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EU zu Israels Vorgehen in Gaza: "Zivilisten müssen immer geschützt werden"


Gaza-Blockade nach Terror der Hamas
EU mahnt Israel: "Zivilisten müssen immer geschützt werden"

Von dpa, mam

26.10.2023Lesedauer: 5 Min.
Präsident des Europäischen Rates Charles Michel: Er ruft Israel dazu auf, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten.Vergrößern des BildesPräsident des Europäischen Rates Charles Michel: Er ruft Israel dazu auf, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten. (Quelle: YVES HERMAN/dpa)
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Von ihrer anfänglichen Zurückhaltung gegenüber Israels Vorgehen im Gazastreifen ist bei der Europäischen Union nicht mehr viel übrig. Sie richtet warnende Worte an Israel.

Die Europäische Union (EU) verschärft angesichts der katastrophalen humanitären Situation im Gazastreifen ihren Ton gegenüber Israel. In der jüngsten Abschlusserklärung eines an diesem Donnerstag begonnen EU-Gipfels heißt es, man rufe zu einem "schnellen, sicheren und ungehinderten humanitären Zugang zum Gazastreifen" auf. Zu notwendigen Maßnahmen gehörten auch humanitäre Korridore und Feuerpausen.

"Zivilisten müssen immer und überall geschützt werden", sagte EU-Ratspräsident Charles Michel mit Blick auf die Lage im Gazastreifen. Noch deutlicher wurde Belgiens Premierminister Alexander De Croo. Zwar verurteilte er die Angriffe der Terrororganisation Hamas scharf, sagte aber an Israel gerichtet: "Das ist niemals eine Entschuldigung dafür, eine ganze Region zu blockieren. Es kann niemals eine Entschuldigung für die Blockierung humanitärer Hilfe sein. Es kann niemals eine Entschuldigung dafür sein, eine Bevölkerung auszuhungern."

Streit um Waffenstillstand in der EU

Um Forderungen nach einem sofortigen "humanitären Waffenstillstand" für den Gazastreifen hatte es zuvor heftigen Streit in der EU gegeben. Länder wie Deutschland, Österreich und Ungarn sprachen sich klar dagegen aus, dass sich die EU solchen Aufrufen öffentlich anschließt. Sie argumentieren, ein solcher Vorstoß sei angesichts des anhaltenden Terrors der palästinensischen Terrororganisation Hamas unangemessen.

Länder wie Spanien oder Irland setzten sich hingegen wegen der vielen zivilen Opfer bei israelischen Angriffen auf Ziele im Gazastreifen für einen solchen Aufruf ein. Sie argumentieren, dass die von Israel ausgehende Abriegelung des Gazastreifens klar gegen das Völkerrecht verstößt. Vor allem Deutschland wird hinter vorgehaltener Hand vorgeworfen, nur vor dem Hintergrund seiner Nazi-Vergangenheit keine Aufrufe an Israel richten zu wollen.

Kompromiss soll Zivilisten schützen

Als Gefahr wird von Ländern, die das Anliegen der Palästinenser stärker unterstützen, gesehen, dass sich die EU auf internationaler Ebene unglaubwürdig macht, wenn sie mögliche Völkerrechtsbrüche von Israel nicht adressiert. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der Bemühungen der EU, Länder Lateinamerikas, Afrikas und Asiens zu einer stärkeren Zusammenarbeit gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu bewegen.

Spitzenbeamte der EU vertreten hinter verschlossenen Türen sogar die Auffassung, dass Israel im Gazastreifen wahllos und ohne größere Rücksicht auf Zivilisten, zivile Infrastruktur bombardiert. Sicher ist das jedoch nicht. Mit einem Aufruf an die Bevölkerung, den Norden des Gazastreifens zu verlassen, hatte Israel versucht, Zivilisten vor Luftschlägen zu warnen, gleichzeitig wurden Fluchtkonvois jedoch von israelischen Luftschlägen getroffen. Auch gab es international Kritik an dem Vorstoß, da beispielsweise Krankenhäuser im Norden Gazas nicht evakuiert werden könnten. Gleichzeitig mehrten sich Berichte darüber, dass die Hamas Zivilisten daran hinderten, in den Süden zu flüchten.

Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums starben bisher 7.028 Menschen im Gazastreifen, mehr als 18.000 seien verletzt worden. In Israel sind seit dem blutigen Überfall der Hamas am 7. Oktober bisher mehr als 1.400 Tote und rund 4.000 Verletzte zu beklagen. Die Zahlen sind nicht unabhängig überprüfbar.

