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Robert Habecks Insolvenz-Aussage: "Es braut sich ein Pleite-Sturm zusammen"


"Es braut sich ein Pleite-Sturm zusammen"

  • Florian Schmidt
Von Florian Schmidt

Aktualisiert am 08.09.2022Lesedauer: 4 Min.
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Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) steht derzeit massiv in der Kritik.
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Wirtschaftsminister Habeck rechnet nicht mit einer Pleitewelle, sondern erwartet, dass manche Firmen nur eine Art Pause einlegen. Insolvenzexperten und Ökonomen widersprechen.

Erst Hakle, jetzt Görtz: Gleich zwei deutsche Traditionsunternehmen haben in den vergangenen Tagen Insolvenz angemeldet. Zu erdrückend die Last der gestiegenen Energiekosten, zu gering die Rücklagen, zu schwach die Nachfrage der Kunden. Der Klopapierproduzent und die Schuhkette – pleite!

Doch sie sind nicht die einzigen, die unter der schwierigen Wirtschaftslage leiden. Längst haben zahlreiche Firmenchefs in Deutschland ähnliche Sorgen. Die Energiekrise, die Inflation, die sinkende Kauflust der Deutschen bedroht vielerorts das Geschäft. Werden wir diesen Winter also eine Insolvenzwelle sehen?

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will davon nichts wissen. Gefragt, ob er mit einem solchen Szenario rechne, antwortete er am Dienstagabend in der ARD-Sendung "Maischberger": "Nein, das tue ich nicht."

Habeck glaubt nicht an massenweise Insolvenzen

Zwar könne ich er sich vorstellen, "dass bestimmte Branchen aufhören zu produzieren" – einen Automatismus für reihenweise Firmenpleiten gebe es deshalb jedoch nicht. Wörtlich fuhr Habeck fort: "Dann sind die nicht insolvent, aber sie hören auf zu verkaufen."

Nicht nur im Netz zeigten sich am Mittwoch viele Twitter-Nutzer und Politiker irritiert über die Aussagen des Wirtschaftsministers. Auch immer mehr Experten widersprechen dem Minister jetzt. Die Kritik: Habeck habe nicht verstanden, was eine Firmenpleite ist – und seine Einschätzung sei obendrein falsch.

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Ein Schuhgeschäft von Görtz in Hamburg: Der Händler will sich in Eigenregie sanieren.

"Herr Habeck scheint als Wirtschaftsminister die Definition einer Insolvenz nicht zu kennen", sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, der bei der Auskunftei Creditreform die Abteilung Wirtschaftsforschung leitet, t-online. "Wenn ein Unternehmen nichts mehr verkaufen kann, den Betrieb aber aufrechterhält, ist es früher oder später pleite und muss nach geltendem Recht auch Insolvenz anmelden."

"Pleitewelle ist deutlich wahrscheinlicher geworden"

Creditreform gilt als eine der ersten Anlaufstellen für Fragen rund um Insolvenzen. Die Auskunftei und Inkassofirma gibt regelmäßig Studien heraus, die Daten zu Privat- und Firmeninsolvenzen zusammenträgt. Entsprechend gut kennt sich Hantzsch auf dem Feld aus.

Sein Credo: Die deutsche Wirtschaft befände sich in einer "entscheidenden Phase". "Es braut sich ein Pleite-Sturm zusammen. Die Zahl der Insolvenzen wird deutlich steigen."

Ähnlich sieht es der Ökonom Klaus-Heiner Röhl vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). "Die aktuelle Situation ist vor allem für energieintensive Unternehmen schlimmer als die Covid-Krise", sagt er t-online. Die staatlichen Hilfen für Firmen fielen geringer aus und passten nicht so gut wie früher.

"Eine Pleitewelle – die in der Covid-Krise vorhergesagt wurde, aber ausblieb – ist daher deutlich wahrscheinlicher geworden", so Röhl. "Und sie könnte größere Unternehmen treffen als die Corona-gebeutelten Dienstleister, denn der industrielle Mittelstand hat häufig mehrere Hundert bis über 1.000 Beschäftigte."

