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Wahlkampf-Talk bei "Markus Lanz": Edmund Stoiber redet sich in Rage


"Ich habe einen sehr guten Blutdruck"
Stoiber redet sich bei "Markus Lanz" in Rage

Eine TV-Kritik von Nina Jerzy

Aktualisiert am 17.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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Edmund Stoiber (Archivbild): Der CSU-Politiker debattierte in der jüngsten Lanz-Sendung mit Leidenschaft.Vergrößern des Bildes
Edmund Stoiber (Archivbild): Der CSU-Politiker debattierte in der jüngsten Lanz-Sendung mit Leidenschaft. (Quelle: Future image/imago images)

Edmund Stoiber wird immer lauter und Markus Lanz macht sich Sorgen: "Ihr Blutdruck!" Der CSU-Politiker warnte vor einer "realen Gefahr" einer rot-grün-roten Regierung – und forderte mehr Mitgefühl in der Politik.

Die Gäste

  • Edmund Stoiber, CSU-Ehrenvorsitzender, Ex-Kanzlerkandidat
  • Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
  • Anna Mayr, "Zeit"-Redakteurin
  • Julius van de Laar, Strategieberater

Am Donnerstag wurde kollektiv bei "Markus Lanz"-Zuschauern die Lautstärke runtergedreht. Edmund Stoiber (CSU) redete sich wiederholt derart lautstark und unbremsbar in Rage, dass der Gastgeber früh zwischen Amüsement und Besorgnis schwankte. "Ich mache mir Sorgen um ihren Blutdruck", versuchte Lanz den CSU-Ehrenvorsitzenden zu bremsen. Der hatte für derartiges Bedenkenträgertum keine Geduld: "Das haben Sie schon vor zehn Jahren gesagt."

So viel Leidenschaft war zur nachtschlafenden Stunde zwar etwas ungewohnt. Stoibers Auftritt rüttelte aber auch dahingehend wach, als er deutlich machte, was dem Wahlkampf bislang womöglich gefehlt hat. Besonders laut wurde Stoiber, als sich der Rest der Runde darauf verständigte: Die Union versucht mit einer aufgewärmten Roten-Socken-Kampagne und der Warnung vor einer Regierungsbeteiligung der Linkspartei das Ruder noch herumzureißen. "Ein Attest für die Ideenlosigkeit dieses Wahlkampfs", urteilte der Wahlkampfexperte Julius van de Laar. Angst vorm Kommunismus? "Das verfängt nicht", meinte Journalistin Anna Mayr. Schließlich sei es sehr unwahrscheinlich, dass die Linke tatsächlich in Regierungsverantwortung komme.

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Stoiber warnt vor Linkspartei

Stoiber wies den rote-Socken-Vorwurf lautstark zurück. Er sprach hingegen von einer "realen Gefahr", dass SPD, Grüne und Linke die nächste Regierung stellen werden. Das gilt es seiner Ansicht nach schon aus einem speziellen Grund zu verhindern. "Das wäre der späte Erfolg von Oscar Lafontaine", gab er zu bedenken. Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat habe erst die Sozialdemokratie gespalten und könne nun womöglich miterleben, wie die Linke plötzlich in die Regierung komme, warnte Stoiber.

Rhetorisch trug es den ehemaligen Kanzlerkandidaten der Union manchmal leidenschaftlich aus der Kurve. Plötzlich musste ein Kreiskrankenhaus auf Sardinien als Beweis dafür herhalten, welche Qualitätsstandards – etwa im Gesundheitssystem - sich Deutschland erarbeitet hat. "Das hat ja niemand bestritten", besänftigte Lanz seinen Gast. Der wollte mit seinem Auftreten vielleicht ein Zeichen für eine größere Nähe seiner Zunft zum Wähler setzen. "Ich glaube, dass wir mit zu wenig Empathie Politik betreiben", warnte Stoiber. Angela Merkel (CDU) habe die Menschen rein sachlich angesprochen. So würden viele Bürger aber nicht erreicht. Stoiber dachte hier vor allem an Geringverdiener, die keine Zeit haben, politische Talkshows zu verfolgen und sich stattdessen sorgen, wie ihre Familien über die Runden kommen sollen.

Ökonom Marcel Fratzscher setzte gerade hier mit seiner Kritik am Wahlprogramm von Union und auch der FDP an. Die Idee, mit Steuersenkungen die Wirtschaft anzukurbeln, hielt er für einen Irrweg. "Das wird nicht passieren, denn viele der Steuersenkungen sind für Topverdiener", sagte Fratzscher. Diese Menschen würden den Großteil des gesparten Geldes auf die hohe Kante legen und nicht etwa in Konsum oder Unternehmen stecken. Aus ökonomischer Sicht sei es vielmehr sinnvoll, geringe Einkommen zu entlasten, denn diese Menschen würden jeden Euro auch wieder ausgeben.

Arme Rentner sterben früher

Es wird sehr häufig von der Ungerechtigkeit des Rentensystems gesprochen. Meist geht es dabei um jene zwischen den Generationen. Der Professor für Makroökonomie an der Berliner Humboldt-Universität machte hingegen eine sehr viel brutalere Rechnung auf. Ihm zufolge haben Menschen mit niedrigem Einkommen beim Renteneintritt eine im Schnitt fünf bis sechs Jahre kürzere Lebenserwartung – etwa infolge schwerer körperlicher Arbeit. Sie beziehen also kürzer Rente. Die Konsequenz: "Viele zahlen mehr in die Rentenversicherung ein, als sie rausbekommen." Andere Länder steuern hier laut dem Experten dagegen, indem Menschen mit niedrigem Einkommen eine höhere Rentenquote zugestanden wird.

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Der Mindestlohn wäre da ein nahe liegender Schritt, um zu verhindern, dass Menschen trotz Vollzeitstelle auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Stoiber plädierte aber dafür, eine Erhöhung auf zwölf Euro nicht im Wahlkampf quasi von oben zu verordnen, sondern das Thema lieber der zuständigen Expertenkommission zu überlassen. "Arbeit ist so ein großer Teil des Lebens", wandte "Zeit"-Redakteurin Mayr ein. "Da können Sie doch nicht sagen, wir halten die Bezahlung von Arbeit aus der Politik heraus." Für viele Menschen sei es nun einmal entscheidend, wie viel sie verdienen.

Stoiber fühlte sich hier wie so oft vom Rest der Runde (mutwillig) missverstanden. Er mahnte, dass die Wirtschaft nicht geschwächt werden dürfe, damit Ziele finanzierbar bleiben. Das bedeutet nach Ansicht des CSU-Ehrenvorsitzenden aber kein Einfrieren des Status quo. "Die ökologische Marktwirtschaft mit der sozialen Marktwirtschaft zusammenzubringen, ist die größte Herausforderung, die wir auch haben", gab er zu bedenken.

Wäre Markus Söder ein guter Kanzlerkandidat?, wollte Lanz dann noch von Stoiber wissen. Der witterte aus gutem Grund eine Falle. Schließlich formuliert er es mit Blick auf seinen langjährigen Protegé vorsichtig so: "Er hat alle Voraussetzungen wie Armin Laschet."

Lanz hatte übrigens kurz vor der Ausstrahlung der Talkshow den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie "Beste Information" gewonnen. Ein Erfolgsrezept nannte er im Gespräch mit Stoiber: "So empathisch, wie Sie Politik machen, mache ich das hier." Der CSU-Ehrenvorsitzende konnte den besorgten Gastgeber am Ende beruhigen: "Ich habe einen sehr guten Blutdruck."

Verwendete Quellen
  • "Markus Lanz" vom 16. September 2021
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