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Ukraine-Krieg: Was ist eine Flugverbotszone – und welche Folgen hat sie?


Kiew fordert Nato-Eingriff
Führt eine Flugverbotszone in einen Dritten Weltkrieg?


Aktualisiert am 09.03.2022Lesedauer: 5 Min.
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Italienische Truppen auf dem Weg zu einer Nato-Übung (Archivbild): Die Nato Response Force (NRF) sorgt für die Durchsetzung einer "No Fly Zone".Vergrößern des Bildes
Italienische Truppen auf dem Weg zu einer Nato-Übung (Archivbild): Die Nato Response Force (NRF) sorgt für die Durchsetzung einer "No Fly Zone". (Quelle: Zuma Wire/imago-images-bilder)

Die Ukraine ruft nach der Invasion durch Russland um Hilfe: Die Nato solle eine Flugverbotszone über dem Kriegsgebiet verhängen. Das Bündnis lehnt diesen Schritt jedoch vehement ab – aus guten Gründen?

Vor zwei Wochen marschierten russische Truppen in die Ukraine ein. Tausende Soldaten und Zivilisten wurden bereits getötet, mehr als zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht. Der Krieg hat weltweit eine Solidaritätswelle angestoßen: Es wurden schwere Sanktionen gegen Russland verhängt, die USA und Europa schicken Waffen in die Ukraine. Zudem wurde der Luftraum für russische Flugzeuge komplett gesperrt.

Für die Ukraine gilt das Flugverbot allerdings nicht: Seit Tagen fliegen Kampfjets und Militärhubschrauber über das Land, zerstören Gebäude und töten Menschen. Die Forderungen nach einer "Flugverbotszone" durch die Nato werden lauter – doch was heißt das eigentlich? Und warum lehnen Verteidigungsexperten und westliche Politiker den Schritt so vehement ab? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist eine Flugverbotszone?

Eine Flugverbotszone dient in erster Linie dem Schutz einer Konfliktpartei in einem Krieg oder Bürgerkrieg. In einer "No Fly Zone" sind sämtliche Luftfahrzeuge wie etwa Flugzeuge, Hubschrauber, Drohnen und Raketen strikt verboten. Luftangriffe gegen Ziele in der Luft oder am Boden sollen damit verhindert werden. Ausnahmen können für humanitäre Zwecke gelten.

Im Ukraine-Krieg würde das Verbot dazu dienen, russische Kampfflugzeuge aus dem ukrainischen Luftraum zu halten, um die Bombardements von Flughäfen und Wohngebieten zu beenden. Doch die Ukraine ist militärisch nicht in der Lage, selbst eine "No Fly Zone" einzurichten, daher die Forderung an die Nato, dafür zu sorgen. Sollte die Nato sich tatsächlich dazu entschließen, müssten Nato-Kampfjets und Flugabwehrkräfte den Luftverkehr über der Ukraine überwachen und im Zweifel eingreifen, wenn das Verbot missachtet wird.

Welche Konsequenzen hätte eine Flugverbotszone durch die Nato?

Eine Flugverbotszone der Nato käme einem Kriegseintritt der Nato gleich. Dies hätte voraussichtlich eine weitere Eskalation des Konflikts zur Folge, da Kremlchef Wladimir Putin vor der Durchsetzung eines solchen Verbots und vor einem Eingreifen der Nato gewarnt hat. "Jede Bewegung in diese Richtung wird von uns als Teilnahme des jeweiligen Landes an einem bewaffneten Konflikt betrachtet", so Putin. Es spiele dann auch keine Rolle, welcher Organisation diese Länder angehörten.

Wie Putin konkret auf das Verbot reagieren würde, ist ungewiss. Die Gefahr eines Weltkrieges könnte sich jedoch deutlich erhöhen. Kritiker der Flugverbotszone befürchten zudem den Einsatz von Atomwaffen.

Wie wird eine Flugverbotszone realisiert?

Die Durchsetzung einer "No Fly Zone" durch die Nato würde mithilfe der Nato Response Force (NRF) erfolgen. Die NRF besteht aus Land-, Luft-, See- und Spezialeinsatzkräften, die bei Bedarf zügig eingesetzt werden können. Als Reaktion auf den Angriffskrieg in der Ukraine durch Russland aktivierte die Nato zum ersten Mal Elemente der NRF in einer Abschreckungs- und Verteidigungsrolle. Die Mitgliedsländer versetzten demnach Tausende zusätzliche Truppen in hohe Bereitschaft, um im Falle einer Eskalation schnell reagieren zu können und das Nato-Territorium zu verteidigen.

Auch wenn Flugverbotszone ein wenig technisch klingt, ist klar: Durchgesetzt wird sie mit militärischer Gewalt. Im Ukraine-Krieg müssten alle russischen Kampfjets, Helikopter und Drohnen vernichtet werden, sollten sie nicht von alleine den ukrainischen Luftraum verlassen. Das gilt ebenso für Luftabwehrstellungen zum Beispiel in Belarus, die eine Flugverbotszone gefährden würden.

In der Praxis sieht das häufig so aus: Wenn ein Luftfahrzeug in eine Flugverbotszone eindringt, wird zunächst versucht, per Funk Kontakt zum Piloten aufzunehmen. Scheitert die Kontaktaufnahme, kann das Flugobjekt von der militärischen Flugabwehr abgeschossen werden.

