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Bei Kaffee und Würstchen: Union und SPD loten Koalitions-Chancen aus


Bei Kaffee und Würstchen
Union und SPD loten Koalitions-Chancen aus

dpa, Georg Ismar, Jörg Blank

13.12.2017Lesedauer: 4 Min.
Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz und die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles im Jakob-Kaiser-Haus.Vergrößern des BildesDer SPD-Vorsitzende Martin Schulz und die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles im Jakob-Kaiser-Haus. (Quelle: Maurizio Gambarini/dpa-bilder)
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Die Spitzen von Union und SPD sind zu ersten Gesprächen über eine mögliche Koalition zusammengekommen. Es dürfte eine schwere Geburt werden – vor allem wegen der unklaren Haltung der Sozialdemokraten.

Martin Schulz kommt gut vorbereitet zu dem fast schon historischen Treffen mit Angela Merkel und Horst Seehofer. Mit dem Handy am rechten Ohr trifft der SPD-Chef am Mittwochabend gegen 18.00 Uhr im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestags ein. In der linken Hand ein graugrüner Ordner: "Vorbereitungsmappe. Treffen mit A. Merkel, H. Seehofer, V. Kauder, A. Nahles", steht auf dem Aufkleber. Gemeinsam mit Merkel, Seehofer und den Fraktionsspitzen von CDU, CSU und SPD versucht Schulz dann von 19.00 Uhr an, einen Ausweg aus der verfahrenen Regierungsbildung zu finden.

Vor dreieinhalb Wochen waren die ausführlichen Jamaika-Sondierungen zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen geplatzt. Seit der Bundestagswahl sind 80 Tage vergangen - so lange, wie zuvor noch nie bis zu einer Regierungsbildung. Zwei Mal, nach der Wahl am 24. September und nach dem Jamaika-Aus, hatte Schulz eine Fortsetzung der Große Koalition ausgeschlossen. Doch dann nahm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seinen Parteifreund Schulz sowie Merkel und Seehofer ins Gebet. Um eine Neuwahl zu vermeiden, verdonnerte er die drei, trotz aller roter Linien nach Wegen hin zu einer neuen Regierung zu suchen.

Striktes Geheimhaltungsgebot

Jetzt also doch die Sechser-Runde in den Räumen von Unionsfraktionschef Volker Kauder. Beide Seiten kommen zuvor zu getrennten Vorbesprechungen zusammen - in Räumlichkeiten, die direkt übereinander liegen. Ein Foto zeigt, wie sich Merkel im fünften Stock mit Kauder und den anderen Unions-Granden bespricht - im Stockwerk darunter, leicht nach rechts versetzt, sitzen Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles bei Kaffee, Wasser und O-Saft zusammen. Fröhlich sehen alle nicht aus.

Merkel, Schulz und Seehofer haben ihre Mitarbeiter zur Geheimhaltung verdonnert. Nicht einmal die Zeit, geschweige denn der Ort des Treffens sollen vorab bekannt werden. Auch über das Ergebnis ist striktes Stillschweigen vereinbart. Union und SPD wollen unbedingt die Fehler der Jamaika-Gespräche vermeiden, als aus der teils mehr als 50 Verhandler starken Sondierungsrunde regelmäßig getwittert oder per Kurznachricht Zwischenergebnisse durchgestochen wurden. Das hatte die Verhandlungen oft gelinde gesagt nicht gerade einfacher gemacht.

Als dann einige Zeit vor Beginn des Sechser-Treffens Küchenwagen mit weißen Suppenschüsseln voller Wiener Würstchen, belegten Brötchen und mit einer Batterie Thermoskannen aus dem Aufzug in den Bürotrakt von Kauder gerollt werden, ist klar: Union und SPD haben keinen neutralen Ort für ihre ersten Gespräche gewählt. Schulz und Nahles kommen in die Räumlichkeiten der CDU.

