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Ausblick auf US-Politik 2021: Der lange Schatten des Donald Trump


Ausblick auf die US-Politik 2021
Trumps nächste Rolle: Schattenpräsident


31.12.2020Lesedauer: 6 Min.
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Donald Trump vor der US-Flagge: Er bleibt auch nach der Abwahl eine mächtige Figur.Vergrößern des Bildes
Donald Trump vor der US-Flagge: Er bleibt auch nach der Abwahl eine mächtige Figur. (Quelle: Jonathan Ernst/reuters)

Was für ein Jahr! In der US-Politik mündete 2020 in einer beispiellosen Wahlschlacht. Der Schaden ist noch nicht zu beziffern, aber klar ist: Donald Trump genießt auch in Zukunft große Macht.

Es war ein atemloses Jahr für die Amerikaner. Donald Trump gab den Takt vor, hatte die Aufmerksamkeit seiner Nation erneut fest im Griff, zumindest bis über ihn Entwicklungen hereinbrachen, die er selbst nicht im Griff hatte.

Da war der erbittert geführte Wahlkampf und der anschließende Kampf um die Wahl, den Trump bis in die letzten Tage des Jahres nicht aufgeben wollte. Doch bereits in diese zermürbende Auseinandersetzung ging Amerika als gebeutelte, erschöpfte und tief zerstrittene Nation.

2020 begann, längst vergessen, mit dem Verfahren zur Amtsenthebung Trumps. Es war erst das dritte Mal in der US-Geschichte, das dem Präsidenten der Prozess gemacht wurde. Trump konnte auf seine Parteifreunde zählen – der Senat sprach ihn im Schnellverfahren frei, ohne Zeugen auch nur anzuhören. Am Tag danach hielt er im Weißen Haus stolz die Titelseite der "Washington Post" in die Kameras: "Trump freigesprochen".

Trump konnte weder Nation noch sich selbst schützen

Es war Anfang Februar, und intern war der Präsident da bereits vor der Gefahr durch ein neuartiges Coronavirus gewarnt worden. Doch das behielt er für sich.

Im Februar fraß sich das Virus unbemerkt durchs Land. Im März spielte Trump die Gefahr auf eigens einberufenen Corona-Briefings immer wieder herunter. Im April machte er Werbung für vermeintliche Wundermittel. Eine Aufforderung zum Tragen von Masken schwächte er im Moment der Verkündung wieder ab: “Ihr könnt das tun, aber ihr müsst es nicht. Ich entscheide mich, es nicht zu tun.” Noch nicht einmal sich selbst konnte er schützen: Im Oktober verbrachte der bestgeschützte Mann auf Erden nach einer Infektion vier Tage im Militärkrankenhaus.

Der Präsident sah das Virus stets als PR-Problem. Er gab sich keine Mühe, eine landesweite Strategie zu formulieren oder durchzusetzen. Im Gegenteil: Proteste gegen Einschränkungen des öffentlichen Lebens durch demokratische Gouverneure feuerte er noch an.

Auch deshalb erwischte es die USA schwerer als vergleichbare Länder. Zu keinem Zeitpunkt war das Virus in Amerika unter Kontrolle. Am Jahresende stehen mehr als 340.000 Covid-Tote zu Buche.

Black Lives Matter vs. Law and Order

Ab Ende Mai – gerade als sich die Corona-Lage kurzzeitig etwas zu entspannen begann – rollte die nächste Krise durch Amerika. Es war ein Video aus Minneapolis, das sie auslöste. 8 Minuten und 46 Sekunden kniet ein weißer Polizist auf dem Hals des Schwarzen George Floyd, der klagte und flehte: "Ich kann nicht atmen."

