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10 Vorurteile im Faktencheck: Was Flüchtlingsgegner sagen


10 Vorurteile im Faktencheck
Was Flüchtlingsgegner über Flüchtlinge sagen

Von t-online
Aktualisiert am 08.10.2015Lesedauer: 6 Min.
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Sie wollen nur unser Geld, nehmen uns unsere Jobs weg und sind kriminell - die öffentliche Diskussion über die Flüchtlingsproblematik in Deutschland ist durchsetzt von Vorurteilen.

1. Ich muss arbeiten, und die machen sich ein schönes Leben

t-online.de sagt: Das ist falsch

Flüchtlinge erhalten weniger als ein Hartz-IV-Empfänger. Hartz IV deckt in Deutschland das physische und soziokulturelle Existenzminimum ab. Flüchtlinge leben unter dem Existenzminimum. Asylbewerber haben Anspruch auf Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung. Essen, Kleidung und Artikel des täglichen Bedarfs - etwa Toilettenpapier - gehören zu den Sachleistungen, die Flüchtlinge erhalten. Zudem bekommen sie Taschengeld. Einzelpersonen erhalten derzeit 143 Euro im Monat, Partner 126 Euro und Kinder zwischen 82 und 90 Euro, je nach Alter.

Später wohnen die Flüchtlinge bis zum Ende ihres Asylverfahrens in Massenunterkünften. Dort müssen sich die Asylbewerber Essen und den täglichen Bedarf selbst kaufen. Dafür erhalten sie zusätzlich 216 Euro, Partner und Kinder bekommen zwischen 133 und 194 Euro. Weniger lässt das Bundesverfassungsgericht nicht zu. Ein schönes Leben sieht anders aus.

2. Flüchtlinge sorgen für steigende Kriminalität

t-online.de sagt: Da ist was dran

Es gibt Statistiken die die Vermutung nahelegen, dass Flüchtlinge mehr Straftaten begehen als der Rest der Bevölkerung. So verweist die "Bundeszentrale für politische Bildung" auf die "Polizeistatistik des Landes Berlin 2014": Demnach ist der Anteil von Flüchtlingen an allen Straftatverdächtigen höher als der Anteil von Flüchtlingen an der Berliner Bevölkerung. Statistisch kann man also von einem geringfügigen Anstieg der Kriminalität durch den Zuzug von Flüchtlingen sprechen.

Dennoch lassen die Zahlen den Schluss nicht zu, sie seien per se krimineller als Deutsche. Für die Situation gibt es bestimmte Gründe: Mehr als 70 Prozent der Flüchtlinge sind jünger als 35 Jahre, zwei Drittel davon männlich. Junge Männer, egal welcher Herkunft, werden laut Bundeskriminalamt besonders häufig straffällig. Die Unterbringung in Massenunterkünften kombiniert mit einem Gefühl der Perspektivlosigkeit kann zudem Straftaten begünstigen.

3. Balkan-Flüchtlinge haben keinen Schutzbedarf

t-online.de sagt: Das ist falsch

Vorurteile gegen Asylbewerber aus den Balkanstaaten sind weit verbreitet: Sie hätten keinen Grund zu fliehen und wollten nur den deutschen Sozialstaat ausnutzen. Dabei haben Menschen vom Balkan durchaus Schutzbedarf. Insbesondere Sinti und Roma werden in ihren Heimatländern systematisch diskriminiert. Sie erhalten keine Wohnungen, leben in Slums, haben nur mangelhafte Gesundheitsversorgung, und auch der Zugang zur Bildung wird ihnen größten Teils verwehrt. Politiker hetzen öffentlich gegen sie.

Die individuellen Fluchtgründe können bei Balkanflüchtlingen also durchaus dazu führen, dass Asylanträge anerkannt werden. Deutschland will jedoch sämtliche Länder des Balkans zu sicheren Herkunftsländern erklären. Das würde eine raschere Abschiebung der Asylbewerber aus dieser Region ermöglichen. Dass es auch anders geht, zeigen Zahlen, die "Pro Asyl" veröffentlicht hat: In der Schweiz erhielten 2014 rund 37 Prozent der serbischen und 40 Prozent der kosovarischen Antragsteller einen Schutzstatus. Finnland gewährte 43 Prozent der Flüchtlinge aus dem Kosovo Schutz.