Zahl der Insolvenzen zuletzt auf Tiefststand

Zur Wahrheit gehört angesichts dieser Warnungen allerdings auch: Noch haben nicht besonders viele Unternehmen gemeldet, dass sie ihre Rechnungen nicht mehr begleichen können. Laut offizieller Statistik hatten bis Mai gerade einmal 5.973 Unternehmen Insolvenz angemeldet. Zum Vergleich in den Vorjahren waren es im selben Zeitraum mit 6.211 (2021), 7.652 (2020) und 8.220 (2019) zum Teil über 30 Prozent mehr.

Das jedoch könne sich schnell ändern. "Der größte Teil der Kostensteigerungen kommt auf viele Unternehmen erst noch zu", sagt Hantzsch. "Selbst wer dank garantierter Festpreise für Strom und Gas seine Rechnungen momentan noch bezahlen könne, wird womöglich schon in wenigen Wochen die dann eingetrudelten Tariferhöhungen kaum in Form höherer Preise decken können."

Patrik-Ludwig Hantzsch ist bei Creditreform Pressesprecher und zugleich Leiter der Wirtschaftsforschung.
Patrik-Ludwig Hantzsch ist bei Creditreform Pressesprecher und zugleich Leiter der Wirtschaftsforschung. (Quelle: Creditreform)

Denn viele Verbraucher müssen aktuell Ihr Geld für Heiz- und andere Energiekosten beisammenhalten und verzichten daher auf den Einkauf in kleinen Geschäften. Habeck nannte in diesem Zusammenhang bei "Maischberger" etwa Blumenläden und auch Bäcker. Letztere haben besonders mit den hohen Gaspreisen zu kämpfen.

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Arbeitsplätze könnten ins Ausland verschwinden

Hantzsch glaubt dagegen, dass es vor allem die Industrie treffen könnte. Der Grund: Hier wird besonders viel Energie eingesetzt, die hohen Kosten fürs Gas schlagen deshalb besonders durch. "Das Problem ist, dass die Energiepreise auch nach diesem Winter hoch bleiben werden", sagt er. "Für manches Unternehmen geht es darum schon jetzt um die Frage, ob ihr Geschäftsmodell überhaupt noch tragfähig ist."

Steigen den Firmen neben den Energie- auch noch die Personalkosten über den Kopf, so warnt der Insolvenzexperte, könnte manches Unternehmen seine Fabriken nicht nur herunterfahren, sondern für immer schließen: "Deutschland droht dann zu einem Land zu werden, in dem viele Firmen nur noch ihren Verwaltungssitz haben. Die Produktion aber, die echte Wertschöpfung und die Arbeitsplätze, die damit verbunden sind, könnten dauerhaft ins Ausland verschwinden."

Während der Corona-Krise stellte sich dieses Phänomen noch nicht ein. Damals war die Pflicht, die Insolvenz zu beantragen, längere Zeit ausgesetzt, zudem bekamen viele Firmen staatliche Direktzahlungen und großzügige Kredite. Auf diese Weise blieb manches Unternehmen am Leben, das unter Normalbedingungen womöglich längst hätte aufgeben müssen.

Hakle und Görtz wollen sich sanieren

Die in dieser Zeit aufgebauten Eigenkapital-Puffer aber scheinen bei vielen Firmen nun zur Neige zu gehen, wie auch eine aktuelle Erhebung des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) zeigt. Demnach ist die Zahl der Privat- und Firmeninsolvenzen im August um 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Das Plus fällt damit größer aus, als die Ökonomen zuvor angenommen hatten.

"Nach lange Zeit niedrigen Insolvenzahlen hat nun eine Trendwende eingesetzt", erklärt IWH-Forscher Steffen Müller die Zahlen. Ein zusätzlicher Grund dafür seien auch die steigenden Zinsen, mit denen die Europäische Zentralbank (EZB) gegen die Inflation kämpfe. Viele Unternehmen können sich deshalb kaum neue Kredite leisten.

Dieser Umstand dürfte auch bei Hakle und Görtz eine Rolle gespielt haben. Bei beiden Firmen gibt es aber noch Hoffnung: Sie streben jeweils eine Insolvenz in Eigenregie an, wollen sich also mit Unterstützung eines Insolvenzexperten sanieren. Das Aus der Traditionsmarken ist damit noch nicht besiegelt.

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Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Patrik-Ludwig Hantzsch, Creditreform
  • Statement von Klaus-Heiner Röhl, IW Köln
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