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"Mythen der Energiewende": Warum das Licht doch nicht ausging


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"Mythen der Energiewende": Warum das Licht doch nicht ausging

Von dpa, t-online
Aktualisiert am 17.07.2013Lesedauer: 4 Min.
Die Horrorvision der Energiewende - zahlreiche Stromausfälle - ist bisher nicht eingetretenVergrößern des BildesDie Horrorvision der Energiewende - zahlreiche Stromausfälle - ist bisher nicht eingetreten (Quelle: dpa-bilder)
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Im Gegensatz zum Internet, das Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich etwas ungeschickt als "Neuland" bezeichnete, hat Deutschland mit der Energiewende tatsächlich solches betreten. Die Abschaltung zahlreicher grundlastfähiger Atomkraftwerke bei gleichzeitigem Ausbau der von Natur aus schwankungsanfälligen Sonnen- und Windkrafterzeugung hat die Stromwirtschaft vor ganz neue Herausforderungen gestellt. Bisher ist es gelungen, das Stromnetz stabil zu halten. Aber ganz ist die Blackout-Gefahr noch nicht gebannt.

Wenige Tage nach dem Bundestagsvotum für einen Atomausstieg bis 2022 malte der damalige RWE-Chef Jürgen Großmann im Juli 2011 vor Aktionären ein dramatisches Szenario von Dunkeldeutschland. "Um einen bundesdeutschen Blackout zu vermeiden, kann es notwendig sein, einzelne Regionen in Süddeutschland, etwa in der Größe des Großraums Stuttgart, dunkel zu schalten", sagte er. Zwei Jahre später ist das Abschalten ganzer Regionen ausgeblieben.

Mehr Aufwand bei den Netzbetreibern

Dennoch ist die Liste mit dem roten Hinweis "Angespannte Netzsituation" ziemlich lang. Allein 60 kritische Vorkommnisse hat der ost- und norddeutsche Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz seit Jahresbeginn aufgelistet. Er steuert die Stromversorgung von 18 Millionen Menschen. Ebenso wie bei Tennet, Amprion und TransnetBW sind es die Netztechniker, die mit ganz neuen Belastungsproben fertig werden müssen. Es ist ein bisschen wie mit einem Schiff, das durch recht unbekannte See fährt - bisher sind die meisten gefährlichen Klippen erkannt worden.

Für die Stromverbraucher hat sich die Situation sogar verbessert. Gemäß dem international gängigen SAIDI-Index (System Average Interruption Duration/ durchschnittliche Ausfalldauer eines Netzes) hatten Verbraucher 2011 insgesamt ungefähr 15 Minuten lang keinen Strom. Das lag laut Bundesnetzagentur klar unter dem Mittelwert von über 17 Minuten für die Zeit von 2006 bis 2010. Für 2012 wird der Index laut einer Sprecherin erst im Herbst veröffentlicht.

Stromnetze am Limit

Ein Beispiel zeigt aber, welche Herausforderungen es gibt, sobald Wetterprognosen daneben liegen oder Leitungen ausfallen. So kam es am 25. und 26. März 2013 zu einer sehr angespannten Situation im Netz der Stromautobahnen. Über Stunden war der sichere Betrieb nicht mehr gewährleistet, betont die Netzagentur in ihrem neuen Bericht zur Lage von Oktober bis März. Das n1-Kriterium, wonach für den Ausfall einer Leitung eine Absicherung bereitstehen muss, konnte auf den 380-Kilovolt-Trassen von Remptendorf (Thüringen) nach Redwitz (Bayern) und Mecklar nach Dipperz (Hessen) nicht mehr erfüllt werden.

"Ursächlich war die Verbindung aus hoher Einspeisung aus Windenergie-und Photovoltaik-Anlagen von bis zu knapp 30 Gigawatt am 25. März 2013, vorwiegend im nördlichen Deutschland, und einer hohen Nichtverfügbarkeit konventioneller Kraftwerke im Süden", teilte die Bundesnetzagentur mit. Windkraftanlagen mit einer Einspeiseleistung von 1390 Megawatt in der Zone von 50Hertz mussten gestoppt werden.

