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US-Wahl 2020: So weit geht Trump bei dem Versuch die Wahl noch zu gewinnen


Feldzug gegen die Wahl
Trump knöpft sich die Entscheider persönlich vor

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier, Washington

Aktualisiert am 20.11.2020Lesedauer: 5 Min.
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Donald Trump: Der US-Präsident geht in Michigan mit seinem Feldzug gegen das Wahlergebnis weiter als nirgends sonst.Vergrößern des Bildes
Donald Trump: Der US-Präsident geht in Michigan mit seinem Feldzug gegen das Wahlergebnis weiter als nirgends sonst. (Quelle: Tom Brenner/Reuters-bilder)

Donald Trump will seine Wahlniederlage in einen Sieg verwandeln. Selbst wenn alles gegen ihn spricht. Im Bundesstaat Michigan geht er dafür so weit wie bisher nirgends sonst.

Am späten Dienstagabend hat Monica Palmer auf einmal Donald Trump am Apparat.

Palmer hat einen stressigen Tag hinter sich. Die Republikanerin sitzt in einem Gremium, das im Bezirk Wayne County in Michigan das Wahlergebnis überprüft. Biden hat den Bezirk klar gewonnen. Mit ihrem republikanischen Kollegen hatte sich Palmer in einer stundenlangen Sitzung zunächst geweigert, das Ergebnis zu zertifizieren, nur um kurze Zeit später nach einem öffentlichen Aufschrei doch noch einzulenken.

Am Mittwochmorgen haben es sich die beiden Republikaner dann plötzlich anders überlegt. Ihre Zustimmung zum Ergebnis, die wollten sie doch lieber wieder zurückziehen. Nach dem Telefonat mit Trump.

Michigan ist das bisher weitreichendste Beispiel für Donald Trumps Versuch, die Wahl und damit die Demokratie zu untergraben. In anderen umkämpften Bundesstaaten versuchen seine Anwälte noch, mit einer Flut von meist aussichtslosen Klagen Chaos anzurichten und Zweifel zu säen. In Michigan nimmt Trump die Sache jetzt persönlich in die Hand – mit recht unverhohlenem Druck.

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Ein schwaches Argument schwach vorgetragen

Der Fall Monica Palmer ist nur ein Hinweis auf seine Taktik, wenn auch ein besonders alarmierender. Am Dienstag war es in dem Gremium sowieso schon zum Eklat gekommen. Palmer und ihr republikanischer Kollege, der später auch einen Trump-Anruf bekommen haben soll, wollten die Ergebnisse zunächst nicht bestätigen und stellten sich gegen die zwei Demokraten in dem überparteilichen Gremium.

Sie argumentierten, dass es kleine Abweichungen gebe zwischen der Zahl der tatsächlichen Stimmen und der Zahl derjenigen Bürger, die den Aufzeichnungen zufolge abgestimmt haben sollen. Solche Abweichungen sind Experten zufolge recht normal und passieren etwa, wenn ein Wähler zur Abstimmung kommt und registriert wird, dann aber wegen der langen Wartezeit doch wieder geht.

Die Fehler waren sehr klein, bei weitem nicht genug, um die komfortable Führung Bidens in Michigan von mehr als 148.000 Stimmen auch nur ansatzweise zu gefährden. Ein schwacher Grund, um das Wahlergebnis im größten Bezirk Michigans nicht zu zertifizieren.


Doch die Republikaner untergruben ihre Position weiter. Sie erklärten sich bereit, das Ergebnis in allen Unterbezirken zu zertifizieren, nur nicht in der Stadt Detroit. Dort sind 80 Prozent der Einwohner Schwarze, was Palmer und ihrem Kollegen den Vorwurf des Rassismus einbrachte. Zudem hat Joe Biden in Detroit viele Stimmen geholt. An Zufall glaubten da viele nicht. Die geringen Abweichungen, das Hauptargument gegen die Zertifizierung, gab es zudem sowohl in Detroit als auch in den Unterbezirken, die die Republikaner akzeptieren wollten.

Wen sollte das überzeugen?

Trump-Team zieht Klage in Michigan zurück

Es folgten also der öffentliche Aufschrei gegen die Blockade, das Einlenken, die Anrufe Trumps und am nächsten Morgen der Wunsch der zwei Republikaner, ihre Zustimmung wieder zurückzuziehen.

