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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Grünen-Politikerin über Trump "Der Kaiser ist nackt"

Die Welt ringt um den richtigen Umgang mit Donald Trump. Auf Veranstaltungen in Washington DC zeigte sich nun, warum sich die Aussichten Europas verbessert haben könnten – es aber schwierig bleibt.
Kommt Donald Trump zur Vernunft, zumindest ein wenig? Der US-Präsident lenkte zuletzt in der Zollpolitik mehrfach ein. Auch Trumps Vizepräsident JD Vance verblüffte die Beobachter in der vergangenen Woche. Auf Veranstaltungen der Münchner Sicherheitskonferenz in Washington DC bemühte er sich merklich um einen versöhnlicheren Ton gegenüber Europa.
Die Grünen-Politikerin Jamila Schäfer war als eine der wenigen Bundestagsabgeordneten dabei. Sie hat Vance zugehört, mit Vertretern der Zivilgesellschaft und der berühmten Trump-Widersacherin Nancy Pelosi gesprochen. Es gebe zwar keinen Grund zur Entwarnung, erzählt Schäfer im Interview mit t-online. Aber doch Zeichen der Hoffnung.
t-online: Sie waren gerade in Washington und haben viele Politiker gesprochen und gehört. Sind Sie jetzt besorgter oder beruhigter, was den Kurs von Donald Trump angeht?
Jamila Schäfer: Beides, ehrlich gesagt.
Das bedeutet?
Der US-Vizepräsident JD Vance hat auf der Konferenz einen sehr gemäßigten Ton angeschlagen. Er war bemüht, Scherben zusammenzukehren. Das war ein gutes Signal. Und eben ganz anders als noch im Februar bei der Sicherheitskonferenz in München, wo wir von ihm ja wirklich zerstörerische Rhetorik für das transatlantische Verhältnis gehört haben.
Damals hatte er die Bedrohung durch Russland runtergespielt und als größtes Problem Europas die angeblich bedrohte Meinungsfreiheit ausgemacht.
Genau. Die US-Administration sieht offensichtlich, dass sie den Europäern nicht vollends vor den Kopf stoßen kann. Und dass manche Probleme, für die sie sehr simple Lösungen präsentiert hat, doch nicht so einfach zu lösen sind.
Die Gesprächspartnerin
Jamila Schäfer, 32 Jahre, sitzt seit 2021 für die Grünen im Bundestag. Damals gewann sie im Münchner Süden das erste Direktmandat der Grünen in Bayern. Von 2018 bis 2022 war sie stellvertretende Vorsitzende der Grünen. Sie ist gehört dem linken Parteiflügel an.
Und was hat Sie besorgt?
Donald Trump ist weiter unberechenbar. Wir dürfen nicht naiv sein. Er macht eine interessengeleitete Politik und keine wertegeleitete. Die Trump-Administration will mit Druck und Deals ihren Einfluss ausweiten und multilaterale Institutionen schwächen. Und einige Republikaner haben gesagt: Hat doch super geklappt mit den harten Bandagen, die wir im Februar angesetzt haben und dem Druck auf euch Europäer. Wir haben ja bekommen, was wir wollten: höhere Militärausgaben in Europa, Rohstoffdeal mit der Ukraine und so weiter.
Trump, das Mastermind?
So sehen es viele Republikaner. Die Breitbeinigkeit der Trumpisten ist bemerkenswert. Gleichzeitig inszenieren sie sich ständig als Opfer. Ihre Strategie ist an vielen Stellen sehr widersprüchlich. Außerdem unterschätzen sie immer wieder komplexe Probleme, was sich ja auch an der Ukrainepolitik zeigt. Sie wollten ja eigentlich nach 24 Stunden einen Friedensdeal haben und merken nun, dass das gar nicht so einfach ist, vor allem wenn der Aggressor gar kein Interesse an Frieden hat. Man darf den Anteil an Selbstüberschätzung, Chaos und Zufällen in Trumps Politik nicht unterschätzen. Der Kaiser ist nackt. Trump ist an vielen Stellen dieser nackte Kaiser. Aber in der Auswirkung ist seine Politik trotzdem gefährlich, vielleicht auch, gerade weil er so unberechenbar ist.
Welche Auswirkungen meinen Sie?
