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Angriff auf Taiwan? China könnte einen globalen Krieg auslösen


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Angriff auf Taiwan?
China könnte die Welt ins Chaos stürzen


Aktualisiert am 24.07.2021Lesedauer: 7 Min.
Soldaten der chinesischen Armee: In den letzten Jahren hat China massiv in die eigenen Streitkräfte investiert.Vergrößern des Bildes
Soldaten der chinesischen Armee: In den letzten Jahren hat China massiv in die eigenen Streitkräfte investiert. (Quelle: imago-images-bilder)

Xi Jinping macht daraus kein Geheimnis: China will sich Taiwan einverleiben, notfalls mit Gewalt. Dafür nennt Peking schon eine konkrete Frist, ein Krieg hätte massive Folgen für die ganze Welt.

Der Kampf um die globale Vorherrschaft hat längst begonnen, unbemerkt vom Großteil der Bevölkerung. Er ist abstrakt und steht im Schatten der Corona- oder der Klimakrise. Doch von immenser Bedeutung ist er trotzdem. Im Ringen zwischen China und den USA geht es um mehr als wirtschaftliche Stärke oder militärische Macht. In diesem Konflikt wird sich entscheiden, welche Ideologie in Zukunft die Welt dominiert und ob demokratische Werte deutlich an Bedeutung verlieren.

In der Kommunistischen Partei (KP) herrscht der Glaube vor, dass das System der Volksrepublik mit einer Mischung aus autoritärer Politik und Wirtschaftswachstum allen anderen Systemen überlegen ist. Deshalb wirbt Peking in der Welt für eine Alternative zu den Demokratien des Westens. Chinas Weg soll nach dem Willen Pekings exportiert werden, erst in die Nachbarstaaten, danach in die ganze Welt.

Taiwan in Chinas Fadenkreuz

Zunächst stehen die Territorien im Fadenkreuz der chinesischen Regierung, die nach ihrem Verständnis ohnehin zum Staatsgebiet der Volksrepublik gehören. Im Kampf um die globale Vorherrschaft gehören Kompromisse wie "ein Land, zwei Systeme" in der Hongkong-Frage der Vergangenheit an. Vielmehr gilt nun: es gibt nur ein China, ein politisches System unter der völligen Kontrolle der KP.

Besonders die kleine Insel Taiwan – auch Republik China genannt – bekommt die aggressiven Machtansprüche Chinas immer deutlicher zu spüren. Präsident Xi droht den Menschen in der abtrünnigen Provinz in regelmäßigen Abständen mit einem Krieg, für die Wiedervereinigung nannte er schon eine konkrete Frist: das Jahr 2049, die Volksrepublik wird dann hundert Jahre alt.

Es ist keinesfalls eine leere Drohung, im Gegenteil. Die Einverleibung von Taiwan erscheint für die KP alternativlos, weil sie diese Frage ins Zentrum des nationalistischen Narratives in China gerückt hat. Die Frage ist nur, wie viel China dafür riskieren möchte, denn ein Angriff auf Taiwan könnte im schlimmsten Fall zu einem globalen Krieg führen.

Erbe des blutigen Bürgerkriegs

Um die Komplexität des Taiwan-Konfliktes zu verstehen, bedarf es eines Blicks in die Geschichte:

Der Konflikt zwischen China und Taiwan ist ein Erbe des 22-jährigen Bürgerkrieges, der in China bis 1949 wütete. Die Kommunisten unter Mao Zedong triumphierten letztlich gegen die Nationalisten der Kuomintang unter Chiang Kai-shek. Die Kuomintang flohen nach Taiwan, Chiang Kai-shek errichtete dort eine Militärdiktatur und proklamierte von Taiwan aus bis zu seinem Tod 1975 seinen Herrschaftsanspruch über das gesamte chinesische Reich.

Die westlichen Demokratien standen im Kalten Krieg auf der Seite von Chiang Kai-shek, obwohl er die Bevölkerung Taiwans gewaltsam unterdrückte – doch er war schließlich Gegner des Kommunismus. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich ein Tauziehen zwischen Mao Zedong und Chiang Kai-shek um das einzig legitime China. Darunter litten vor allem die Menschen in Taiwan, für sie war das Jahr 1971 ein Wendepunkt.

Die kommunistische Volksrepublik wurde damals in die Vereinten Nationen aufgenommen, Taiwan lehnte aus Protest ein Aufnahmeangebot ab. In dem Machtkampf zwischen Nationalisten und Kommunisten konnte nur ein China mit am internationalen Verhandlungstisch sitzen. Es entstand die Ein-China-Politik, die die internationale Diplomatie und die Außenpolitik der Volksrepublik bis heute prägt. Seither wird Taiwan nur von 15 kleineren Staaten als Land anerkannt. Für die UN-Institutionen ist es ein Teil Chinas, obwohl Taiwan mittlerweile eine Demokratie ist.

Das führt immer wieder zu Problemen: So rechnete die Weltgesundheitsorganisation in der Corona-Pandemie in den Statistiken die Infektionszahlen in Taiwan immer zu denen der Volksrepublik.

