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Dirk Müller zu Geldanlagen: "Wir haben die Mutter aller Blasen"


Risiko bei Geldanlagen
Dirk Müller im Interview: "Wir haben die Mutter aller Blasen"

Von t-online
Aktualisiert am 06.04.2015Lesedauer: 5 Min.
Dirk Müller sieht am Markt für Staatsanleihen eine Blase wachsen.Vergrößern des BildesDirk Müller sieht am Markt für Staatsanleihen eine Blase wachsen. (Quelle: imago/ Hoffmann)
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Sparer haben es im Euroraum derzeit schwer. Auf Tages- und Festgeldkonten gibt es kaum noch Zinsen, ganz zu schweigen von Sparbüchern. Und es sieht so aus, als ob die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins in absehbarer Zeit nicht erhöhen wird: Die Zinsen bleiben also auf Rekordtief. Unterm Strich verringert sich das Ersparte sogar, da die Inflationsrate hierzulande mit knapp ein Prozent oft über den Anlagezinsen liegt. t-online.de hat den bekannten Anlageexperten Dirk Müller ("Mr. Dax") gefragt, wie Geldanleger der Zinsfalle entkommen können. Seine Antworten sind teilweise beunruhigend.

t-online.de: Was können normale Sparer tun, um eine bessere Rendite zu erzielen?

Dirk Müller: Es kommt darauf an, was der Normalsparer vorhat. Wenn er das Geld kurzfristig innerhalb weniger Monate benötigt, wird’s schwierig. Dann bleibt ihm nichts anderes übrig als es auf einem Tagesgeld-Konto zu lassen. Das ist dann seine Liquiditätsreserve.

Wenn er bereit ist, langfristig zum Beispiel zur Altersvorsorge Geld anzulegen, kommt der Sparer um den Aktienmarkt einfach nicht herum. Das ist der einzige Markt, wo man noch vernünftige Renditen erzielen kann. Man muss allerdings aufpassen, da viele Aktien derzeit maßlos überteuert sind, aber es gibt auch zahlreiche, die es zu fairen Bewertungen gibt.

Der Deutsche ist gegenüber Aktien ziemlich negativ eingestellt - nicht zuletzt wegen der Übertreibungen und Turbulenzen ab dem Jahr 2000. Damals gab es den Neuen Markt, da wurde irgendwas gekauft, Hauptsache Aktien. Das geht natürlich auch schief. Man muss so arbeiten wie Milliardär Warren Buffett: Vergiss den Markt, vergiss die Wirtschaftsentwicklung, suche stattdessen Unternehmen, die seit vielen Jahren bewiesen haben, dass sie es können. Außerdem sollte die Firma gute Zukunftsperspektiven haben.

Apropos Zukunft: Die Kurse sind zuletzt kräftig gestiegen. Man steigt jetzt natürlich nicht am Aktienmarkt ein, sondern wartet auf Korrekturen. Soll man …

(unterbricht) …Und bei einer Abwärtsbewegung steigen die Leute auch nicht ein, denn es könnte ja noch weiter fallen.

An der Börse funktionieren wir Menschen komplett anders herum als im realen Leben: Wenn bei Media-Markt eine Kamera günstig ist, wird sofort dorthin gefahren, um sie zu kaufen. Wenn es eine gute Aktie an der Börse mal 30 Prozent billiger gibt, kaufe ich nicht, denn sie könnte ja noch billiger werden.

Aber an der Börse, bei einem Dax auf Rekordniveau bei 12.000, da interessieren sich die Menschen plötzlich wieder für Aktien. Das ist schon merkwürdig.

Viele Anleger sind doch mit der Auswahl von Aktiengesellschaften überfordert. Ist es nicht besser, statt auf Einzelaktien zu setzen, einen Fonds zu kaufen und so viele Werte auf einmal zu erwerben?

Man sollte immer in mehrere Unternehmen investieren, nicht nur in eines. So lässt sich ein mögliches Verlustrisiko minimieren. Ideal wären 30 bis 50 Unternehmen. Meist können Privatanleger aber nicht so viele Einzelwerte kaufen, da macht es schon mehr Sinn in der Gemeinschaft der anderen Anleger zu investieren - in einem Fonds.

Sinnvollste Variante ist es, langfristig zu investieren und regelmäßig Geld einzuzahlen. Ein Einstieg in Raten. Wir haben gerade einen eigenen Aktienfonds aufgelegt, der genauso arbeitet, und wo ich mein eigenes Geld anlegen werde. So fair wie irgendmöglich.

Was unterscheidet diesen neuen Fonds gegenüber den vielen bereits am Markt befindlichen?

Grundlage sind klassische Value-Aktien. Wir machen es wie Warren Buffett und Benjamin Graham: Wir suchen weltweit bilanzstarke Aktien, die möglichst günstig bewertet sind und gute Zukunftsaussichten haben. Das machen allerdings viele Manager.

