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Bundeswehr: Panzerbrigade in Litauen – Merz und Pistorius in Vilnius


Neue Brigade in Litauen
Ein veraltetes Konzept

MeinungEin Gastbeitrag von Julius von Freytag-Loringhoven

22.05.2025 - 08:02 UhrLesedauer: 4 Min.
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Bundeswehrsoldaten in Litauen (Archivbild): Eine neue Bundeswehr-Brigade kommt. (Quelle: Maurizio Gambarini/imago-images-bilder)
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Die Bundeswehr stationiert eine Panzerbrigade als strategischen Posten in Litauen. Für Deutschland markiert dies einen bedeutenden sicherheitspolitischen Wandel.

Am heutigen Donnerstag findet der Aufstellungsappell der Bundeswehr-Panzerbrigade 45 am Kathedralenplatz der litauischen Hauptstadt Vilnius statt. Seit Tagen waren aus Deutschland und Litauen Beamte verschiedener Ministerien, Diplomaten und Soldaten in ständigen Abstimmungen für diesen Staatsakt mit militärischem Zeremoniell.

Denn die Aufstellung und dauerhafte Stationierung der Bundeswehr-Brigade in Litauen ist die erste sichtbare Veränderung im Sinne einer echten sicherheitspolitischen Zeitenwende für Deutschland. Vor der realen Sicherheitsbedrohung durch Russland gilt auch für Litauen die Stationierung als Paradigmenwechsel, die Deutschland katapultartig für Litauen zum wichtigsten Partner in Europa gemacht hat.

Merz unterstreicht Beistandspflicht

Bundeskanzler Friedrich Merz ist persönlich angereist, um im engen Terminplan der ersten Wochen seiner Amtszeit mit der Teilnahme an der Zeremonie ein klares Signal der neuen Priorisierung von Verteidigung und Beistandspflicht zu senden. Denn mit der Aufstellung der Brigade, die in den kommenden zwei Jahren von einigen Hundert Angehörigen auf knapp 5.000 anwachsen soll, ist Litauen wesentlicher Bestandteil der deutschen Politik geworden.

Nur zwei Jahre zuvor hatte der damalige wie heutige Verteidigungsminister Boris Pistorius mit der Bekanntmachung, dass die Brigade nicht nur für Litauen, sondern in Litauen stationiert werden würde, Fakten geschaffen. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Jahr zuvor hatte auch Großbritannien eine Brigade für Estland und Kanada eine Brigade für Lettland bereitgestellt, aber ohne diese komplett zu verlegen.

Für diesen feinen Unterschied gebührt Pistorius ein Platz in den Geschichtsbüchern beider Länder. Der schon in Deutschland beliebteste Bundespolitiker ist in den baltischen Staaten seitdem noch beliebter als in seiner Heimat.

(Quelle: FNF)

Zur Person

Julius von Freytag-Loringhoven leitet seit Oktober 2024 das neu gegründete Büro der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) im Baltikum, mit Sitz in Vilnius, Litauen. Zuvor war er unter anderem für die Stiftung in Moskau und Jerusalem tätig. Zuletzt leitete er die Kommunikation der Friedrich-Naumann-Stiftung. Von Freytag-Loringhoven ist Experte für internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik.

Merz und Pistorius gemeinsam bei litauischen Partnern

Der Bundeskanzler hat sich entschieden, heute alle Programmpunkte vom Staatsakt bis zu den Treffen mit Regierungschef und Präsidenten in Vilnius gemeinsam mit dem Verteidigungsminister Boris Pistorius zu bestreiten. Mit dem gemeinsamen Programm signalisieren beide Einigkeit in der Sache und ihrer Koalitionsregierung.

Beide eint, dass sie sich grundsätzlich um mehr Eindeutigkeit in ihrer Unterstützung der Ukraine bemühen, im Gegensatz zu Kanzler Olaf Scholz. Doch dem zum Trotz ist die Realität hinter der Rhetorik und den Ritualen nicht so fest, wie sie zu sein scheint.

Merz in Vilnius: Symbolik trifft Realität

Aus ukrainischer und litauischer Sicht hatte Merz mit Ukrainebesuchen und Klarheit die richtigen Signale gesendet. Die Unterstützung für die Ukraine wirkt robust, das Bekenntnis zu EU und Nato glaubhaft. Aber die Koalition bleibt zögerlich bei Fragen wie Wehrpflicht oder dem Ausbau des Bevölkerungsschutzes. Als Oppositionsführer hatte Merz Kanzler Scholz dafür kritisiert, die Waffenlieferungen an die Ukraine nicht transparent für die Öffentlichkeit nach außen zu kommunizieren – bis dieser es kontinuierlich begann.

