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Prämiensparverträge: Das bedeutet das Urteil des Bundesgerichtshof


Verbraucherschützer gewinnen
Das bedeutet das Prämiensparen-Urteil des Bundesgerichtshof

Von dpa
Aktualisiert am 06.10.2021Lesedauer: 3 Min.
Eine Sparkassenfiliale im Saarland (Symbolbild): Der Bundesgerichtshof stärkt Prämiensparern den Rücken.Vergrößern des BildesEine Sparkassenfiliale im Saarland (Symbolbild): Der Bundesgerichtshof stärkt Prämiensparern den Rücken. (Quelle: imago-images-bilder)
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Seit einem Urteil von 2004 ist klar, dass viele Prämiensparer zu wenig Zinsen bekommen haben. Nur: Um das Geld wird bis heute gestritten. Eine Musterklage bringt Betroffene jetzt ein gutes Stück voran. Das Problem ist allerdings längst nicht vom Tisch.

Sparerinnen und Sparer haben sich längst daran gewöhnt, dass es so gut wie keine Zinsen gibt. Vielen Tausenden Prämiensparern mit alten Verträgen wurden die Zinsen allerdings unrechtmäßig zu stark gekappt. Eigentlich stehen ihnen Nachzahlungen zu, aber der Weg dorthin ist steinig.

Verbraucherschützer versuchen inzwischen, mit Musterfeststellungsklagen Druck zu machen. Über die erste von ihnen hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Mittwoch entschieden. Trotzdem bleiben Fragen offen. (Az. XI ZR 234/20)

Worum geht es genau?

In vielen Prämiensparverträgen, die in den 1990er- und 2000er-Jahren abgeschlossen wurden, stehen Klauseln, die es dem Geldhaus erlaubten, den Zinssatz einseitig nahezu beliebig anzupassen. Am BGH ging es um die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig. Dort heißt es etwa in den alten Formularen, die Spareinlage werde "variabel verzinst". Der Zinssatz ändere sich, wenn der Aushang im Kassenraum erneuert werde. Mehr dazu lesen Sie hier.

Warum ist das problematisch?

Damals war eine lukrative Verzinsung nichts Besonderes, aber in der Niedrigzinsphase haben die Kreditinstitute nur in eine Richtung angepasst: nach unten - zum Teil auf 0,01 oder 0,001 Prozent. Bei langfristigen Verträgen dürfen Sparerinnen und Sparer aber "ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderungen" erwarten, wie der BGH schon 2004 entschieden hat.

Klauseln, die den Banken und Sparkassen völlig freie Hand lassen, sind nicht zumutbar und damit unwirksam. In zwei Urteilen von 2010 hat der BGH auch recht konkrete Vorgaben dafür gemacht, wie in so einem Fall eine Lösung zu finden ist, die auch die Interessen der Sparer berücksichtigt.

Weshalb gibt es dann heute noch Streit und Klagen?

Verbraucherschützer werfen vor allem den Sparkassen, deren Domäne das Prämiensparmodell war, vor, auf Zeit zu spielen. Oft werde nur auf Drängen hartnäckiger Kunden nachgezahlt - und dann längst nicht alles. "Denn es geht um viel Geld", sagt Michael Hummel von der Verbraucherzentrale Sachsen. Sein Team hat für die Musterklage gegen die Leipziger Sparkasse berechnet, wie viel Zinsen den beteiligten Sparern noch zustehen müssten - und kommt auf durchschnittlich 3100 Euro. Hummel schätzt, dass branchenweit Milliardenforderungen im Raum stehen. Aber immer mehr Prämiensparverträge laufen aus oder werden gekündigt, die Ansprüche der Kunden drohen zu verjähren.

Welche Rolle spielen die Musterklagen?

Mit der 2018 neu eingeführten Musterfeststellungsklage können die Verbraucherzentralen in einem einzigen Verfahren für viele Betroffene Ansprüche durchsetzen. Das macht es auch leichter, Grundsatzurteile zu erstreiten. Im Moment führen die Verbraucherzentralen bundesweit neun Musterverfahren zu Zinsnachzahlungen. Davon können unmittelbar zwar immer nur die Sparerinnen und Sparer profitieren, die sich ins jeweilige Klageregister eingetragen haben. Hummel sieht die Sparkassen aber in der Pflicht, auf sämtliche Betroffene zuzugehen.

Was sagen die Sparkassen?

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) vertritt in einem Statement aus dem Januar die Auffassung, dass "die Rechtsprechung des BGH von 2004 seitdem angemessen in den betroffenen und späteren Prämiensparverträgen umgesetzt" wurde. Anders sieht das die Finanzaufsicht Bafin: Sie hat die Branche im Juni ultimativ per Allgemeinverfügung verpflichtet, alle Betroffenen zu informieren und ihnen ein Angebot oder eine unwiderrufliche Zusage zur Nachzahlung zu unterbreiten. Die Rede ist von einem Missstand: Bisher hätten viele Kreditinstitute die Altverträge stillschweigend selbst geändert, dabei BGH-Vorgaben missachtet - und auch nichts nachgezahlt.

Was hat der BGH jetzt entschieden?

Wie von der Verbraucherzentrale erhofft, haben die Richterinnen und Richter diesmal genaue Vorgaben gemacht, wie der Zins zu berechnen ist. Die Details sind kompliziert, im Ergebnis ist dadurch aber unter anderem sichergestellt, dass keine Negativzinsen möglich sind.

Und betroffene Sparer können ihre Forderungen nun konkreter beziffern. Zur wichtigen Frage, ob Ansprüche womöglich inzwischen erloschen sind, hat sich der BGH allerdings nicht geäußert. Und das Musterverfahren ist noch nicht abgeschlossen: Am Oberlandesgericht Dresden muss jetzt noch mit Hilfe eines Sachverständigen geklärt werden, welcher Zinssatz zur Orientierung heranzuziehen ist.

Wie geht es für die Sparerinnen und Sparer weiter?

Auf die Musterkläger kommen nach einem abschließenden Urteil möglicherweise noch Anschlussprozesse zu. Andere betroffene Prämiensparer, die sich keiner Musterklage angeschlossen haben, müssten selbst vor Gericht ziehen, wenn ihre Bank nicht zum Einlenken bereit ist. Eine schnelle Lösung ist auch nach dem BGH-Urteil nicht in Sicht: Mehr als 1100 Kreditinstitute weigern sich, die Allgemeinverfügung der Bafin umzusetzen, und haben Widerspruch eingelegt. Es drohen lange gerichtliche Auseinandersetzungen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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