Was für mich wesentlich ist: die Wertpapierleihe. Die meisten Fonds verleihen Aktien, die sie für Anleger gekauft haben. Die Entleiher können dann mit diesen Papieren auf fallende Kurse spekulieren. Das halte ich für den Aktienfondsanleger für gefährlich. Grundbedingung in unserem Fonds ist, dass eine Wertpapierleihe ausgeschlossen ist.

Zweiter wesentlicher Unterschied: Wir senken die Management-Gebühr mit steigendem Fonds-Volumen. Schließlich bleibt der Aufwand für den Manager nahezu gleich, auch wenn der Fonds größer ist. Zudem gibt es bei uns keine Performance-Gebühr, die fällig wird, wenn besondere Gewinne erzielt werden.

Eine Absicherung betrachte ich ebenfalls als wichtig. Gerade nach kräftigen Kurssteigerungen an den Aktienmärkten kann es auch mal deutlicher nach unten gehen. Daher werden wir versuchen mit klassischen Absicherungs-Optionen die Verluste am Aktienmarkt im Falle einer stärkeren Abwärtsbewegung abzubremsen.

Was halten Sie von ETF, also passiv gemanagte Indexfonds, die mit deutlich niedrigeren Gebühren locken?

Die meisten Fondsmanager agieren sehr vorsichtig, um möglichst nicht deutlich unter die Entwicklung eines Aktienindex zu rutschen, haben aber den Kostenblock. Dadurch bleiben sie dann meistens unter der Entwicklung des Index. Zwar sind passiv gemanagte Exchange Traded Fonds von den Gebühren meist günstiger, aber aktive können dafür - bei unabhängiger Anlage-Entscheidung des Managements - höhere Ergebnisse erzielen.

Eine wissenschaftlich durchgeführte Studie von MM Warburg zeigte, je freier ein Fondsmanager agieren kann, desto besser sind seine Ergebnisse. Ein ETF baut den Index genau nach, kann dadurch aber auch nicht besser als der Index abschneiden. Zudem hat ein ETF keine Möglichkeit der Absicherung. Wenn die Kurse mal auf breiter Front fallen, rauscht der ETF mit abwärts.

Deutschlands Anleger bevorzugen fast schon traditionell statt der chancenreicheren Anlage am Aktienmarkt die Anleihen. Deren Kupons werfen aber kaum mehr etwas ab, im Gegenzug sind die Kurse stetig nach oben geklettert. Wie sollen Inhaber von Staatsleihen und Rentenfonds nun agieren?

(atmet tief durch) Ich persönlich würde das Zeug derzeit nicht mit der Kneifzange anfassen. Man muss den Leuten sagen, setzt nicht alles auf eine Karte, auch nicht alles auf Aktien. Die Menschen haben meist viel zu viel Geld-Werte, wozu auch festverzinsliche Wertpapiere zählen, und viel zu wenig Sachwerte. Man sollte für eine Mischung sorgen, zumindest ein Gleichgewicht herstellen.

Wir haben derzeit die Mutter aller Blasen bei den Anleihen - die gefährlichste Situation an den Märkten. Mit der Ausschaltung des Zinses (Anm. d. Red.: gemeint ist die Zinspolitik der EZB) wurde den Märkten ein "Kompass" genommen. Die Investoren können nicht mehr erkennen, ob etwas "riskant" ist oder nicht. Beispiel: Eine italienische zehnjährige Staatsanleihe rentiert derzeit niedriger als eine amerikanische - bei gleicher Laufzeit, und das obwohl das Italien-Papier eine deutlich höhere Risikostufe hat. Risiko kann derzeit nicht mehr bewertet werden. Das sehen wir besonders bei den Anleihen. Platzt die Blase, gibt es eine Flucht aus Staatsanleihen.

Ganz wichtig ist eine Streuung: Mehr Sachwerte, vielleicht auch ein wenig Edelmetalle beipacken, bis zu 20 Prozent physisches Gold. Auch das Thema Absicherung sollte im Fokus stehen: Man muss praktisch jederzeit damit rechnen, dass es zu größeren Abschlägen kommen kann. Und für diese muss man eine Strategie haben.

Es heißt doch oft: Mit zunehmendem Alter der Sparer soll man die Aktienquote im Depot zugunsten Anleihen verringern. Wie sollen Ruheständler sich mit ihren Anlagen verhalten?

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Aktien und Aktienfonds sind - wie eingangs erwähnt - etwas für langfristig orientierte Anleger. Wer mindestens fünf bis zehn Jahre Zeit hat, legt am besten in Aktienfonds an. Für den Kapitalerhalt, ist dabei eine Absicherung wichtig, vielleicht ein Fonds, der auf dividendenstarke Werte setzt - etwa für einen Senior, der von seinem Vermögen leben möchte. Schwankungen lassen sich im Alter nicht mehr aussitzen. Deshalb empfiehlt sich hier vielleicht eine höhere Quote an Geldwerten. Auch dabei sollte man aber auf nicht zu lange Bindungen achten, also möglichst kurzfristig verfügbare Anlagen bevorzugen.

Das Interview führte Martin Mrowka.

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