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Gelenke: Schadet es, mit den Fingern zu knacken?


Mythos oder Medizin
Schadet es, mit den Fingern zu knacken?

spiegel-online, Irene Berres

29.01.2014Lesedauer: 3 Min.
Das Vorurteil, mit den Fingern zu knacken sei schädlich, haben schon viele Eltern an ihre Kinder weitergegeben.Vergrößern des BildesDas Vorurteil, mit den Fingern zu knacken sei schädlich, haben schon viele Eltern an ihre Kinder weitergegeben. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Die einen entspannt das Fingerknacken, die anderen zucken allein beim Geräusch zusammen und warnen: Das kann nicht gesund sein! "Aber was genau bringt die Gelenke überhaupt zum Knacken?" - fragen die "Spiegel Online"-Leser Max Kaiser und Marina Rieder.

Erst kam die Mutter, dann kamen die Tanten, und dann setzte auch noch die Schwiegermutter mit ein: "Knack bloß nicht mit den Gelenken", mahnten sie Donald Unger im Chor. "Sonst bekommst du Arthritis." Doch Unger, ein Pionier der Knackstudien, erwies sich als resistent. Auch wenn die Damen "renommierte Autoritäten" waren, wie er in einem Brief an die Fachzeitschrift "Arthritis & Rheumatism" schreibt - so recht glauben wollte er ihnen nicht.

Studie: 50 Jahre täglich geknackt

Und so startete er einen Selbstversuch, der an Geduld kaum zu überbieten ist: 50 Jahre lang knackte Unger jeden Tag mindestens zweimal mit seiner linken Hand. Seine rechte Hand ließ er ruhen, von einigen, im Gedanken versunkenen Ausrutschern abgesehen.

Die Knacker summierten sich von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr, bis das halbe Jahrhundert vergangen war. Zusammengerechnet überdehnte Unger, der selbst Allergologe ist, mindestens 18.520-mal die Knöchel seiner linken Hand - doch es tat sich nichts. Auch nach der langen Zeit des Knackens blieb seine linke Hand gesund, genauso wie die rechte. Kein außergewöhnlicher Verschleiß (Arthrose), keine Entzündung (Arthritis).

Fingerknacker trinken häufiger Alkohol

"Diese Ergebnisse stellen doch stark in Frage, ob nicht auch andere elterliche Ratschläge, zum Beispiel zum Spinatessen, falsch sind", schreibt Unger 1998 mit einem Augenzwinkern. Seine Hartnäckigkeit brachte ihm nicht nur gute Argumente für Familienstreitigkeiten, sondern im Jahr 2009 auch den Ig-Nobelpreis, die höchste Auszeichnung für abwegige Forschungsarbeiten. Neben seiner Selbststudie wurde unter anderem ein BH gewürdigt, der sich im Notfall fix in zwei Atemschutzmasken umbauen lässt und Leben retten kann.

Kein Zusammenhang zu Arthrose

Mittlerweile bestätigt auch eine Reihe weiterer Untersuchungen Ungers Beobachtungen. In einer Studie mit 300 Teilnehmern zum Beispiel kamen Forscher zu dem Ergebnis, dass Händeknacker lediglich häufiger geschwollene Hände haben als Nichtknacker und ihr Griff nicht so stark ist. Bei der Entwicklung von Arthrose fanden sie jedoch keine Unterschiede, ein solcher Zusammenhang sei ein Ammenmärchen, schreiben die Wissenschaftler. Sonst merken sie nur an, dass Knacker häufiger körperlich arbeiten, an ihren Nägeln kauen, rauchen und Alkohol trinken. Wie das zu interpretieren ist, bleibt bisher ein Rätsel.

"In der Regel dürfte das Knacken keine negativen Folgen haben", sagt auch Fritz Uwe Niethard, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC). Selbst wenn es ganz ohne Ziehen und Drücken knacke, müsse man sich keine Gedanken machen. "Bei manchen Menschen sind die Gelenke genetisch bedingt lockerer als bei anderen", sagt Niethard. "Dann knacken sie auch einfacher." Je nach untersuchter Gruppe gehören zwischen 25 und 54 Prozent der Menschen zu den Fingerknackern aus Gewohnheit.

Knacken entspannt

Was genau beim Knacken vor sich geht, ist noch immer umstritten. Klar ist, dass sich vor jedem Knack - egal ob im Knie, im Rücken oder im Finger - die beiden Gelenkflächen voneinander lösen. Dabei kann sich der flüssigkeitsgefüllte Spalt zwischen den Gelenkflächen um das bis zu Dreifache vergrößern, und es entsteht ein Unterdruck. Doch was passiert dann? Eine Theorie, die Niethard befürwortet, geht davon aus, dass durch den Druck die Kapsel um das Gelenk einschnappt und knackt. "Das ist mittlerweile gut belegt", sagt der Spezialist.

Daneben existiert ein weiteres, viel zitiertes Erklärmodell aus den siebziger Jahren: Demnach saugt der Unterdruck Kohlendioxid und Sauerstoff aus der Membran um die Gelenkhöhle in die Flüssigkeit des Hohlraums. Diese Gase vereinen sich dort zu großen Blasen, die zu kleineren zerplatzen. Niethard bezweifelt allerdings, dass dabei ein so lautes Geräusch entstehen kann.

Nur wer beim Knacken Schmerzen spürt, sollte die Körpergeräusche von einem Arzt abklären lassen. Dann kann es zum Beispiel sein, dass die Muskulatur nicht ausreichend stabilisiert ist. Der Rest kann das Knacken wohldosiert weiterhin genießen. "Das Überdehnen des Gelenks kann dafür sorgen, dass die umliegende Muskulatur vorübergehend entspannt", sagt Niethard. Wer seinem Gelenk darüber hinaus Gutes tun möchte, sollte regelmäßig Sport treiben. "Gelenke sind für Bewegung gedacht", so der Orthopäde. "Dann gilt der alte Leitsatz: Gebrauch erhält, Anstrengung fördert, Überanstrengung schadet."

Fazit: Die Wissenschaft unterstützt, was viele Fingerknacker ihren Müttern seit Jahrzehnten versichern: Das Fingerknacken entspannt die Muskulatur, ganz ohne dass die Finger verschleißen. Nur was genau passiert, ist bis heute nicht bis ins letzte Detail geklärt.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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