4. Deutschland nimmt in Europa sowieso schon die meisten Flüchtlinge auf

t-online.de sagt: Ja und Nein

Zieht man die absolute Zahl heran, ist Deutschland das Land in Europa, in dem die meisten Flüchtlinge einen Asylantrag stellen. Im ersten Halbjahr 2015 waren es 180.000. Setzt man diese Zahl aber in Relation zur Einwohnerzahl, stellt sich die Situation schon ganz anders dar: Schweden und Ungarn nehmen derzeit die meisten Flüchtlinge pro Kopf auf. Auf Rang drei liegt Österreich. In Schweden kamen 2014 mehr als acht Asylanträge pro 1000 Einwohner zusammen, in Deutschland waren es 2,5. Das ist Platz acht. Weltweit liegt Deutschland in Bezug auf die absoluten Zahlen nur auf dem 20. Rang. Im Jahr 2014 hat die Bundesrepublik 185.000 Flüchtlinge aufgenommen. Im Vergleich: In der Türkei, direkter Nachbar Syriens, waren es fast 1,6 Millionen. Die größte Last trägt indes der kleine Libanon: Hier leben über eine Million syrische Flüchtlinge. Das bedeutet: Jeder vierte Mensch im Libanon ist ein Flüchtling aus dem Nachbarland Syrien.

5. Die können sich alle teure Smartphones leisten - denen geht es gar nicht so schlecht

t-online.de sagt: Das ist falsch

Das Bild hat sich eingeprägt: Vor den Unterkünften stehen Flüchtlinge und halten sich ein Smartphone ans Ohr oder tippen eine Nachricht ein. Doch davon abzuleiten, dass es den Migranten deswegen gar nicht so schlecht gehen kann, ist schlichtweg falsch. Das Smartphone ist für Flüchtlinge kein Luxusgut, sondern erfüllt elementare Bedürfnisse. Bevor sie nach Deutschland kommen, ist das Gerät oft das einzige Mittel, um die eigene Flucht via GPS zu organisieren oder in Kontakt mit etwaigen Schleppern zu treten.

Hier nutzen sie es, um über das Internet mit ihren Familien per Whatsapp, Skype oder anderen Diensten zu kommunizieren. Das ist viel billiger als ein Auslandsgespräch zu führen. Dazu loggen sie sich oft in kostenlose Hotspots vor Cafés oder Bahnhöfen ein. Wenn man so will, ist das Smartphone bei Flüchtlingen eher Ausdruck von Mittellosigkeit. Hinzu kommt, dass Smartphones in Afrika und im Nahen Osten oft nur einen Bruchteil dessen kosten, was man in Deutschland bezahlt. Es ist oft das einzige technische Gerät, das sie besitzen.

Viele Flüchtlinge, die derzeit zum Beispiel aus Syrien nach Europa kommen, ging es früher mal durchaus gut. Vielleicht waren sie wohlhabend, vielleicht hatten sie ihr Auskommen. Sie hatten vielleicht einen geordneten Beruf, ein Haus, eine Familie. Vor dem Bürgerkrieg. Dieser Krieg, der seit 2011 tobt, hat Millionen ihrer Existenzen beraubt. Das Smartphone ist dann manchmal das letzte Überbleibsel aus ihrem früheren Leben.

6. Flüchtlinge überfordern die soziale und medizinische Infrastruktur

t-online.de sagt: Das ist falsch

Besonders in ländlichen und strukturschwachen Gegenden befürchten die Einwohner, dass Flüchtlinge die dünne Infrastruktur überfordern. Es herrscht die Angst, sie könnten beispielsweise die sowieso schon knappen Kitaplätze oder Arzttermine wegschnappen. Doch die Unterversorgung trifft die Flüchtlinge noch mehr. Sie haben erst recht keine Möglichkeit, etwa mit dem Auto in die nächstgrößere Stadt zu fahren.

Statt die Infrastruktur in unterversorgten Gegenden zusätzlich zu belasten, bietet der Zustrom von Flüchtlingen sogar eine große Chance für diese Regionen. Wächst etwa die Einwohnerzahl eines finanzschwachen Ortes, hat dieser Anrecht auf mehr Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich. Zudem können Kinder von Migranten verhindern, dass Schulen oder andere Betreuungseinrichtungen wegen Unterbelegung geschlossen werden.

