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Merz und Trump im Oval Office: In diesem Moment hätte es kippen können


Merz und Trump
In diesem Moment hätte es kippen können


Aktualisiert am 06.06.2025 - 07:09 UhrLesedauer: 6 Min.
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Im Video: So reagiert Merz auf die Frage nach dem Ukraine-Krieg. (Quelle: reuters)
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Donald Trump und Friedrich Merz haben sich zum ersten Mal getroffen. Es lief besser, als viele zu hoffen wagten. Warum das trotzdem längst kein Grund zum Aufatmen ist.

Johannes Bebermeier und Bastian Brauns berichten aus Washington

Eigentlich müsste sich Friedrich Merz bei Angela Merkel bedanken. Als er da so sitzt neben Donald Trump, bei seinem ersten Auftritt im Oval Office, ist sie mehrmals so was wie der Eisbrecher. Ihre Politik schlecht zu finden, darauf können sich "Friedrich" und "Donald" sofort verständigen.

Angela Merkel ist für Donald Trump der böse Geist aus seiner ersten Amtszeit. Heute sitzt ihm keine Kanzlerin gegenüber, sondern ein Kanzler. Und dann auch noch einer, der seine ganz eigene schwierige Vergangenheit mit ihr hat. Trump scheint es zu genießen, mit ihm über Merkel zu lästern. Und Merz wehrt sich nicht gerade.

Als die Journalisten Trump etwa auf sein neues pauschales Einreiseverbot für Millionen von Migranten ansprechen, verteidigt er es, und begründet das mit der Sicherheit. "Ich hasse es, das vor dem Kanzler anzusprechen. Ihr habt da ja ebenfalls ein kleines Problem", sagt Trump zu Merz – und spendiert ihm gleich Entlastung: "Das war nicht dein Fehler. Aber ich hab's ihr gesagt. Ich hab's ihr gesagt."

Für Merz ist die Spitze gegen Merkels Flüchtlingspolitik von 2015 eine von vielen Gelegenheiten, in denen es viel Lob für den neuen Bundeskanzler gibt. Das ist schon viel, und wahrscheinlich ist es mehr, als viele erwartet hatten. Doch angesichts der ganzen Krisen auf der Welt war schon vorher klar, dass das eigentlich nicht reicht. Was also bleibt von diesem Tag im Weißen Haus?

Ein Minimalplan und ein großes Ziel

Der Bundeskanzler war natürlich mit einem Plan nach Washington gereist. Das Minimalziel lautete: "Good vibes" zu erzeugen, also die angeblich gute Verbindung der beiden in ihren Telefonaten ins echte Leben zu übertragen. Optimalerweise, so hofften einige in Berlin, könne sogar eine Männerfreundschaft für die nächsten gemeinsamen Jahre entstehen.

Allerdings war allen Beteiligten in Deutschland auch klar, dass ein freundliches Lächeln in die Kameras am Ende nicht ausreichen würde. Dafür gibt es eben doch zu viele Krisen gerade. Da wäre vorneweg die Ukraine. Das wichtigste Ziel hier: Trumps Interesse an diesem Krieg aufrechtzuerhalten. Obwohl viele glauben, dass er damit längst nichts mehr zu tun haben will. Und falls möglich, ihn vielleicht sogar dazu zu bringen, darüber nachzudenken, ob US-Sanktionen nicht doch eine gute Idee wären, um Putin zu echten Verhandlungen zu bewegen.

In Bezug auf die Nato war die Mission ganz ähnlich, und sie ist natürlich eng verwoben mit der Ukraine-Frage: Trump soll überzeugt werden, dass das jahrzehntealte Verteidigungsbündnis auch heute noch im Interesse der USA liegt, nicht nur im Interesse Europas. Schwer genug, immerhin wollte sich Trump auch schon mal ganz aus der Nato verabschieden.

Und der dritte Brocken sind die Zölle. Merz will ihn davon überzeugen, dass Zölle allen schaden, nicht nur Europa, sondern eben auch den USA.

"Schwierig" – aber als Kompliment

Als Friedrich Merz an diesem Donnerstag in Washington vor seinem Termin bei Trump mit Journalisten im "Blair House" zusammensitzt, dem Gästehaus des Präsidenten, dämpft der Kanzler die Erwartungen. Er glaube nicht, sagt er, dass es bei den drei großen Themen "jetzt Durchbrüche gibt".

Aber gemessen daran, wie es anderen Politikern hier im Oval Office in der letzten Zeit ergangen ist, läuft es gut für Merz. Jedenfalls in diesem Moment, jetzt und hier im Oval Office. Trump lobt ihn nicht nur, wenn es um Angela Merkel geht. Er, Merz, sei "schwierig", sagt Trump an einer Stelle. Und will es als Kompliment verstanden wissen. "Du willst doch nicht, dass ich dich 'leicht zu haben' nenne." Und dann lachen beide.

Donald Trump mag starke Kerle, das war klar. Komplimente auch, deshalb lobt ihn Merz natürlich oft. Und er nickt und lächelt auch viel, als er da so neben ihm sitzt. Denn unterbrochen zu werden, das mag Trump eben gar nicht.

Dann scherzt Trump über Verteidigungsausgaben

Es läuft aber nicht nur, wenn es zwischen Trump und Merz persönlich wird. Auch bei den schwierigen Themen gibt es überraschend viel Einigkeit. Jedenfalls in diesem Moment, jetzt und hier im Oval Office.

In der Nato-Frage erkennt Trump offenbar an, dass Deutschland "deutlich mehr Geld" ausgibt, wie er selbst beschreibt. "Ich glaube, dass es eine gute Sache ist", sagt Trump, als er danach gefragt wird.

