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USA: Joe Biden droht vor den Wahlen ein Desaster – er hat ein Eiscreme-Problem


Drohendes Desaster
Das Eiscreme-Problem von Joe Biden

  • Bastian Brauns
Von Bastian Brauns, Washington

Aktualisiert am 19.10.2022Lesedauer: 4 Min.
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Joe Biden in Eislaune: "Unsere Wirtschaft ist höllenstark"Vergrößern des Bildes
Joe Biden in Eislaune: "Unsere Wirtschaft ist höllenstark" (Quelle: KEVIN LAMARQUE / Reuters)

Drei Wochen vor den Zwischenwahlen versucht der US-Präsident, gute Laune zu verbreiten. Doch die Amerikaner haben ein großes Problem damit.

Eigentlich ist es nur ein kleiner, scheinbar unbedeutender Videoschnipsel von Joe Biden. Aber in drei Wochen finden in den USA die wichtigen Zwischenwahlen statt. Und die Szene in einer Eisdiele im Bundesstaat Oregon steht fast sinnbildlich für den vielleicht größten Fehler der Demokraten im Wahlkampf.

Zu sehen ist der US-Präsident bei einem seiner Lieblingshobbys: Er isst Eis bei Baskin Robbins, einer an der Westküste bekannten Eiscafé-Kette. Joe Biden mit einer Eistüte, eine Szene, wie man sie schon oft gesehen hat: In Anwesenheit von Kameras soll das vor allem in Wochen, in denen es politisch nicht so rund läuft, entspannt und volksnah wirken.

Einigermaßen entlarvend aber scheint, was Joe Biden auf die Frage eines Reporters antwortet. "Our economy is strong like hell", sagt er in die Kamera und betont damit, wie unfassbar gut die amerikanische Wirtschaft dastehe. Er mache sich vor allem Sorgen "um den Rest der Welt". Die "Inflation", so Biden, sei in anderen Teilen der Erde noch viel schlimmer als in den USA. Das Problem sei die Schwäche anderer Staaten, aber nicht die von Amerika.

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Das größte Problem der Demokraten

Entlarvend ist das deshalb, weil die Demokraten und ihr Präsident ein Thema im Wahlkampf so gut wie möglich vermeiden. Denn die Wirtschaft ist Bidens größtes Problem vor den Zwischenwahlen. Noch geht es zwar weniger um fehlende Arbeitsplätze, aber darum umso mehr um die dramatische Inflation und ihre Auswirkungen. Erst vergangene Woche wurde der Bericht über den Verbraucherpreisindex für September veröffentlicht.

Die schlechte Botschaft: Die Preise sind noch schneller gestiegen als bisher. Und diese rasante Teuerung ist für sehr viele Amerikaner bis weit hinein in die Mittelschicht äußerst schmerzhaft. Gerade die eigene Wählerklientel ist davon betroffen.

Während die US-Regierung verzweifelt und sogar halbwegs erfolgreich versucht, wenigstens die Benzinpreise zu drücken, klettern die Preise für Mieten, Lebensmittel und Dienstleistungen immer weiter. Zerknirscht muss Biden angesichts dieser Zahlen zugeben, dass die Amerikaner "wegen der Lebenshaltungskosten unter Druck stehen". Der Präsident bemüht sich zwar, die erzielten Erfolge im Kampf gegen die Inflation, etwa bei der Preisregulierung von Medikamenten, in den Vordergrund zu stellen. Muss aber einräumen: "Selbst angesichts dieser Fortschritte sind die Preise immer noch zu hoch."

Häme des politischen Gegners

Alles in allem bleiben es sehr schlechte Nachrichten für die Demokraten vor den Midterms. Während sie die Aufmerksamkeit einmal mehr auf gesellschaftspolitische Themen lenken, haben die Republikaner genug womöglich entscheidende Munition, um gegen die Wirtschaftskompetenz der Biden-Regierung zu feuern.

Besonders gern attackiert Donald Trump seinen Amtsnachfolger Biden zudem wegen dessen Börsenpolitik. In seinem eigenen sozialen Netzwerk "Truth" betont der Ex-Präsident immer wieder, wie gut sich die Kurse während seiner Regierungszeit entwickelt hätten. Für viele Amerikaner sind Aktien-Nachrichten nach wie vor deutlich wichtiger als etwa in Deutschland. Laut einer Umfrage von Gallup gaben 58 Prozent der Befragten an, Geld an der Börse angelegt zu haben.