7. Anwohner werden vor vollendete Tatsachen gestellt

t-online.de sagt: Stimmt

Viele Anwohner von Flüchtlingsunterkünften klagen, dass sie vor vollendete Tatsachen gestellt oder - wenn überhaupt - erst sehr spät über Unterbringungspläne informiert wurden. Der Unmut ist verständlich, schließlich spielen dabei nicht nur Vorurteile, sondern oft auch die Sorge um die Lebensqualität eine Rolle. Tatsächlich werden Anwohner in den meisten Fällen sehr spät über die Pläne der Kommunen informiert. Oft erfolgt nur eine Pressemitteilung.

Daran wird sich in Zukunft nicht viel ändern, denn auch die kommunalen Verwaltungen erfahren erst kurzfristig, dass sie eine bestimmte Zahl an Flüchtlingen unterbringen müssen. Rechtlich gibt es für die Anwohner keine Grundlage, gegen die Unterbringung von Migranten in ihrer Nachbarschaft vorzugehen. Erstens ist das Asylrecht im Grundgesetz verankert, und auch die Unterbringung folgt gesetzlich festgelegten Quoten, zweitens gibt es kein Recht, sich seinen Nachbarn auszusuchen.

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8. Das können wir uns nicht leisten, das kostet zu viel Geld

t-online.de sagt: Ja und Nein

In der derzeitigen Konstellation kommen Länder und Kommunen für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge auf. Der Deutsche Landkreistag geht von Kosten in Höhe von acht Milliarden Euro in diesem Jahr aus. Die Bundesregierung spricht bereits von zehn Milliarden Euro. Geht man von einer Million Asylbewerbern aus, kostet jeder mindestens 10.000 Euro. Das sind jedoch nur Schätzwerte, die tatsächlichen Kosten können auch höher liegen. Der Bund gibt eine Milliarden Euro dazu, den Rest müssen Länder und Kommunen tragen. Gerade in den Kommunen ist das Geld knapp. Viele können sich die Unterbringung der Flüchtlinge im Moment tatsächlich nicht leisten.

Dennoch ist es falsch, dass sich Deutschland Flüchtlinge grundsätzlich nicht leisten kann. Finanzminister Wolfgang Schäuble geht von Steuermehreinnahmen in Höhe von fünf Milliarden Euro aus. Aufgabe der Politik wird es sein, die Finanzierung der Flüchtlinge möglichst schnell neu zu regeln. Innenminister Thomas de Maizière hat bereits eine Grundgesetzänderung ins Gespräch gebracht. Auf lange Sicht kann die momentane Zuwanderungswelle sogar gewinnbringend sein: Wer bleibt und Arbeit findet, wird auch Steuern zahlen.

9. Die sind faul und wollen gar nicht arbeiten

t-online.de sagt: Das ist falsch

Sie hängen meist den ganzen Tag untätig vor ihren Unterkünften ab, oft bis spät in die Nacht: Da kann der Eindruck entstehen, dass viele Flüchtlinge nur gekommen sind, um sich hier auf die faule Haut zu legen und aushalten zu lassen. Doch der Eindruck täuscht. Die meisten Flüchtlinge würden sogar sehr gerne einer Arbeit nachgehen. Arbeit gibt dem Alltag eine Struktur und einen Sinn. Das ist oft das, wonach sich Flüchtlinge nach ihren oft schrecklichen Erlebnissen und der beschwerlichen Reise am meisten sehnen. Allerdings ist es für sie sehr schwer, einen Job zu finden. Teilweise untersagt es sogar der Staat. In den ersten drei Monaten dürfen Flüchtlinge per Gesetz überhaupt nicht arbeiten. Auch danach stehen sie auf der Warteliste ganz hinten.

10. Die nehmen uns die Jobs weg

t-online.de sagt: Das ist falsch

Wie bereits im vorigen Absatz erwähnt, haben es Flüchtlinge in Deutschland sehr schwer, einen Job zu finden. Denn hier gilt bei der Arbeitsvergabe das sogenannte "Vorrangprinzip". Demnach haben zuerst alle deutschen Arbeitnehmer ein Anrecht auf eine freie Stelle. Danach kommen die EU-Bürger, dann die Bürger aus dem Europäischen Wirtschaftsraum und dann die Schweizer. Anschließend sind Ausländer mit Arbeits- oder Aufenthaltsberechtigung und unbefristeter Aufenthaltserlaubnis an der Reihe. Erst wenn dann noch Jobs übrig sind, kann sich ein Flüchtling Hoffnung auf Arbeit machen. Nur bei Berufen mit Arbeitskräftemangel entfällt das "Vorrangprinzip". Ein Flüchtling kann einem Deutschen also niemals einen Job wegnehmen.

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