Es läuft ein massiver Umbau der Zivilgesellschaft und Verwaltung, und zwar in rasendem Tempo. Trump fährt einen beispiellosen Angriff auf die demokratischen Institutionen. In den Verwaltungen, aber auch in staatlich mitfinanzierten Organisationen werden massiv Leute entlassen, weil sie nicht loyal zu Trump sind. Arbeitsrechte werden ignoriert und viele trauen sich nicht, sich rechtlich dagegen zu wehren, weil sie eingeschüchtert werden. Es ist erschreckend, wie schnell das geht und wie durch diese Angst der Widerstand leise bleibt.
Welchen Eindruck hatten Sie, wie sich die Trump-Regierung bei der Zollpolitik verhalten wird?
JD Vance hat zumindest öffentlich auf der Veranstaltung eine reziproke Zollpolitik gefordert. Also einen euroatlantischen Wirtschaftsraum mit guten Handelsbeziehungen. Wie konstruktiv die Gespräche zwischen EU und USA gerade in diese Richtung laufen, kann ich nicht einschätzen. Aber ich kann mir vorstellen, dass sich die USA da insgesamt mäßigen. Denn die rigorose Zollpolitik hat der US-amerikanischen Wirtschaft ja massiv geschadet. In rasendem Tempo wurde der Dollar entwertet und das Vertrauen an den Aktienmärkten ging verloren. Das hat, glaube ich, zu einem Umdenken der US-Administration geführt. Trump weiß, dass seine Macht natürlich auch vom wirtschaftlichen Erfolg abhängt.
Das andere schwierige Thema ist die Ukraine. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte vergangene Woche "große Hoffnung" für eine Waffenruhe in der Ukraine geäußert. Was war ihr Eindruck, hat sich der Kurs der USA positiv verändert?
Ich habe da große Zweifel. Eher hat sich Ernüchterung eingestellt, dass das mit dem Frieden komplizierter ist als gedacht. Das hat man bei Vance, aber auch anderen Diplomaten und Republikanern herausgehört. Vance hat aber auch diesmal in seiner Rede nicht klar benannt, wer Angegriffener und wer Aggressor ist. Was es gibt, ist eine Zerstrittenheit der Republikaner bei der Analyse der Situation. Also zum Beispiel bei der Frage, wie man die Bereitschaft Russlands zu Frieden bewertet. Deshalb fürchte ich, dass es weiter eine sehr erratische Politik geben wird.
Was würden Sie Friedrich Merz raten, wie er mit Trump umgehen soll, wenn er ihn bald trifft?
Wir sollten das Angebot der konstruktiveren Tonlage annehmen und nicht diejenigen sein, die die Scheidungspapiere einreichen. Trotzdem sollten wir nicht naiv sein. Wir können sicher an entscheidenden Stellen zusammenarbeiten. Aber Europa muss seine sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit zugunsten einer auf Kooperation und Recht basierten Weltordnung selbst in die Hand nehmen. Die konstruktivere Tonlage von Vance verschafft uns wahrscheinlich Zeit, die wir nutzen sollten. Wir müssen verhindern, dass Autokratien wie China in die Lücken stoßen, die die US-Administration hinterlässt.
Sehen Sie eine vielversprechende Strategie bei den US-Demokraten, um gegen Donald Trump anzukommen?
Ein Lichtblick ist die Fighting-Oligarchie-Tour von Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez. Die mobilisieren aktuell Zehntausende gegen die Macht von Oligarchen. Das ist schon beeindruckend. Ich hatte auch Gelegenheit, mit Nancy Pelosi persönlich zu sprechen …
… die frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses und berühmte Widersacherin Donald Trumps.
Genau. Nancy Pelosi hat bestätigt, dass gerade viele junge Menschen keine Lust haben, sich ihre Freiheit von fossiler Lobby und korrupten Milliardären wegnehmen zu lassen. Sie hat für eine internationale Demokratiebewegung geworben, in der ökologische Fragen und Fragen der Freiheit nach vorne gestellt werden. Das halte ich für den richtigen Weg. Allerdings gibt es bei den Demokraten eben auch diejenigen, die sich eher abschotten wollen und diejenigen, die Trump aussitzen wollen und sich der Angst hingeben. Diese mehrfache strategische Zerstrittenheit schwächt die Demokraten gerade.
Frau Schäfer, vielen Dank für das Gespräch.
- Gespräch mit Jamila Schäfer (Grüne) am 9. Mai 2025