Gesellschaft in Taiwan gespalten

Seitdem viele Staaten – darunter die USA und viele europäische Länder – in den 1970er-Jahren diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik aufbauten, brachen diese Staaten auch die Beziehungen zu Taiwan ab. Die Insel wurde weitgehend international isoliert. Trotz der großen Hindernisse hielt Taiwan an einem Weg fest, der das kleine Land mit seinen 23 Millionen Einwohnern immer weiter von der Volksrepublik entfernte. Seit 1992 gibt es freie Wahlen. Es etablierte sich eine moderne Demokratie und Marktwirtschaft.

Die taiwanesische Gesellschaft aber ist gespalten. Es sind vor allem ältere Generationen, die sich mehrheitliche eine Wiedervereinigung mit China wünschen. Für sie ist die Hoffnung auf wirtschaftlichen Wohlstand größer als der Wert einer Demokratie mit Meinungsfreiheit. Über 60 Prozent der Bevölkerung sehen das allerdings anders. Vor allem junge Menschen verteidigen das Land und ihre Freiheit aktiv gegen China. Das zeigte sich zuletzt im Jahr 2014, als die Sonnenblumen-Bewegung – bestehend aus vielen Studierenden – ein Gesetz verhinderte, das China die Kontrolle über die taiwanesische Wirtschaft gegeben hätte.

Die Bewegung hatte Erfolg und resultierte in einem Machtwechsel. Seit 2016 wird Taiwan von der DPP und Präsidentin Tsai Ing-wen regiert, die das Land langsam und mit friedlichen Mitteln von China lösen möchten.

"Jegliche Bestrebungen zur Unabhängigkeit zerschlagen"

Jedoch hält China an seinem Kontrollanspruch über die Insel fest. Die Bedrohung ist Alltag in Taiwan. Ständig testen chinesische Kampfflugzeuge oder Schiffe die Verteidigungsbereitschaft der Taiwaner. Peking lässt seine Armee Manöver abhalten, die eine Invasion oder beispielsweise die Erstürmung des Präsidentenpalastes in Taipeh trainieren sollen.

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Ständig wird die taiwanesische Infrastruktur von chinesischen Hackern angegriffen und auch die Rhetorik aus Peking ist deutlich. Dazu erklärte Xi: "Die Klärung der Taiwan-Frage und die komplette Wiedervereinigung mit dem Mutterland sind die unumstößlichen historischen Aufgaben der Partei und das gemeinsame Ziel aller Chinesen." Nun müssten alle zusammen daran arbeiten, "jegliche Bestrebungen zur Unabhängigkeit Taiwans zu zerschlagen". Und: "Wir schließen Gewaltanwendung nicht aus."

Das Pentagon in den USA geht angesichts des Aufbaus und der Konzentration chinesischer Truppen von einem Angriff noch in diesem Jahrzehnt aus. Das berichtete der Admiral und Kommandant der US-Indopazifik-Flotte, Philip Davidson, im März im Kongress.

Aber was spricht tatsächlich für eine chinesische Invasion? Und was dagegen? Ein Überblick:

Sechs Gründe, die für eine Invasion sprechen:

  1. Nationalismus: Während Mao Zedong für die Vorherrschaft des Kommunismus kämpfte und die Präsidenten nach ihm oft für wirtschaftlichen Wohlstand, geht es Xi um nationales Prestige. China soll Supermacht werden. Ein großes Land, ein Volk, eine Religion. Die Taiwan-Frage ist für die aktuelle KP von großer nationaler Bedeutung.
  2. Kein Demokratie-Labor vor der Haustür: Taiwan ist für die chinesische Regierung ein unerträgliches Gegenmodell zu ihrer Ideologie. Taiwan zeigt, dass in einer chinesischen Bevölkerung ein anderes politisches System und eine Demokratie möglich sind.
  3. Militärisches Ungleichgewicht: Taiwan kann der Volksrepublik militärisch nicht viel entgegensetzen. Anfang der 1990er-Jahre waren die Rüstungsausgaben beider Länder noch in einem ähnlichen Bereich, aber China hat nach der Jahrtausendwende massiv aufgerüstet. Taiwan wird zwar mit US-Militärgerät ausgestattet, aber auch die chinesische Armee wurde massiv modernisiert. Die Frage bei einem Konflikt wäre nur, wie lange Taiwan sich wehren kann.
  4. Die Zeit läuft Peking davon: Vor allem jüngere Generationen haben sich in Taiwan an Demokratie und Meinungsfreiheit gewöhnt. Je länger die Volksrepublik mit einem Angriff wartet, desto geringer wird ihr Rückhalt in der taiwanesischen Bevölkerung sein.
  5. Hoffnung auf wenig internationale Gegenwehr: China schafft überall auf der Welt wirtschaftliche Abhängigkeiten. Auch in Europa gibt es viele Länder – zum Beispiel Portugal, Griechenland oder Ungarn –, die auf chinesische Investitionen so sehr angewiesen sind, dass sie die Volksrepublik in Menschenrechtsfragen nicht mehr verurteilen. In Peking hofft man, dass diese Länder die eigene Wirtschaft nicht wegen des kleinen Taiwans schwächen wollen. In Hongkong war die Gegenwehr schließlich auch überschaubar.
  6. Keine wirtschaftliche Unterwerfung: Die Strategie, mit der sich Peking für gewöhnlich Kontrolle über andere Staaten sichert, besteht aus großen Investitionen in die Wirtschaft. Das hat in Taiwan nicht funktioniert.