Kaum im Amt, verkündete Merz in der vergangenen Woche aber, aus taktischen Gründen Waffenlieferungen nicht mehr in der Öffentlichkeit kommunizieren zu wollen. Die Forderung, hochpräzise Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, wurde – wie im Bundestag bekannt – nicht allein von Sozialdemokraten, sondern auch von den Parteifreunden von Merz in der Regierung aufgehalten.

Zwar wurden ernsthafte Ressourcen für die Wiederherstellung der Bundeswehr bereitgestellt. Aber niemand weiß, ob es dann auch konkrete Pläne gibt, die Strukturen der Bundeswehr zu reformieren, um sich dabei an den tatsächlichen Erfahrungen von der ukrainischen Front zu orientieren.

Gut vorbereitet ist man aber auf den guten Austausch mit den Partnern vor Ort. Ähnlich wie die Politiker haben sich auch die Soldaten auf den heutigen Tag gewappnet. Das Wachbataillon aus Berlin und das Heeresmusikkorps hatten gemeinsam mit Teilen der Brigade und litauischen Kameraden am Vortag Generalprobe am Kathedralenplatz. Schon vor zwei Wochen donnerten die ersten deutschen Helikopter über Vilnius, die heute als Teil der Zeremonie über den Platz fliegen, sie hatten die letzten Tage mit den litauischen Streitkräften trainiert.

Was Deutschland von Litauen lernen muss

Auf dem Platz voller Bundeswehrsoldaten stehen zahlenmäßig weniger Kameraden aus Litauen in Reih und Glied. Das täuscht aber darüber hinweg, dass die Soldaten viel besser in ein gesamtgesellschaftliches Verteidigungskonzept eingebunden sind. In Litauen gibt es mehr zivilgesellschaftlichen Einsatz für die Sicherheitsarchitektur, eine umfassendere Vorbereitung auf hybride Bedrohungen und eine breite gesellschaftliche Einbindung in die Landesverteidigung.

Man sieht den großen Schriftzug "We stand united" der Litauischen Schützenunion vor den Flaggen Litauens, Deutschlands und der Ukraine. Vielzählige Freiwillige der für den Heimatschutz in Litauen beauftragten Schützenunion tragen heute Uniform. Aber überall in Litauen wird deutschen wie litauischen Soldaten freudig für ihren Dienst an der Waffe gedankt und geplant, wie man diese im Ernstfall unterstützen kann.

Eine echte Zeitenwende verlangt in Deutschland einen ähnlichen Wandel im Denken. Verteidigung muss mehr Raum im öffentlichen Diskurs bekommen und kann nur echte Widerstandskraft aufbauen, wenn sie auch von der breiten Gesellschaft getragen wird. Auch die hohen Summen des Sondervermögens suggerieren in Deutschland noch, dass Sicherheit allein Aufgabe des Staates sei und bestenfalls der Bundeswehr. Ein veraltetes Konzept in einer Welt, in der auch hybride Angriffe auf Deutschland längst Alltag sind und in der ein konventioneller Angriff auf Nato-Gebiet keine abstrakte Möglichkeit, sondern eine reale Gefahr ist.

Lehren aus der Ukraine und Abschreckung neu organisieren

Die Einweihung der Brigade in Litauen ist ein historischer Schritt in die richtige Richtung – sicherheitspolitisch, symbolisch und bündnispolitisch –, sich gemeinsam für den Kampf für ein freies Europa zu verpflichten. Doch Deutschland, Bundeskanzler und Verteidigungsminister dürfen sich nicht mit Lippenbekenntnissen und Symbolen zufriedengeben.

Zuerst muss die Ukraine dazu in die Lage versetzt werden, den russischen Vormarsch zu stoppen und den Trend zu drehen. Allen voran die Ukraine, aber dann Litauen und die anderen baltischen Staaten können uns auch gut zeigen, was umfassende Verteidigung im 21. Jahrhundert bedeutet.

Gemeinsam Abschreckung gegen Russland – zur Not auch ohne die USA – zu organisieren, bleibt eine riesige Aufgabe. Die echte Feuertaufe steht Merz und Deutschland also noch bevor.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinungen der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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