Vertrauen muss aufgebaut werden

Als das Treffen beginnt, sitzen sich keine Unbekannten gegenüber. Beide Seiten kennen sich bestens. Aber die Wertschätzung ist unterschiedlich verteilt. Merkel schätzt Nahles und Nahles Merkel. Die Kanzlerin und die heutige Fraktionschefin haben in der vergangenen GroKo, in der Nahles Arbeitsministerin war, Vertrauen aufgebaut. Auch Merkel und Schulz kennen sich schon lange.

In der Zeit des SPD-Mannes als EU-Parlamentspräsident sollen sie sich gut verstanden haben. Doch im Wahlkampf und noch bis zuletzt ging Schulz die Kanzlerin dann hart an, gab ihr eine Mitschuld am AfD-Aufstieg und nannte ihren Politikstil einen "Anschlag auf die Demokratie". Bei der ersten Verhandlungsrunde geht es also um Vertrauensbildung - und um einen Kompass. Schulz ätzte in den vergangenen Wochen oft, die Union habe "den Karren an die Wand gefahren". Jetzt werde wieder die SPD gebraucht, um die Kohlen aus dem Feuer zu holen.

Die Stimmung zwischen Union und Sozialdemokraten ist angespannt, auch weil der Kurs der SPD unklar ist. Parallel wird dort ein Wahlkampf für eine vorgezogene Neuwahl vorbereitet. Seehofer vergleicht die SPD kurz vor dem ersten Treffen mit einer "Krabbelgruppe" - wegen des jüngsten Vorschlags der SPD-Linken, eine Art offene Koalitionsehe einzugehen, wo beide Seiten eigene Lieblingsprojekte auch mit anderen Parteien gegen die Koalitionsräson durchsetzen dürfen. "Man kann nicht zum Teil regieren und zum anderen Teil opponieren", moniert Seehofer. In der SPD sorgen die Sätze für Ärger.

Merkel kämpft um würdigen Abgang

Die Union weiß, was sie will: eine Große Koalition für vier Jahre. Sie wäre für Merkel eine Art politische Lebensversicherung, um womöglich anders als Helmut Kohl einen selbstbestimmten Abgang hinzubekommen. Bei einer Minderheitsregierung müsste sie ständig im Bundestag um Mehrheiten ringen. Bekommt sie diese nicht, wären wohl eine rasche Vertrauensfrage im Bundestag und dann eine Neuwahl die Folge. Merkel hat zwar bereits angekündigt, dass sie in diesem Falle erneut als Kanzlerkandidatin antreten würde - aber ob sie in der CDU tatsächlich genug Rückhalt bekommen würde?

Schulz und Nahles brauchen aus dem Treffen mit Merkel, Seehofer und Co. ein paar Hinweise, was möglich sein kann. Das wissen sie auch in der Union. Man werde zwar wohl noch nicht konkret verhandeln, aber vielleicht doch schon Grundsätzliches ansprechen, heißt es da schon vor dem Gespräch. Schließlich könne Schulz am Freitag nicht mit leeren Händen in seinem Parteivorstand auftauchen. Zumindest die Grundatmosphäre zwischen den möglichen Partnern müsse stimmen. Vielleicht könnten auch schon erste Leitplanken für einen gemeinsamen Weg in die Zukunft identifiziert werden.

Vielleicht hilft es beiden Seiten bei der Suche nach neuem Vertrauen ein wenig, dass Schulz und Nahles auf ihrem Weg zur Union eine bewährte Spezialverbindung zwischen den Stockwerken von CDU und SPD nehmen. Die SPD-Spitze kommt nicht über den Aufzug zur Unionsführung und auch nicht über den gut einsehbaren Lichthof des Gebäudes. Sie nutzt eine legendäre zweite, im Innern des Gebäudetraktes liegende Treppe. Diese hatte Kauder immer genommen, wenn er mit seinem vor fast genau fünf Jahren gestorbenen SPD-Freund Peter Struck schnell mal etwas absprechen wollte. Beide gelten als die Garanten der Einigkeit in Merkels erster Großer Koalition.

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