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Präsidentschaftswahl in Polen: Karol Nawrocki – wer ist der Kandidat?


Vom Amateurboxer zum Präsidenten?
Der Mann, der Polen spalten könnte

Von t-online, jha

Aktualisiert am 01.06.2025 - 12:00 UhrLesedauer: 3 Min.
Vor der Präsidentenwahl in PolenVergrößern des Bildes
Karol Nawrocki (Archivbild): Der Historiker ist der Kandidat der nationalkonservativen PiS. (Quelle: Piotr Polak/PAP/dpa/dpa-bilder)
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Karol Nawrocki will Staatsoberhaupt Polens werden. Doch seine Vergangenheit als Türsteher, seine Nähe zum rechten Rand und fragwürdige Versprechen werfen Fragen auf.

Karol Nawrocki hat sich von einem Amateurboxer aus Danzig zum aussichtsreichen Kandidaten um das polnische Präsidentenamt gekämpft. Der 42-Jährige tritt am Sonntag gegen den liberalen Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski in der Stichwahl an. Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. In der ersten Runde holte Trzaskowski laut Wahlkommission 31,4 Prozent der Stimmen, Nawrocki erhielt 29,4 Prozent.

Unterstützt wird Nawrocki von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), obwohl er parteilos ist. Seine Kandidatur könnte über die politische Zukunft Polens entscheiden: zwischen einem europafreundlichen Kurs unter Regierungschef Donald Tusk und einer Rückkehr zur Blockadepolitik der PiS.

Ein Außenseiter mit Verbindungen ins Rotlichtmilieu

Nawrocki stammt aus Danzig, promovierte in Geschichte und leitete zuletzt das Institut für Nationales Gedenken (IPN), das NS- und kommunistische Verbrechen aufarbeitet. Das IPN wurde in Nawrockis Amtszeit häufiger politisch instrumentalisiert, etwa durch eine patriotische Erinnerungspolitik, die stark auf nationale Opferrollen fokussierte und internationale Kritik hervorrief.

Zuvor war er Direktor des Museums des Zweiten Weltkriegs. In seiner Jugend stand er als Amateurboxer im Ring, arbeitete als Wachmann in einem Hotel – und soll laut Medienberichten dort Gästen Prostituierte vermittelt haben. Der Kandidat bezeichnete die Vorwürfe als "einen Haufen Lügen". Vermittlung von Prostitution ist in Polen strafbar.

Außerdem ließ sich Nawrocki laut Medien eine Wohnung von einem alten Mann überschreiben – unter der Bedingung, sich um ihn zu kümmern. Doch der Mann landete im Pflegeheim, bezahlt von der Stadt. Das könnte bei PiS-Wählern Zweifel an Nawrockis Integrität stärken, denn die Kernklientel der Partei ist verhältnismäßig alt.

Kritiker werfen ihm zudem Kontakte zu Neonazis und zum Rotlichtmilieu vor. Nawrocki bestreitet das. Trotzdem ist der Mann mit Vergangenheit im konservativen Lager beliebt. Der Historiker hat ein politisches Vorbild: Donald Trump. Er traf ihn bereits Anfang Mai im Weißen Haus. Der Ex-Präsident habe ihm gesagt: "Du wirst gewinnen", erzählte er danach.

Rechtsruck und Polarisierung

Nawrockis Wahlkampf bedient nationale Reflexe, sein Slogan ist: "Polen zuerst", ähnlich also wie Trumps "America First". Er stellt die Leistungen für ukrainische Flüchtlinge infrage und fordert mehr Dankbarkeit von Kiew. Auch einen Euro-Beitritt lehnt er strikt ab. Bei einem Auftritt im YouTube-Kanal des rechtsextremen Politikers Slawomir Mentzen unterzeichnete Nawrocki dessen Acht-Punkte-Plan, in dem unter anderem ein Nato-Beitritt der Ukraine ausgeschlossen wird. Sein Kontrahent Trzaskowski trat ebenfalls auf dem Kanal auf, verweigerte jedoch die Unterschrift zu Mentzens Plan.

Mit dem Schulterschluss zum rechten Rand versucht Nawrocki, die Stimmen der Wähler zu gewinnen, die sich zuvor für Mentzen und Grzegorz Braun entschieden. Beide scheiterten in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl, holten zusammen aber mehr als 21 Prozent. Braun, ein als antisemitisch geltender Abgeordneter, sprach sich für Nawrocki aus. Mentzen verzichtete auf eine Empfehlung, sagte aber über seinen YouTube-Kanal, er traue Nawrocki nicht – trotz dessen Unterzeichnung seines Forderungskatalogs.

Zugleich äußerte Mentzen die Vermutung, dass Nawrockis umstrittene Vergangenheit für viele seiner jungen, männlichen Wähler möglicherweise sogar attraktiv erscheine.

Nationalismus trifft konservative Wähler

Nawrockis Auftritte kommen bei vielen Konservativen an. Bei seinem "Marsch für Polen" versammelten sich Zehntausende Menschen in Warschau. Er fordert Grenzkontrollen zu Deutschland, Kriegsreparationen von Berlin und eine klare Linie in der Migrationspolitik. Gleichzeitig versucht er, sich als patriotischer Versöhnungskandidat zu präsentieren. "Ich werde ein Präsident sein, der verbindet", sagte er jüngst.

Doch ob das gelingt, ist offen. Nawrocki tritt gegen einen erfahrenen Politiker an, der nicht nur als EU-Abgeordneter, Minister und Parlamentsmitglied wirkte, sondern auch als polyglotter Kosmopolit gilt. Trzaskowski steht für eine liberale Gesellschaftspolitik und will das Abtreibungsrecht liberalisieren sowie die Rechte der LGBTQ-Community stärken.

In Polen hat der Präsident zwar nur begrenzte Kompetenzen, doch als Oberbefehlshaber, Veto-Inhaber und mitgestaltender Akteur in der Außenpolitik kann er die Regierung erheblich bremsen. Ein Sieg Nawrockis wäre ein Dämpfer für Premier Donald Tusk und ein Signal für das Erstarken rechter Bewegungen in Europa. In der EU und den USA wird die Wahl daher mit großer Aufmerksamkeit verfolgt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
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