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Nord-Stream-Pipelines | Warum die Ermittlungen so schwierig sind


Angriff auf Nord Stream-Pipelines
Woher kam der Sprengstoff?

  • David Schafbuch
Von David Schafbuch

17.02.2023Lesedauer: 4 Min.
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Nach Explosionen an den Pipelines Nord Stream 1 und 2 trat im vergangenen September Gas aus den Leitungen in die Ostsee (Archivfoto).Vergrößern des Bildes
Nach Explosionen an den Pipelines Nord Stream 1 und 2 trat im vergangenen September Gas aus den Leitungen in die Ostsee (Archivfoto). (Quelle: Anadolu Agency)

Wie kam es zu den Explosionen an den beiden Gasleitungen? Theorien gibt es dazu viele. Allerdings bleibt die Suche nach den Ursachen weiter kompliziert.

Peter Frank gab sich einsilbig. Man habe an den Explosionsstellen der Ostseepipelines Nord Stream 1 und 2 Wasser und Bodenproben sichergestellt, die man aktuell auswerte, sagte der Generalbundesanwalt Anfang des Monats der "Welt am Sonntag". Zudem stünden die deutschen Behörden mit Kollegen aus Dänemark und Schweden in Kontakt. Auf die Frage, ob es belegbar sei, dass Russland hinter der Tat stecke, antwortete Frank: "Das ist derzeit nicht belegbar, die Ermittlungen dauern an."

Fast fünf Monate ist es nun her, dass an den Gasleitungen, die Russland und Deutschland durch die Ostsee miteinander verbinden, insgesamt vier Löcher festgestellt wurden. Nach bisherigem Ermittlungsstand rissen mindestens zwei Detonationen die Röhren auf, aus denen danach unkontrolliert das eingelagerte Gas in das Meer strömte. Verschiedene Staaten, aber auch die Europäische Union und die Nato gehen davon aus, dass es sich um keinen Unfall handelte, sondern um Sabotage, und dass wohl nur staatliche Akteure solche Explosionen ausführen konnten. Doch warum haben Ermittler bisher keinen Verantwortlichen gefunden?

Aktuell arbeiten drei Staaten parallel daran, die Hintergründe des Vorfalls aufzudecken: Schweden, Dänemark und Deutschland. Man stehe im Austausch, sagte Generalbundesanwalt Frank der "Welt am Sonntag", es gibt aber keine gemeinsame Ermittlungsgruppe. Eine Beteiligung Russlands wurde abgelehnt.

Sprengstoffreste gefunden

Aus Schweden hieß es Mitte November, dass Sprengstoffreste sichergestellt worden seien und dass es sich bei den Detonationen um "grobe Sabotage" gehandelt habe. Laut WDR und "Süddeutscher Zeitung" gehe man in deutschen Sicherheitskreisen davon aus, dass dem Land wohl noch weitergehende Informationen vorliegen würden, die bisher jedoch nicht weitergereicht wurden.

Auch von dänischer Seite wurde schnell von Sabotage gesprochen, in einer Mitteilung von Mitte Oktober hieß es, die Polizei von Kopenhagen habe mit Unterstützung des Inlandsgeheimdienstes PET die Tatorte untersucht. Die Ermittler konnten feststellen, dass es in dänischen Gewässern zu "starken Explosionen" gekommen ist. Konkretere Informationen lieferten die Ermittler bisher nicht.

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Ein Bericht der "Süddeutschen Zeitung" lieferte nun weitere Erkenntnisse von deutscher Seite: Nach Ermittlungen des Bundeskriminalamtes (BKA) wurden die Tatorte mehrfach untersucht. Unter anderem kamen Taucher und Unterwasserdrohnen zum Einsatz. Mittlerweile sollen Sprengstoffexperten Beweismittel vom Meeresgrund untersucht haben. Nach Informationen der Zeitung und des WDR habe man Hinweise darauf, dass offenbar ein Sprengstoff benutzt wurde, der vor allem im militärischen Bereich genutzt werde.