Palmer bestritt in einem Gespräch mit der "Washington Post", dass Trump Druck auf ihr Votum ausgeübt habe. "Er wollte sichergehen, dass es mir gut geht, nachdem er von den Drohungen gehört hatte", sagte sie. Klingt nett. Die Wahlleiterin in Michigan, Jocelyn Benson, die qua Amt vorsichtig formulieren muss, fand im Gespräch mit CNN ein anderes Wort für die Anrufe: unangemessen. Eine explizite Anweisung Trumps braucht es für dieses Urteil gar nicht. Immerhin hatte ein Kandidat in einer Wahl diejenigen Offiziellen angerufen, die über das Ergebnis mitentscheiden. Und die ihr Votum danach tatsächlich revidieren wollten.

Letztlich kamen die Republikaner mit ihrem Rückzieher nicht durch. Einmal zertifiziert, könne das Ergebnis nicht mehr zurückgenommen werden, stellte ein Sprecher der Wahlleiterin klar. Zustimmung ist Zustimmung.

Das Trump-Team nahm das jedoch offenbar nicht zur Kenntnis – oder entschied sich, es nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen. Am Donnerstag zogen die Anwälte eine große Klage in Michigan zurück mit der Begründung, die "verfrühte Zertifizierung" in Wayne County sei gestoppt worden. Damit habe man erreicht, was man wollte. Experten hatten dieser Klage genau wie vielen anderen wenig bis keine Chancen auf Erfolg zugesprochen – womöglich der eigentliche Grund für diesen Rückzieher.

Trumps zweite außergewöhnliche Intervention

Donald Trump jedenfalls sieht sich offensichtlich noch nicht am Ziel. Er hat laut US-Medien für diesen Freitag republikanische Parlamentarier aus Michigan zu sich ins Weiße Haus eingeladen. Die "New York Times" berichtet, Trump werde sich am späten Nachmittag mit dem Mehrheitsführer des Senats von Michigan, Mike Shirkey, und dem Sprecher des Repräsentantenhauses dort, Lee Chatfield, treffen.

Es ist Trumps zweite vollkommen außergewöhnliche Intervention innerhalb weniger Tage. Worum es bei dem Treffen genau gehen soll, ist bisher nicht bekannt. Dass es kein Kaffeekränzchen wird, scheint aber klar. Zumal es zu einem Szenario passt, das schon länger als mögliche Taktik des Trump-Teams diskutiert wird, um Ergebnisse in umkämpften Staaten zu drehen.

Das republikanisch dominierte Parlament in Michigan könnte sich theoretisch dafür entscheiden, den ganzen Wahlprozess wegen all des vermeintlichen Betrugs nicht anzuerkennen – und einfach selbst die 16 Wahlmänner des Staates entsenden. Natürlich für Trump. So könnte es sogar dazu kommen, dass zwei konkurrierende Gruppen von Wahlmännern aus Michigan aufgestellt werden: eine durch den regulären Prozess für Biden, und eine durch das Parlament für Trump.

Ein unwahrscheinliches Szenario

Es ist ein sehr unwahrscheinliches Szenario, schon rein theoretisch. Die beiden führenden Republikaner, die Trump eingeladen hat, haben sich zudem schon vorher dazu bekannt, dass in Michigan der Kandidat mit den meisten Stimmen die Wahlmänner zugesprochen bekommt. Das schließt solche Aktionen eigentlich aus.


Selbst wenn es doch dazu käme, würde der Supreme Court oder der US-Kongress entscheiden müssen. Und ohne nachgewiesenen, weitverbreiteten Wahlbetrug spricht alles für den regulären Prozess und damit die Biden-Wahlmänner.

Doch vielleicht kommt es in Michigan schon zum erneuten Eklat, bevor dieses Szenario eintreten kann. Am Montag soll das Wahlergebnis des gesamten Staates zertifiziert werden. Wie in den einzelnen Bezirken ist dafür auch auf Ebene des Bundesstaates ein überparteiliches Gremium zuständig, zwei Republikaner, zwei Demokraten. Auch hier könnten sich die Republikaner querstellen. Dass Trump das will, hat er ja ausreichend klar gemacht. Folgen würde ziemlich sicher: ein Rechtsstreit.

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Dass Trump sich durchsetzt, ist auch dann unwahrscheinlich. Und der Noch-Präsident hat ein viel größeres Problem: Selbst wenn er allen Wahrscheinlichkeiten zum Trotz Michigan dreht und 16 Wahlmänner bekommt, hat er die Wahl noch immer längst nicht gewonnen. Biden hat 306 Wahlmänner, Trump nur 232. Er bräuchte dieses Wunder in mehreren Staaten.

Trump hält das natürlich nicht ab. Er schaut einfach, wie weit er gehen kann.

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