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Ukraine-Krieg: Nord Stream 2 öffnen? Das wäre der Todesstoß


Das wäre der Todesstoß

Ein Kommentar von Luis Reiß

19.08.2022Lesedauer: 3 Min.
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Wladimir Putin bei einer Militärparade in St. Petersburg: Der Kremlherrscher pocht auf Nord Stream 2.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin bei einer Militärparade in St. Petersburg: Der Kremlherrscher pocht auf Nord Stream 2. (Quelle: MAXIM SHEMETOV/reuters)

Die Forderungen nach der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 werden lauter. Wer will schon frieren im Winter? Die Bundesregierung sollte nicht nachgeben.

Natürlich wäre das jetzt ganz einfach, über die Handwerker aus dem Halle-Saalekreis und ihren offenen Brief an Olaf Scholz zu lachen. Oder Wolfgang Kubicki, die Mensch gewordene Stammtisch-Parole der FDP, als Außenseiter abzutun. Beide eint aber: Wenn sie lautstark die Öffnung der Gaspipeline Nord Stream 2 fordern, haben sie einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung auf ihrer Seite.

66 Prozent der Deutschen, das ergab kürzlich eine repräsentative Forsa-Umfrage, hätten kein Problem damit, die neue Röhre aus Russland zu öffnen. Sie hoffen mutmaßlich auf sinkende Gaspreise und einen Winter ohne Frieren und Verbote.

Das ist legitim und eine Debatte, die ernsthaft geführt werden muss, ohne den erhobenen moralischen Zeigefinger. Nicht jeder, der für Nord Stream 2 ist, muss gleich als Putin-Freund abgestempelt werden. Trotzdem liegen die Befürworter von Nord Stream 2 falsch. Sie lassen sich von der Hoffnung auf Normalität verleiten – und unterschätzen die Folgen.

Um das zu verstehen, hilft es, die Szenarien einer Pipeline-Öffnung einmal aufzuzeigen: Dafür muss man zunächst Wladimir Putin glauben, trotz all der verachtenswerten Lügen, die er rund um den Krieg in der Ukraine erzählt hat. Sollte Russland wirklich, wie von ihm versprochen, zusätzliches Gas durch Nord Stream 2 liefern, hätte das natürlich einen positiven Effekt. Vielleicht würden die Preise wirklich spürbar sinken, vielleicht wären viele Sparmaßnahmen nicht nötig.

Wie ein Drogensüchtiger

Die Folgen aber wären trotzdem verheerend. Wie würde es auf die europäischen Partner, vor allem in Osteuropa wirken, wenn Deutschland sich mit russischem Gas durch Herbst und Winter mogelt, während andere munter von Russland erpresst werden und frieren müssen? Deutschlands Glaubwürdigkeit in der westlichen Welt ist nach der Zögerlichkeit bei Waffenlieferungen und Sanktionen ohnehin ramponiert. Nord Stream 2 wäre der Todesstoß. Längst ist die Pipeline zum Symbol für deutsche Heuchelei geworden.

Zudem würde die Abhängigkeit von Russland wieder wachsen, von der sich Deutschland doch eigentlich aus moralischen und sicherheitspolitischen Gründen lösen will. Der Spargedanke würde sinken. Der ukrainische Außenminister Kuleba verglich das richtigerweise mit dem Verhalten eines Drogensüchtigen: "Nur noch ein allerletztes Mal!" Dabei muss die Devise doch weiterhin lauten: weg von russischem Gas, so schnell wie möglich, um nicht weiter Putins Angriffskrieg und die bestialischen Kriegsverbrechen seiner Soldaten zu finanzieren.

Das ist mit schmerzhaften Konsequenzen verbunden. Aufgabe der Politik ist es, zügig für zielgerichtete Entlastungen zu sorgen, um den Menschen ihre Ängste zu nehmen. Nord Stream 2 würde aber bedeuten, wegen kurzfristiger Wirtschaftsinteressen alle Werte aufzugeben und sich einmal mehr politisch erpressbar zu machen.

Deutschland braucht "Führung"

Das zweite Szenario ist übrigens viel wahrscheinlicher: Russland würde auch mit Nord Stream 2 nicht mehr Gas liefern. Denn die neue Pipeline ist mutmaßlich ebenso ein Vorwand wie die angeblich fehlende Turbine von Nord Stream 1. Das darf man nicht vergessen: Es gibt mehrere intakte Pipelines, über die Russland längst mehr Gas liefern könnte. Das will Putin aber nicht. Stattdessen nutzt er Gas als politische Waffe, deren Mündung direkt auf Deutschland zeigt.

Gewonnen hätten wir in diesem Szenario gar nichts, Russlands Machthaber hielte weiterhin alle Hebel in der Hand. Verloren hätten wir aber wie im ersten Fall eine Menge.

Darum sollte die Bundesregierung dem wachsenden Wunsch aus der Bevölkerung nicht nachgeben. "Führung" lautet das Zauberwort, mit dem Olaf Scholz im Wahlkampf hausieren ging. Jetzt muss er sie zeigen, auch gegen die Handwerker aus Sachsen-Anhalt und die Kubickis der Republik.

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