Seine einstige Klage über die niedrigen Ausgaben Europas verwandelt sich plötzlich sogar in einen Witz. Es habe ja eine Zeit gegeben, in der hätten einige die Deutschen nie wieder bewaffnet sehen wollen. Aufrüsten? Das hält er heute für eine gute Idee. "Jedenfalls bis zu einem bestimmten Punkt", sagt Trump und lächelt. "Es wird einen Punkt geben, an dem wir sagen werden: Bitte nicht mehr aufrüsten. Das werden wir beobachten", sagt Trump und haut Merz aufs Knie. Er tut das mehrfach, das Aufs-Knie-hauen. Merz lächelt dabei. Er scheint froh zu sein, wenn Trump froh ist.

Als Trump gefragt wird, ob er die US-Truppen in Deutschland stationiert lassen wolle, geht es für Merz gut weiter. "Wir haben viele dort", sagt Trump. Und die seien auch ganz schön teuer. Dann aber sagt er: "Wir machen das. Kein Problem".

Zölle? Ein Deal wäre auch okay

Auch als es um die Zölle geht, klingt Trump zumindest im Oval Office versöhnlich. Er würde gerne einen "großartigen Handelsdeal" machen, sagt Trump. Er könne aber auch mit Zöllen leben. Darüber werde man reden. Er wisse zwar, dass die EU die Verhandlungen führe, aber Deutschland sei eben ein großer Teil davon. Da nickt Merz, etwas zurückhaltend vielleicht.

Denn was das konkret heißt, ist natürlich offen. Die Sache mit den Zöllen war in Berlin bereits zuvor als eines der schwierigsten Probleme angesehen worden. Allein schon, weil die Trump-Regierung ihre Zölle liebt. Noch am Tag vor Merz' Ankunft hatte Trump die Zölle auf Stahl und Aluminium erhöht, von 25 auf exorbitante 50 Prozent. Es ist eine Maßnahme, die vor allem der deutschen Industrie schadet.

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Darum will Merz ihn davon überzeugen, dass Zölle in Wahrheit allen schaden, nicht nur Europa, sondern auch den USA. Im Oval Office kommen sie dazu nicht. Ob es ihm im persönlichen Gespräch gelingt? Unwahrscheinlich.

An anderer Stelle macht Trump die Zölle für das Wirtschaftswachstum mitverantwortlich. Er liebt seine Zölle. Experten sagen hingegen, die Wirtschaft wachse in den USA trotz Trump und der durch ihn hervorgerufenen Unsicherheit.

Ukraine und Russland? Für Trump zwei tobende Kinder

Mindestens genauso schwierig wird es aber, als es um die Ukraine geht. Trump hält die "Operation Spinnennetz", bei der die Ukraine zahlreiche russische Flugzeuge mit Drohnen zerstört hat, für keine gute Idee. Eher im Gegenteil: Sie scheint ihn in seiner Sicht zu bestärken, dass auch die Ukraine Schuld an diesem Krieg habe.

Trump vergleicht die Ukraine und Russland irgendwann mit zwei tobenden Kindern, die vielleicht einfach noch etwas weiterkämpfen müssten, bevor sie erschöpft sind und bereit, sich endlich zu vertragen. Es ist das Gegenteil von seinem Versprechen, den Krieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden. Und es ist auch etwas ganz anderes, als das, was Merz will: nämlich den Druck auf Russland erhöhen.

Das wird auch deutlich, als Trump gefragt wird, ob er sich neue Sanktionen für Russland vorstellen könne. Er schließt das nicht aus, immerhin. "Wenn ich den Moment sehe, dass der Krieg nicht stoppt, werden wir sehr hart sein", sagt Trump. Aber er sagt eben auch: "Vielleicht gegenüber beiden Seiten. Es braucht immer zwei zum Tangotanzen." Beide sind schuld, so sah Trump das schon immer. Und so sagt er es auch jetzt wieder.

Merz widerspricht, mehrfach

Es ist deshalb kein Zufall, dass Merz ihm besonders bei der Ukraine freundlich, aber doch deutlich widerspricht. Er lässt das so nicht stehen. Merz weist etwa darauf hin, dass Russland das Blutbad anrichte und nicht die Ukraine, die nur militärische Ziele und keine zivile Infrastruktur angreife.

Um Trump davon zu überzeugen, dass die USA eben nicht nur zusehen dürften, bis sich die beiden "Kinder" kaputt gekämpft haben, bemüht Merz einen großen historischen Vergleich: Morgen sei der 6. Juni, sagt Merz, "D-Day".

Damals hätten die USA Europa von den Nazis befreit und den Krieg so beendet. Jetzt, sagt Merz, seien die USA wieder in einer "sehr starken" Position. "Du bist die Schlüsselperson in der Welt, die mit mehr Druck auf Russland etwas tun kann", sagt er an anderer Stelle. Es ist schmeichelhaft, aber eben auch fordernd. Und es ist vielleicht der Moment, an dem das Gespräch auch hätte kippen können. Trump weist Merz darauf hin, dass der D-Day ja kein sehr erfreulicher Tag für Deutschland gewesen sei.

Der Bundeskanzler stutzt für einen Moment und betont noch einmal, dass die Amerikaner damals durch ihr Eingreifen zum Glück die Nazis besiegt hätten. Trump widerspricht nicht, sondern nickt zufrieden.

"Lass uns darüber reden, was wir gemeinsam tun können", sagt Merz irgendwann. Und Trump nickt erneut. Und das ist natürlich besser als nichts. Aber wie bei allen Dingen, die Trump sagt, auch heute hier im Oval Office, ist die eigentliche Frage: Was sagt er dazu morgen? Das Gleiche? Oder das genaue Gegenteil?

Verwendete Quellen
  • Mitreise mit dem Bundeskanzler
  • Recherchen und Beobachtungen vor Ort
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