Wer kann eine Flugverbotszone einrichten?

Nach dem Völkerrecht kann nur der UN-Sicherheitsrat eine Flugverbotszone beschließen. Eine weitere praktische Hürde: Russland hat einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat. Putin könnte also ein Veto einlegen und darauf verweisen, dass das Verbot gegen das Völkerrecht verstößt – denn es stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Souveränität eines Staates dar.

Flugverbotszonen sind völkerrechtlich umstritten. Viele Juristen beklagen generell die schwache Rechtslage für die Einrichtung solcher Schutzzonen.

Wie steht die Nato zu einer Flugverbotszone im Ukraine-Krieg?

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seit Beginn der Invasion mehrmals von seinen westlichen Partnern gefordert, eine Flugverbotszone über der Ukraine einzurichten. Die Nato weigert sich bis heute beharrlich: "Wir haben als Nato-Verbündete die Verantwortung, eine Eskalation dieses Krieges über die Ukraine hinaus zu verhindern, denn das wäre noch gefährlicher, verheerender und würde noch mehr menschliches Leid verursachen", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zur Begründung.

Auch Außenministerin Annalena Baerbock verteidigte die Entscheidung gegen eine Flugverbotszone: "Das sind die Momente in der Außenpolitik, wo man eigentlich nur zwischen Pest und Cholera wählen kann", sagte die Grünen-Politikerin bei "Anne Will". Aber: Man trage die Verantwortung, dass dieser Krieg nicht zu einem dritten Weltkrieg führe. "Ein weiteres Überschwappen dieses Krieges auf Polen, auf die baltischen Staaten – das können wir nicht verantworten."

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schloss ein Eingreifen der Nato in den Krieg bislang ebenso kategorisch aus. Eine Flugverbotszone der Nato gilt derzeit also als ausgeschlossen.

Wie bewerten Experten eine Flugverbotszone?

Der Militärexperte Thomas Wiegold warnte im Gespräch mit dem Nachrichtensender ntv vor einer Flugverbotszone: "Wenn Nato-Länder eine Flugverbotszone einrichten und auch durchsetzen, dann ist die Nato Kriegspartei. Dann haben wir den Krieg: Russland gegen Nato." Das sei eine brandgefährliche Situation.

"Ich kann verstehen, dass jemand wie Selenskyj vehement eine Flugverbotszone fordert, weil er den Krieg aus eigener Kraft nicht gewinnen kann und absolut hoffnungslos ist", sagte die Sicherheitsexpertin Marina Henke, Professorin für Internationale Beziehungen an der Hertie School Berlin, dem "Focus". Durch eine Flugverbotszone drohe allerdings ein "unglaubliches Risiko". Henke sehe in einem solchen Fall die ernstzunehmende Gefahr, dass Raketen auf das Baltikum abgeschossen werden, "aber eventuell auch Bomben auf Berlin, Warschau, Brüssel oder Paris". Deshalb müsse man "jeglichen direkten Kontakt zwischen russischen Soldaten und Nato-Soldaten unbedingt vermeiden".

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Wo wurde eine Flugverbotszone bereits verhängt?

Erstmals wurde eine Flugverbotszone 1991 im Irak eingerichtet. Dem vorangegangen war eine UN-Resolution, in der ein besserer Schutz für die kurdische Bevölkerung im Nordirak und für die Schiiten im Süden gefordert worden war. Kampfflugzeuge der USA und Großbritanniens überwachten das Verbot. Damit sollten Kurden und Schiiten vor dem damaligen irakischen Präsidenten Saddam Hussein geschützt werden.

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Im Oktober 1992 beschloss der UN-Sicherheitsrat mit einer Resolution das Verbot militärischer Flüge über Bosnien-Herzegowina. Die serbischen Militärs trotzten dem Flugverbot mehrfach, ehe Anfang Februar 1994 gleich vier ihrer Jets während eines Angriffs im Norden Bosniens von Nato-Kampfflugzeugen abgeschossen wurden. Im weiteren Verlauf des Bosnien-Kriegs flogen Nato-Flugzeuge mehrfach Angriffe gegen serbische Stellungen, etwa bei Kämpfen in der Schutzzone um die Hauptstadt Sarajevo. Am Höhepunkt des Kriegs in Bosnien und in Kroatien erleichterten Nato-Luftschläge gegen serbische Raketenstellungen bei Knin schließlich die Großoffensive der kroatischen Armee gegen die serbisch besetzten Gebiete.

1999 sperrte die Nato den Luftraum im Kosovo-Krieg über der damaligen abtrünnigen jugoslawischen Provinz. Auch im Syrienkrieg wurde eine Flugverbotszone zur Debatte gestellt. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich dafür aus – die USA hingegen schreckten davor zurück, Machthaber Bascha al-Assads Luftwaffe durch die Verbotszone auszuschalten. Dies hätte notgedrungen zu einer direkten Konfrontation mit Russland geführt, das hinter Assad stand.

Im März 2011 beschloss der UN-Sicherheitsrat eine Flugverbotszone in Libyen. Die brutale Unterdrückung von Regimekritikern durch Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi veranlasste die internationale Gemeinschaft zum Eingreifen.

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