Kraftwerke können nicht mehr einfach stillgelegt werden

Ein solches Szenario ist es, welches die Mahner immer wieder anführen: zu viel Strom im Norden, zu wenig im Süden und somit eine gefährliche Schieflage im Netz. Gerade Hessen und Süddeutschland bleiben die Achillesferse. Die schwarz-gelbe Bundesregierung sah sich daher zu hochumstrittenen staatlichen Eingriffen genötigt.

Systemrelevante, aber unrentable Kraftwerke dürfen nicht mehr einfach stillgelegt werden. Gegen Entschädigungen soll das Abschalten verboten werden. Gerade erst hat Tennet mit E.ON separat vereinbart, dass das hochmoderne, aber wegen immer mehr Ökostrom unrentable Gaskraftwerk Irsching (Bayern) bis 2016 in Reserve gehalten wird. Tennet vergütet die Stand-By-Fixkosten von zwei Blöcken und rechnet das in die Netzentgelte beim Strompreis ein.

Streit um Staudinger I

Einen Rüffel der Netzagentur bekam gerade das Regierungspräsidium Darmstadt für die Stilllegung des alten Kohlekraftwerks Staudinger I in Großkrotzenburg bei Hanau aus Klimaschutzgründen. Dies gefährde die Versorgungssicherheit in der Rhein-Main-Region und bundesweit, "da in Folge des Atommoratoriums in Süddeutschland alle verbleibenden konventionellen Kraftwerke in der Region dringend benötigt werden". Dies gelte insbesondere zur Entlastung von Leitungen in kritischen Situationen.

Im Kraftwerk Staudinger ist nur noch ein Block im Regelbetrieb. Ein weiterer steht als Kaltreserve zur Verfügung. Drei Blöcke sind abgeschaltet. Einen sechsten Block, der größer als die drei ältesten zusammen gewesen wäre, wird es aber nicht mehr geben. E.ON hat die Pläne Ende 2012 gestoppt, aus Sorge um die Sicherheit der Investitionen. Es wäre Kohle verfeuert worden, was Proteste der Anwohner ausgelöst hatte.

Industrie sorgt sich um die Versorgungssicherheit

Die Beispiele zeigen: Das Problem liegt in einer abnehmenden gesicherten Stromleistung. Sorgen bereiten der energieintensiven Industrie schon kurzzeitige Schwankungen. Der Kupferhersteller Aurubis machte 2012 Schlagzeilen, weil für zwei Millionen Euro Notstromaggregate gemietet wurden, damit die flüssige Schmelze bei Problemen nicht in den Öfen erstarrt und riesige Schäden verursacht. Weil sich viele Firmen wegen der weniger berechenbaren Versorgung Gedanken machen, gibt es auch einen Trend zum Kauf eigener Kraftwerke.

Die rapide gestiegenen Netzeingriffe kosten jährlich hohe dreistellige Millionenbeträge. Daher ist auch der Netzausbau so wichtig. Es gilt: schnellerer Ausbau = weniger Eingriffe = weniger Kosten, die die Strompreise belasten. Zur Nagelprobe, ob der Atomausstieg im vereinbarten Zeitplan ohne Gefährdung der Versorgungssicherheit machbar ist, wird das Jahr 2015.

Nächster Test für die Energiewende

Dann soll das bayerische Atomkraftwerk Grafenrheinfeld vom Netz gehen. Dafür muss aber bis dahin die "Thüringer Strombrücke" zum Abtransport von Windstrom aus dem Osten fertig sein, denn sonst kann Strom im Süden fehlen. Allein wegen dieser fehlenden Leitung hat 50Hertz laut Geschäftsführer Boris Schucht jährliche Eingriffskosten von bis zu 100 Millionen Euro. Die Ausgaben für die neue Strombrücke könnten sich daher schon nach etwa drei Jahren rechnen. Und die Blackout-Gefahr wäre wieder ein Stückchen mehr gebannt.

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