Es ist kein Wunder, dass die Wahlkampf-Teams der "Grand Old Party" (GOP) und die vielen konservativen bis rechtsextremen TV-Sender jetzt diese kleine Biden-Szene aus der Eisdiele in Oregon verbreiten. Die Botschaft der Republikaner, die bei den Wählerinnen und Wählern verfangen soll: Ein abgehobener Präsident nimmt eure finanziellen Nöte nicht ernst.

In einem Interview mit "NBC" machte sich der Trump-Kandidat für den Senat aus dem hochumkämpften Bundesstaat Georgia, Herschell Walker, zuletzt lustig über Bidens Lust auf Süßes. Ob er eine Sache nennen könne, die Biden geschafft hat, die er unterstützen würde, fragt die Moderatorin. "Er isst sehr viel Eiscreme", antwortet Walker.

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Die Zahlen lügen nicht

Womöglich sind es weniger derlei Wahlkampfscharmützel der Republikaner und deren Zielgruppe, die für die Demokraten gefährlich werden. Aber das Thema zeigt klar auf die empfindlichste Schwachstelle. Nicht nur renommierte Meinungsforschungsinstitute wie das "Pew Research Center" weisen immer wieder auf eines hin: Wirtschaft ist auch bei den Zwischenwahlen 2022 für 77 Prozent der befragten Wählerinnern und Wähler mit Abstand das entscheidende Thema. Es folgen die Waffengesetzgebung mit 65 Prozent, Gewaltverbrechen und die Gesundheitsversorgung mit 60 Prozent.

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Schon lange gehört ein ganz bestimmter Satz zu den politischen Binsenweisheiten. Mit dem Wahlkampfslogan "It's the economy, stupid!" gewann Bill Clinton einst 1992 die US-Präsidentschaftswahlen gegen den Amtsinhaber George W. Bush. Frei übersetzt lautet er: "Es kommt auf die Wirtschaft an, Dummkopf!" Gemeint ist damit letztlich, dass bei wichtigen Abstimmungen, wie den anstehenden amerikanischen Zwischenwahlen, vor allem eine Frage Bedeutung hat: Haben die Menschen genug Geld in der Tasche?

Angesichts der aktuellen Entwicklungen wandert drei Wochen vor den Wahlen derzeit eine wechselfreudige, entscheidende Wählergruppe von den Demokraten zu den Republikanern. Insbesondere Frauen scheinen den Wirtschaftsversprechen der GOP, die unter anderem "Steuersenkungen" lauten, mehr Glauben zu schenken als den Bemühungen von Biden und den Demokraten. Der Versuch, Frauen mit dem für sie wichtigen Abtreibungsthema zu überzeugen, könnte am Ende nicht ausreichen. Eine aktuelle, von der "New York Times" in Auftrag gegebene Umfrage scheint diese Befürchtungen zuletzt zu belegen.

Ob Russlands Krieg in der Ukraine, die andauernden Folgen der Pandemie oder Naturkatastrophen wie zuletzt der Hurrikan "Ian": Egal, wie ursächlich derlei internationale Entwicklungen an der wirtschaftlichen Situation der Amerikaner auch sein mögen. Egal, wie oft die Demokraten das noch betonen werden. Egal, wie oft der US-Präsident noch Eis essen gehen wird.

Am Ende könnte die Erzählung der Republikaner von der sogenannten "Bidenflation" Anfang November den Ausgang der Wahl entscheiden. Wenn es ganz schlecht läuft, verlieren die Demokraten nicht nur die Mehrheit im Repräsentantenhaus, sondern auch im Senat.

Dann wäre das Desaster komplett. Aus fröhlicher Eislaune würde schnell frostige Stimmung, auch gegen Joe Biden und seine möglichen Pläne zur Wiederwahl. Eine Tüte Eis bei Joe Bidens Lieblingseisdiele "Jeni's" in Washington kostet einschließlich Steuern übrigens schlappe 8,53 US-Dollar. Der Mindestlohn in der Hauptstadt beträgt für Angestellte ohne Trinkgeld 5,35 US-Dollar. Der Wirtschaft geht es prächtig, sagt der Präsident.

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