Zahlen 2024 eine weiterhin angespannte Finanzlage. Nach deutlichen Anhebungen der Zusatzbeiträge auf breiter Front zu Jahresbeginn haben für Anfang Juli sechs Kassen Erhöhungen beantragt, wie die Chefin des Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, sagte. Bis Mai habe es bereits acht weitere Anhebungen gegeben. Auch der Pflegeversicherung droht in diesem Jahr nochmals ein kleines Defizit.
Im Schnitt ist der Zusatzbeitrag zu Jahresbeginn auf 2,9 Prozent gestiegen. Das war mehr als die nach Schätzungen erwartete Zunahme um 0,8 Punkte auf einen amtlichen Orientierungswert von 2,5 Prozent. Den Zusatzbeitrag legt jede Kasse je nach Finanzlage für ihre Versicherten fest. Zum Gesamtbeitrag gehört daneben noch der allgemeine Satz von 14,6 Prozent des Bruttolohns.
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Pfeiffer sprach von einer "dramatischen Situation". Es sei dringend notwendig, die "Beitragsspirale" zu durchbrechen. Hintergrund ist, dass die Krankenkassen teils kräftig steigende Milliardenausgaben für medizinische Leistungen und Medikamente decken müssen.
Dazu kommt aber auch die Notwendigkeit, stark geschrumpfte Finanzreserven wieder aufzufüllen. Diese lagen Ende 2024 nur noch bei sieben Prozent einer Monatsausgabe statt bei vorgeschriebenen 20 Prozent. Für 2024 hatten die 94 gesetzlichen Krankenkassen 6,2 Milliarden Euro Defizit verbucht.
Kritik an teuren Verwaltungsstrukturen
Wegen der Misswirtschaft hatten die Kassen zuletzt harte Kritik einstecken müssen – vor allem wegen ineffizienter Verwaltungsstrukturen bei Kassen wie TK, DAK, Barmer & Co. So beliefen sich die Verwaltungskosten der Gesetzlichen allein 2023 auf rund 12,6 Milliarden Euro, was 4,3 Prozent der Gesamtausgaben entspricht. Im Klartext: Fast jeder zwanzigste Beitrags-Euro versickert auf Verwaltungsfluren.
Nach den Beitragsanhebungen soll es dieses Jahr zumindest kein neues Minus geben. In den nächsten Wochen und Monaten würden Überschüsse bei den Kassen zu sehen sein, sagte Pfeiffer, fügte aber hinzu: "Das ist nicht, weil es den Kassen so gut geht." Die Beitragserhöhungen seien nun "Reparaturkosten" eines politisch erzwungenen Abbaus einst hoher Reserven.
Gesundheitsministerin Warken will gegensteuern
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat bereits signalisiert, dass neue Beitragsanhebungen für Versicherte und Unternehmen vermieden werden sollen. Im Blick steht mehr Geld aus dem Bundeshaushalt über den regulären Zuschuss von 14,5 Milliarden Euro im Jahr hinaus.
Die Kassen fordern schnelle Maßnahmen. Zudem müsse der Bund Kosten für die Versorgung von Bürgergeldempfängern als gesamtgesellschaftliche Aufgabe voll übernehmen. Kosten pro Jahr: zehn Milliarden Euro.
Auch Pflegeversicherung im Minus
Für die Pflegeversicherung, in der es Anfang 2025 auch eine Beitragsanhebung gab, wird in diesem Jahr noch ein kleines Minus von 166 Millionen Euro erwartet – nach einem Verlust von 1,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. In den ersten drei Monaten 2025 wurden 90 Millionen Euro Defizit verbucht. "Es wird immer enger", sagte Verbandschefin Pfeiffer. Ohne zusätzliche Mittel könnte drohen, dass weitere Pflegekassen Liquiditätshilfen benötigen. Es brauche jetzt eine "finanzielle Atempause", um grundlegende Reformen angehen zu können.
Der Kassenverband forderte als Sofortmaßnahmen erneut, dass der Bund die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige übernimmt und den Pflegekassen Milliardenausgaben aus der Corona-Krise erstattet. Die schwarz-rote Koalition will Kommissionen einsetzen, die Reformvorschläge für eine gründliche Stabilisierung der Pflege- und Krankenversicherung machen sollen.
- Nachrichtenagentur dpa