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Darum ist die Türkei gegen einen Kurdenstaat


Referendum im Nordirak
Darum ist die Türkei gegen einen Kurdenstaat

dpa, sm

22.09.2017Lesedauer: 3 Min.
Im Nordirak zeigen die Kurden ihre Unterstützung für das geplante Referendum.Vergrößern des BildesIm Nordirak zeigen die Kurden ihre Unterstützung für das geplante Referendum. (Quelle: Ako Rasheed/Reuters-bilder)
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Mit 25 bis 35 Millionen Angehörigen, verteilt auf die Türkei, den Iran, den Irak und Syrien, gelten die Kurden als das größte Volk ohne eigenen Staat. Das wollen sie jetzt ändern.

Seit Jahrzehnten kämpfen die Kurden um Anerkennung und Unabhängigkeit. Allerdings bilden sie keine Einheit, sondern sind aufgeteilt in verschiedene sprachliche, konfessionelle und politische Gruppen. Ein Problem, das durch das Unabhängigkeitsreferendum eskalieren könnte.

Die Kurden leben in überwiegend gebirgigen Gegenden, die von Zentralanatolien über Nordsyrien und den Nordirak bis in den Iran reichen. Mit 12 bis 15 Millionen lebt die größte Gruppe der Kurden in der Türkei, wo sie rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung stellen. Sechs Millionen leben im Iran, 4,7 Millionen im Irak und mehr als zwei Millionen in Syrien.

Zudem gibt es in Deutschland wie auch in Armenien, Aserbaidschan und dem Libanon große Exilgruppen. Die Mehrheit der Kurden sind sunnitische Muslime, doch gibt es auch Christen, Aleviten und andere Religionsgruppen. Gesprochen wird eine Reihe teils stark unterschiedlicher Dialekte, die Gesellschaft ist bis heute stark durch Stammesloyalitäten geprägt.

Türkei fürchtet um nationale Einheit

Die Heimatländer der Kurden sehen deren Kampf um die Anerkennung ihrer Identität als Bedrohung der nationalen Einheit. Besonders die Türkei hat die Existenz der Kurden jahrzehntelang verleugnet, ihre Sprache verboten und jegliche kurdische Autonomiebestrebungen unterdrückt. Auf den Aufstand der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 1984 reagierte Ankara mit großer Härte.

In dem Konflikt wurden mehr als 40.000 Menschen getötet, zuletzt scheiterte 2015 eine Initiative zur Beilegung des Konflikts. Im Iran wurde 1946 eine kurdische Republik zerschlagen, bis heute kämpft dort die Rebellengruppe PJAK für mehr Autonomie. Auch im Irak und Syrien gab es wiederholt Aufstände, doch haben die Kurden dort inzwischen weitgehende Autonomie erkämpft.

Ein Quasi-Staat im Nordirak

Im Irak erreichten die Kurden nach dem Golfkrieg 1991 und einem Aufstand gegen Diktator Saddam Hussein weitgehende Eigenständigkeit. Die Kurden hatten sich nach der Niederlage des Irak erhoben, woraufhin die USA und ihre Verbündeten zu ihrem Schutz eine Flugverbotszone im Nordirak verhängten. Ein Jahr später gründeten die Kurden ein Parlament und eine eigene Regierung.

Von 1994 bis 1998 waren diese Institutionen durch den blutigen Machtkampf zwischen der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK) und der rivalisierenden Patriotischen Union Kurdistans (PUK) gelähmt. Unter der neuen Verfassung von 2005 wurde Kurdistan offiziell Autonomieregion mit einer eigenen Regierung, einem eigenen Parlament, einem eigenen Haushalt - und DPK-Chef Massud Barsani als gewählten Präsidenten. Im Juni 2017 setzte Barsani das umstrittene Referendum für September an, um über die Unabhängigkeit der Region zu entscheiden.

In der bergigen Autonomieregion leben 4,69 Millionen Einwohnern, 15 bis 20 Prozent der irakischen Bevölkerung. Während des Konflikts mit der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) kamen hunderttausende Flüchtlinge ins Kurdengebiet. Zugleich dehnten die kurdischen Peschmerga-Milizen die Gebiete unter ihre Kontrolle aus. Erbil beansprucht von Bagdad die Kontrolle über mehrere Gebiete, darunter die ölreiche, ethnisch gemischte Provinz Kirkuk. Neben den Kurden leben in der Region auch turkmenische und arabische Minderheiten. Die Mehrheit der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Islam an und spricht Kurdisch oder Arabisch.

Die Nachbarländer, allen voran die Türkei, befürchten, dass das Referendum die Spannungen zwischen den Volksgruppen anheizt. Insbesondere in der umstrittenen Provinz Kirkuk droht eine Eskalation, da Turkmenen und Araber den Volksentscheid und eine Abspaltung der Kurdenregion ablehnen. Die große Sorge: Etwaige Unruhen könnten auch auf die kurdenreichen Nachbarstaaten übergreifen.

Fluch und Segen des Öls

Die großen Ölreserven machen die Kurdengebiete wirtschaftlich attraktiv und haben der Region einen wirtschaftlichen Aufschwung beschert. Allerdings sind die Kurden für den Export des Rohstoffs auf die Recep Tayyip Erdogan und die Türkei angewiesen, da es mit Bagdad einen ungelösten Streit um die Aufteilung der Öleinnahmen gibt. Zudem sind die Einnahmen wegen des Verfalls des Ölpreises eingebrochen.

Es wird erwartet, dass Kurdenpräsident Barsani mit dem Referendum seine Verhandlungsposition gegenüber Bagdad stärken will, um mehr Rechte bei Ölförderung und beim Ölexport zu erreichen. Auch will er über die Kosten für die Peschmerga verhandeln, die durch den Anti-IS-Kampf in die Höhe gegangen sind und das Budget belasten.

Autonomie-Status auch in Nordsyrien

Auch in Nordsyrien haben die Kurden die Wirren des syrischen Bürgerkriegs seit 2011 nutzen können, um weitgehende Autonomie zu erreichen. Kontrolliert werden die drei Kantone der Kurden entlang der türkischen Grenze von der Partei der Demokratischen Union (PYD) und ihrem militärischen Arm, den Volksverteidigungseinheiten (YPG).

Während die USA die PYD im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) mit Waffen unterstützen, betrachtet die Türkei die Partei wegen ihrer Nähe zur PKK als Terrororganisation. Ankara fürchtet, dass ein kurdischer Staat in Nordsyrien die PKK weiter stärkt, die auch auf türkischem Boden einen Kurdenstaat fordert. Daher hat Ankara wiederholt gewarnt, dass sie eine Abspaltung der Kurden nicht zulassen werde.

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