Vorwürfe in alle Richtungen

Allerdings liefert auch diese Information allein keine Aufschlüsse zu den Hintermännern. "Dies war ein großer Angriff auf die Infrastruktur. Es ist seltsam, dass wir so wenig erfahren haben", sagte ein namentlich nicht genannter Analyst zuletzt der britischen "Times". Laut dem Bericht seien die deutschen Ermittler – so wie es auch bereits Peter Frank sagte – weiter offen, in alle Richtungen zu ermitteln.

Viele westliche Politiker zeigten mit dem Finger dennoch Richtung Kreml – und umgekehrt: Kremlsprecher Dmitri Peskow warf im vergangenen Oktober der britischen Royal Navy vor, für die Explosionen verantwortlich gewesen zu sein. Peskow bezog sich dabei auf angebliche Beweise aus dem russischen Verteidigungsministerium, auf die er aber nicht konkreter einging. Am vergangenen Sonntag sprach Außenminister Sergej Lawrow dann davon, dass die USA für die Explosionen verantwortlich gewesen seien. Beweise dafür lieferte er auch nicht.

Ukraine als Drahtzieher?

Der US-Geheimdienst CIA hatte im vergangenen Sommer nach Informationen von "SZ" und WDR eine Warnung an seine europäischen Partner herausgegeben, dass die Ukraine möglicherweise plane, von Schweden aus einen Anschlag auf die Gasleitungen zu verüben. Die Glaubwürdigkeit der Information schätze die CIA selbst als gering ein.

Auch die Vorwürfe von prorussischer Seite, dass ein US-Hubschrauber möglicherweise an dem Anschlag beteiligt gewesen sei, konnte widerlegt werden: Flugdaten zeigen, dass der Hubschrauber sich zwar über der Ostsee aufhielt, sich aber nicht in der Nähe der Gaslecks befand.

Fragwürdiger Bericht

Befeuert wurde die Diskussion um eine mögliche westliche Beteiligung vor wenigen Tagen durch den bekannten US-Enthüllungsreporter Seymour Hersh: Auf seinem Blog hatte der 85-Jährige einen Bericht veröffentlicht, der beweisen soll, dass angeblich die USA mit der Unterstützung von Norwegen die Pipeline gesprengt haben.

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In den vergangenen Jahren wurden allerdings mehrfach Zweifel an neueren Recherchen von Hersh laut. Mehr zu seinem Werdegang lesen Sie hier. Und auch sein jüngster Bericht warf Fragen auf: Hersh hatte sich auf Informationen aus nur einer anonymen Quelle bezogen.

Laut dem Bericht wurden die Sprengladungen an den Pipelines während der Nato-Übung "Baltops 22" im vergangenen Juni angebracht. Demnach hätten US-Taucher von einem norwegischen Minenjäger aus angeblich C4-Sprengladungen an den Röhren angebracht, die später ferngezündet wurden. Mehrere Online-Rechercheure belegten jedoch mit öffentlichen Daten, dass sich ein solches Schiff während der Militärübung nicht in der Nähe der Pipelines aufhielt.

"Brauchen Beweise"

Es gibt weitere Ungereimtheiten in dem Hersh-Report, etwa bei Angaben zum Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg: Hersh bezeichnet den 63-jährigen Norweger als "Hardliner in Sachen Putin und Russland", der seit dem Vietnamkrieg mit amerikanischen Geheimdiensten zusammengearbeitet habe. Tatsächlich war Stoltenberg beim Eintritt der USA in den Krieg erst ein Teenager. Später demonstrierte er gegen den Krieg und setzte sich in jungen Jahren auch für einen Austritt Norwegens aus der Nato ein.

Die dünne Faktenlage des Berichts griff auch Kremlsprecher Dmitri Peskow auf: "Einige Momente (in dem Artikel) kann man bestreiten, andere brauchen Beweise", sagte er nach der Veröffentlichung, "aber er ist bedeutsam durch die Tiefe der Analyse und die Klarheit der Auslegung." Es bleibt so, wie Generalbundesanwalt Peter Frank sagte: Die Ermittlungen dauern an.

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