Ein Kompromiss sieht nun vor, keine Forderung nach einem weitgehenden Waffenstillstand auszusprechen, aber zu "humanitären Pausen" bei den Kampfhandlungen und zur Einrichtung von "humanitären Korridoren" aufzurufen. Die Verwendung des Wortes "Pausen" im Plural soll demnach deutlich machen, dass die EU Israel nicht auffordert, den Kampf gegen die Hamas mit sofortiger Wirkung und dauerhaft einzustellen. Diesen Eindruck wollen Länder wie Deutschland und Ungarn unbedingt vermeiden.

Israel dürfe alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit sich das, was passiert sei, nicht wiederhole, sagte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán in Brüssel. Er zählt mit Deutschland, Österreich und Tschechien zu den kompromisslosesten Israel-Unterstützern in der EU. In der Kritik steht Orbán indes für sein Verhältnis zu Russland. Immer wieder hatte er sich etwa gegen die Sanktionen eingesetzt, die EU nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine gegen Russland verhangen hatte. Ungarns Krawallmacher Viktor Orbán zeigte der Ukraine einen verbalen "Stinkefinger", wie Gipfelteilnehmer kritisierten.

EU ruft zur Einhaltung des Völkerrechts auf

Etliche EU-Partner haben eine andere Haltung als die Israel-Unterstützer. Das kann auch aus dem Text für die Abschlusserklärung herausgelesen werden. Dort wird zwar nachdrücklich das Recht Israels betont, sich zu verteidigen, allerdings mit der Einschränkung, dass dies "im Einklang mit dem Völkerrecht und dem humanitären Völkerrecht" geschieht.

Demnach ist es der Einsatz von Zivilisten als menschliche Schutzschilde, wie ihn die Hamas-Terroristen betreiben, indem sie sich zwischen der Zivilbevölkerung verstecken, zwar eine "besonders beklagenswerte Grausamkeit". Es sei aber keine Entschuldigung für Israels Maßnahme, die Strom- und Wasserversorgung des Gazastreifens zu kappen und so alle mehr als 2 Millionen Bewohner des Gazastreifens zu treffen.

Deutlich wird die zunehmende Kritik an der Gegenoffensive Israels auch mit der geplanten Zusage der EU, eng mit den Partnern in der Region zusammenarbeiten, um auch den Zugang zu Treibstoff zu erleichtern. Dieser wird etwa von Krankenhäusern zur Stromerzeugung gebraucht. Die EU stellt sich damit klar gegen die israelische Regierung, die aus Angst vor Missbrauch bislang nicht zulassen will, dass der Gazastreifen weiter mit Treibstoff beliefert wird. In der geplanten EU-Erklärung heißt es dazu, man werde sicherstellen, dass diese Hilfe nicht von terroristischen Organisationen missbraucht werde.

Scholz hat keine Zweifel an humanitären Prinzipien Israels

Sorgen bereiten europäischen Staats- und Regierungschefs vor allem die möglichen Folgen einer zu drastischen Reaktion Israels auf den Terror der Hamas. Die Art und Weise der Antwort sei wichtig für die zukünftige Sicherheit der ganzen Region, eingeschlossen der in der Europäischen Union, mahnte der irische Regierungschef Leo Varadkar.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte erneut vor einer Ausweitung des Konflikts, richtete sich aber dabei vor allem an die Nachbarn Israels, die den jüdischen Staat von der Landkarte tilgen wollen: "Das sollte nicht passieren, dass im Norden etwa Hisbollah in den Krieg auch noch mit eigenen Aktivitäten eintritt oder der Iran und seine Proxies versuchen, hier gewissermaßen zu intervenieren." Mehr dazu, wie realistisch ein Kriegseintritt der libanesischen Terrororganisation Hisbollah ist, lesen Sie hier.

Befürchtungen, dass Israel bei seinem Vorgehen gegen die Hamas das Völkerrecht aushebeln könnte, trat Scholz mit sehr klaren Worten entgegen. "Israel ist ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien, die ihn leiten", sagte er. "Und deshalb kann man sicher sein, dass die israelische Armee auch bei dem, was sie macht, die Regeln beachten wird, die sich aus dem Völkerrecht ergeben. Da habe ich keinen Zweifel." Unbeachtet lässt Scholz dabei, dass die israelische Regierung schon seit Jahren in der Kritik steht, etwa mit illegalen Siedlungen von Israelis im palästinensischen Westjordanland gegen das Völkerrecht zu verstoßen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherche
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