Sechs Gründe, die gegen einen Krieg sprechen:

  1. China riskiert einen globalen Konflikt: Bei einem Angriff muss Peking damit rechnen, dass die USA als Schutzmacht von Taiwan auftreten und die Insel verteidigen. Man stünde einem Gegner gegenüber, der militärisch der Volksrepublik weit überlegen ist. In den USA ist der Schutz Taiwans gesetzlich verankert. Während die chinesische Regierung Donald Trump nie wirklich einschätzen konnte, ist man sich eigentlich sicher, dass US-Präsident Joe Biden dem Schutzversprechen nachkommen würde. Wenn die Vereinigten Staaten eingreifen, könnte auch die Nato mit in den Konflikt hineingezogen werden.
  2. Krieg ist teuer: Strategisch ist eine Invasion Taiwans nicht einfach, trotz der militärischen Überlegenheit. Die Insel ist felsig, Experten sehen nur elf Standorte, an denen chinesische Truppen landen könnten. Das Pentagon hat mit Taiwan eine Strategie ausgearbeitet, die einen Guerillakrieg zur Folge hätte. Land- und Seeminen, Städtekampf, ein Tunnelnetz, der Einsatz von Drohnen. Ein Krieg könnte China viele Ressourcen und Menschenleben kosten.
  3. Invasion müsste schnell gehen: Die Volksrepublik müsste sicher gehen, dass Taiwan eingenommen wird, bevor die Amerikaner eintreffen. Das halten viele Militärexperten für nicht realistisch.
  4. Wirtschaftlicher Schaden: Die Volksrepublik ist abhängig vom Wirtschaftswachstum und das ist vor allem auf Exporten aufgebaut. Krieg schadet immer der Wirtschaft, zumal Peking mit neuen Sanktionen rechnen müsste.
  5. China ist isoliert: Es ist schwer, eine Supermacht zu werden, ohne Verbündete zu haben. Mit einer aggressiven Expansionspolitik schafft China immer mehr Misstrauen. Die Verhältnisse zu den Nachbarstaaten sind schon jetzt oft schlecht, selbst zwischen China und Russland besteht nur ein Zweckbündnis. In vielen Ländern würde eine Invasion Taiwans die Angst vor einem chinesischen Angriff befeuern.
  6. Unerfahrene Armee: Truppenstärke und Ausrüstung sind eine Sache, aber die chinesische Armee hat kaum Erfahrung in Kriegs- und Krisengebieten. Das könnte wiederum auch ein Grund für eine Invasion sein, denn Peking wird irgendwann die eigene Schlagfertigkeit testen wollen.

Letztlich lässt sich die Kriegsgefahr schwer einschätzen, dafür ist China unter Xi zu unberechenbar. Viel wird davon abhängen, wie viel Selbstvertrauen die chinesische Führung in die eigene Stärke hat. Rhetorisch läuft der chinesische Präsident allerdings immer weiter in eine Sackgasse. Zu oft wird die notfalls gewaltsame Wiedervereinigung zur entscheidenden Frage erklärt, so dass ein Rückzieher nur mit einem großen Gesichtsverlust möglich wäre. Außerdem könnte die chinesische Führung einen Krieg nutzen, um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Das hat China mit anderen Autokratien gemein.

Taiwan aus der Isolation holen

Eine entscheidende Frage wird sein, wie teuer ein Krieg für Peking wäre. Dabei spielt auch die internationale Gemeinschaft eine Rolle. Wenn die Verteidigung der demokratischen Idee ernst genommen wird, könnten viele EU-Staaten und auch die USA Taiwan aus der diplomatischen Isolation befreien. Denn das kleine Land verkörpert die Ideale der politischen Mitbestimmung der Bevölkerung, der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit.

Einen mutigen Schritt ging in der vergangenen Woche Litauen: Taiwan durfte dort eine diplomatische Vertretung eröffnen. Damit geht das EU-Mitglied auf Konfrontationskurs zu China, Peking bezeichnete die Ankündigung als "Farce" und erinnerte an das Ein-China-Prinzip.

Die Konfrontation mit China auf ideologischer Ebene erscheint für den demokratischen Westen unausweichlich. Die Regierungen in Europa und Nordamerika müssen sich entscheiden, zu wie vielen wirtschaftlichen Zugeständnissen sie in diesem Konflikt bereit sind. Nicht nur zur Verteidigung von Taiwan, sondern auch im Ringen für eine demokratische Weltordnung. Die Taiwan-Frage ist lediglich ein Brennglas eines viel größeren Kampfes.

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