Floyd starb, das Video einer Passantin löste einen Aufstand in Minneapolis sowie Proteste im gesamten Land aus. Es ging um Polizeigewalt gegen Schwarze, um das Erbe von Rassismus und Sklaverei: um nicht weniger als Amerikas Selbstbild. Denkmäler von Südstaaten-Generalen wurden vom Sockel gestürzt. Mit auf den Straßen: viele Weiße, die befanden, es sei an der Zeit, ehrlicher mit der eigenen Geschichte umzugehen.

Trump konnte damit nichts anfangen. Er fand keine Worte für den Alltagsrassismus, schickte die Nationalgarde in die Städte, wo sich Gewalt in den Protest mischte. In Washington verbarrikadierte er sich im Weißen Haus und ließ sich von Einheiten gewaltsam den Weg freiräumen, als er vor einer Kirche ein Foto mit Bibel in der Hand schießen wollte. Er sprach ausschließlich über die Minderheit, die gewaltvoll demonstrierte, und zog in den "Law and Order"-Wahlkampf.

Doch das Kalkül ging nicht auf: Mit dem Protest und seiner Antwort darauf rutschte Trump in den Umfragen zur Wahl noch einmal deutlich ab – seine Werte bleiben bis zum Wahltag schlecht. Sein Gegner Joe Biden verurteilte Gewalttäter ebenfalls, aber er konnte zugleich über Rassismus und Diskriminierung sprechen.

Biden lieferte, was Trump nicht konnte

Biden hatte sich mit 77 Jahren im Vorwahlkampf gegen linke Kandidaten wie Bernie Sanders durchgesetzt und vor allem mit zwei Versprechen gepunktet: Er stellte der ausgelaugten Nation in Aussicht, dass er sie wieder in eine Art von Normalität führen werde. Und er zeigte etwas, das im Krisenjahr 2020 hoch im Kurs stand: Mitgefühl.

Biden machte wegen Covid einen äußerst vorsichtigen, meist virtuellen Wahlkampf. Er konnte insbesondere bei älteren Wählern punkten und bei der oberen Mittelschicht in den Vorstädten – seine Zugewinne bei diesen Gruppen bescherten ihm letztlich den Wahlsieg.

Dieser fiel weniger eindeutig aus als es zuvor die Umfragen nahegelegt hatten. Die "blaue Welle", die Beobachter unter Bezug auf die Parteifarbe der Demokraten prognostiziert hatten, kam einfach nicht. Im Repräsentantenhaus konnte die Partei die Mehrheit halten, büßte allerdings neun Sitze ein. Die Rückeroberung der Mehrheit im Senat fiel aus – theoretisch besteht dazu noch Anfang Januar die Chance, wenn der Bundesstaat Georgia die Stichwahlen für seine zwei Senatssitze abhält.

Ein Votum gegen Trump – nicht für die Demokraten

Die Wahl war letztlich vor allem ein Votum gegen Trump – und keines für die Demokraten. Bidens Sieg wurde von der Stärke der Republikaner und von Trumps Feldzug gegen das Wahlergebnis überschattet.

Interessieren Sie sich für die US-Politik? Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus, seine Eindrücke aus den USA und den Übergang von Donald Trump zu Joe Biden einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Was Trump tat, war so beispiellos wie erwartbar. Schon vor der Wahl hatte er monatelang die Erzählung befördert, dass die durch Corona ausgebaute Briefwahl zu Betrug führen würde. Als klar wurde, dass in manchen der umkämpften Bundesstaaten die Auszählung der nun vor allem von Demokraten genutzten Briefwahl Tage dauern würde, reifte der Plan, sich vorzeitig als Wahlsieger auszurufen, bevor sich das Blatt wendet. Um halb drei in der Wahlnacht tat Trump dies tatsächlich aus dem Weißen Haus auch.

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Für einen angeblichen Wahlbetrug konnten er und sein Gehilfe Rudy Giuliani keine Belege liefern. Dennoch spann er seine Erzählung weiter, auch als Biden von den Medien vier Tage später als Sieger ausgerufen wurde, als ein eng umkämpfter Bundesstaat nach dem anderen das Ergebnis zertifizierte, als alle Nachzählungen und Klagen keinen Erfolg brachten.

