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Schlacht um Aleppo: Rebellen in Syrien sitzen in der Falle


Verzweifelter Kampf um Aleppo
Rebellen in der Falle: "Jetzt geht es ans Eingemachte"

Von t-online
Aktualisiert am 13.07.2016Lesedauer: 4 Min.
Eingeschlossen: ein Kämpfer der Freien Syrischen Armee vor AleppoVergrößern des BildesEingeschlossen: ein Kämpfer der Freien Syrischen Armee vor Aleppo (Quelle: Reuters-bilder)
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Bittere Zeiten für Syriens Rebellen: Verlassen von allen Helfern, getrieben vom Al-Kaida-Ableger Al-Nusrah, gejagt vom Regime Baschar al-Assads und vom Islamischen Staat, scheint ihr Schicksal von einer alten zweispurigen Umgehungsstraße abzuhängen. Um die steht es nicht gut. Tweets und Videos zeigen die hochdramatische Lage.

Am Donnerstag vergangener Woche wird der Alptraum der Rebellen Wirklichkeit: Regierungstruppen stürmen im Norden Aleppos die sogenannten Mallah-Farmen. Von dort können sie die Castello Road unter Feuer nehmen - die einzige Verbindungsstraße, auf der die Rebellen Verpflegung und Munition in den Ostteil der Stadt bringen können.

Den halten sie seit 2012. Nun, da die Castello Road dicht ist, sind sie eingeschlossen. "Jetzt geht es ans Eingemachte", sagt Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt an der Universität Mainz.

Die Frontlinie in Aleppo gleicht einem chinesischen Yin-und-Yang-Zeichen (siehe Grafik): Seit 2012 umschlingen sich geradezu malerisch die von Rebellen (grün) und die von Assads Truppen (braun) beherrschten Viertel der Zwei-Millionen-Einwohner-Metropole.

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Zwischen Regime und Rebellen liegt im Norden das Kurdenviertel Sheikh Maqsud (auf der Grafik gelb gekennzeichnet). Es wird vom PKK-Ableger YPG beherrscht, der hier, wie auch anderswo gemeinsame Sache mit dem Regime macht.

Die gefährlichste Straße der Welt

Nur eine einzige Straße führt vom Osten Aleppos hinaus in den Teil des Landes, in dem das Assad–Regime keine Kontrolle hat. Es ist die vermutlich gefährlichste Straße der Welt.

Wer jetzt versucht, durch den nur noch wenige hundert Meter breiten Korridor zu rasen, begibt sich in höchste Lebensgefahr: Scharfschützen, Artilleristen und Jetpiloten nehmen jeden unter Feuer, der des Weges kommt. Ein Video - aufgenommen von Truppen Assads - zeigt, wie ein Zivilfahrzeug auf der Straße in Stücke geschossen wird.

Damit sitzen im Ostteil der Stadt nicht nur die Rebellen in der Falle, sondern auch rund 200.000 Einwohner. In einem verzweifelten Appell baten die Kommandeure bereits am Sonntag alle Händler, nach dem Einschluss nicht zu sehr an der Preisschraube für Lebensmittel zu drehen.

Noch wird um den Castello-Korridor gerungen. Und die Kämpfe sind erbittert und brutal: Von der Regime-Seite rücken die sogenannten "Tiger Forces" vor - eine relativ kleine Spezialeinheit aus leichter Infanterie, die die Armee immer dann einsetzt, wenn schwieriges Terrain aufgebrochen werden muss. Sie werden unterstützt von schwerer Artillerie und russischen Kampfjets.

Im Norden angreifen - oder in der Altstadt?

Auf der anderen Seite die Verteidiger: Die "Fatah Halab" besteht aus Einheiten der Freien Syrischen Armee (FSA) und gemäßigten Islamisten. Ihr gegenüber steht die "Dschaisch al-Fatah". Sie wird von islamistischen Hardlinern kontrolliert. Federführend ist der Al-Kaida-Ableger Jabhat al-Nusra.

Die beiden Groß-Koalitionen sind tief zerstritten: Seit Tagen beschimpfen sie sich auf Twitter, weil beide Führungen die Umklammerung mit unterschiedlichen Strategien aufbrechen wollen. So will die "Fatah Halab" die Mallah-Farmen im Norden zurückerobern, um die Regime-Truppen wieder von der wichtigen Castello Road abzudrängen.

Der Kampf an diesem Frontabschnitt tobt seit dem Wochenende – mit enormen Verlusten auf beiden Seiten: Schwere Artillerie und russische Luftangriffe machen die Rückeroberung der Farmen fast unmöglich. Dutzende Kämpfer sollen schon gefallen sein.

Ein Video von einem Vorstoß der Rebellen belegt, wie brutal die Kämpfe dort sind – und wie aussichtslos:

Die islamistische "Dschaisch al-Fatah" hält das für Unsinn und setzt stattdessen auf Entlastungsangriffe in Aleppos Altstadt um die Zitadelle. So wollen sie das Regime zwingen, Truppen von der Castello Road abzuziehen, um sie in der Innenstadt einzusetzen.

"So rasch wie möglich und mit soviel Gewalt wie nötig"

Doch auch diese Angriffe wurden am Montag zurückgeschlagen. Sowohl Regime, als auch Rebellen beschießen dabei rücksichtslos Wohnviertel der Gegenseite – mit einem deutlichen Übergewicht auf Seiten des Regimes: Das kann naturgemäß auf mehr Artillerie und vor allem auf die syrische und russische Luftwaffe zurückgreifen.

Dazu scheut es nicht vor schmutzigen Tricks zurück: Am vergangenen Mittwoch rief Assad eine mehrtägige Waffenruhe aus – nur um wenige Stunden später seine Truppen die Mallah-Farmen nördlich der Castello Road erobern zu lassen.

"Assad will Aleppo jetzt so rasch wie möglich und mit so viel Gewalt wie nötig zurückerobern", sagt Meyer. Er hält es für sehr wahrscheinlich, dass Aleppo in absehbarer Zeit ganz an das Assad-Regime fallen wird. Dabei seien zwei Szenarien vorstellbar: "Das Schlimmere wäre, wenn Assad im Ostteil Gebäude für Gebäude aus der Luft zerstört, ohne auf die Zivilbevölkerung Rücksicht zu nehmen."

Schweigen beim treuesten Verbündeten

Im anderen Fall würde der Osten einfach ausgehungert. Das könne lange dauern, fürchtet Meyer. Denn selbst, wenn die Rebellen keine Munition mehr in den Osten bringen können: Scharfschützen wären in der Lage, selbst größere Regimeeinheiten in den kleinen verwinkelten Gassen wochenlang aufzuhalten.

Schlimmer noch sind für die Aufständischen die weiteren Perspektiven: Seit Russland im vergangenen Oktober in die Kämpfe eingegriffen hat – angeblich um den IS zu bekämpfen – verliert die FSA mehr und mehr an Boden. Mittlerweile treffen auch ihre Unterstützer aus Washington ständig Absprachen mit Moskau, um den Kampf gegen den IS effizienter zu gestalten. Darüber hinaus setzen sie auf die relativ unabhängigen Kurden, die, wie in Aleppo, meist mit dem Regime besser können, als mit den Aufständischen.

Und selbst der bislang treueste Verbündete der Rebellenfront besteht nicht mehr wie bislang unbedingt auf dem Rücktritt seines Feindes Assad: der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Seit der sich vor Kurzem geradezu unterwürfig bei Assad-Freund Putin für den Abschuss eines russischen Kampfjets entschuldigte, hört man nicht mehr viel aus Ankara über Syrien und den Fall Assads.

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