Die Dolchstoßlegende und ihre Folgen

Trump verankerte eine Dolchstoßlegende für jenen Teil Amerikas, der ihn zum Helden hat. In den Wochen nach der Wahl verkniff sich eine Mehrheit der Parlamentarier der Republikaner jegliches Eingeständnis, dass Biden die Wahl gewonnen hatte. Und an der Wählerbasis der Partei gab ebenfalls eine Mehrheit an, dass sie an den von Trump behaupteten Wahlbetrug glaube. Den Schaden, den dabei die US-Demokratie nimmt, lässt sich noch nicht beziffern.

Für Joe Biden wird das Regieren schon ohne eine Mehrheit im Senat schwer. Noch stärker dürfte ihn behindern, dass Dutzende Millionen Amerikaner ihn nicht als Präsidenten anerkennen werden.

Biden ging trotz allem den Übergang zum Regieren systematisch an. Er berief rasch Vertraute auf wichtige Minister- und Beraterposten. Es sind, anders als bei Trump, viele Frauen, Latinos, Schwarze vertreten.

Die Gräben sind tief wie nie

Die Abfolge zeigte seine Prioritäten: Als erstes präsentierte er Außen- und Sicherheitsberater – deren erklärtes Ziel es ist, dass die USA nach Jahren von "America First" sich wieder international einbringen. Es folgten Wirtschafts- und Gesundheitsberater – schließlich erbt der Demokrat nicht nur die Corona- sondern auch eine schwere Wirtschaftskrise.

Kann Biden sein größtes Versprechen erfüllen und endlich wieder Normalität herstellen? Die ersten Hinweise werden die Anhörungen seiner berufenen Minister im Senat liefern. Die Kammer muss die Personalien bestätigen. Der politische Graben, den er zuschütten will, ist nach dem Jahr 2020 jedenfalls so tief wie noch nie.

Die Seiten können sich weder auf den richtigen Umgang mit Corona noch auf einen ähnlichen Blick auf Amerikas Geschichte einigen – und nun nicht einmal auf ein Wahlergebnis 2020.

Trump als Schattenpräsident

Trump gibt weiterhin den Ton der republikanischen Partei an. Mit der Erzählung des angeblichen Wahlbetrugs hat er sich die Machtbasis für die erste Zeit nach dem Weißen Haus gesichert. Für ein Drittel der Amerikaner bleibt er der Held, der von Feinden nur mit unfairen Mittel besiegt werden konnte.

Zwar erwarten den Privatmann Trump zahlreiche unangenehme Dinge, vor denen er dank der Immunität für Präsidenten geschützt war: Es gibt mehrere Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung oder Verstoß gegen die Wahlkampffinanzierung und Forderungen seiner Gläubiger wie der Deutschen Bank. Doch der Politiker Trump hat seine Macht im Kosmos der Republikaner vorerst gefestigt.

Schon kurz nach dem Abschied aus dem Weißen Haus dürfte er seine Kandidatur für die Wahl 2024 ankündigen. Ob er dann im Alter von 78 Jahren wirklich noch einmal antritt, ist eine nachgeordnete Frage. Allein die Ankündigung erlaubt es ihm, weiterhin Spendengelder einzusammeln und Einfluss auf die Partei auszuüben. Schon in den vier Wochen nach der Wahl konnte er für den Kampf gegen den angeblichen Wahlbetrug 175 Millionen Dollar eintreiben.

Womöglich nimmt Trump zunächst eine Rolle als Schattenpräsident ein, der das Wirken seines Nachfolgers unablässig verunglimpft. Zwar soll ein Ex-Präsident nach dem Abschied aus dem Weißen Haus zur Tagespolitik schweigen, doch es wäre nur konsequent, wenn der große Tabubrecher Donald Trump auch gegen diese Gepflogenheit verstößt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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