Erst im zweiten Anlauf zum Kanzler Friedrich Merz taumelt ins Amt
Friedrich Merz ist am Ziel. Im zweiten Wahlgang erhielt der CDU-Politiker 325 Stimmen. In seiner Koalition beginnt die Suche nach den Abweichlern aus dem ersten Wahlgang.
CDU-Chef Friedrich Merz ist im zweiten Durchgang vom Bundestag zum Kanzler gewählt worden. Merz erhielt 325 Stimmen, damit votierten neun Abgeordnete mehr für ihn als nötig. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben zusammen 328 Sitze im Parlament. Merz nahm die Wahl an. "Ich bedanke mich für das Vertrauen, und ich nehme die Wahl an", sagte er auf eine entsprechende Frage von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner.
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Am Vormittag hatte er im ersten Wahlgang noch die vorgegebene Mehrheit verfehlt - ein bisher einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik.
Dobrindt verteidigt Vorgehen
Dabei ging es auch um die juristische Prüfung dieser Möglichkeit. Nötig für den zweiten Durchgang am Dienstag war eine Fristverkürzung, die mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden musste. Grüne und Linke unterstützten dies. Aber auch die vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte AfD, mit der keine Gespräche geführt wurden, stimmte dem entsprechenden Geschäftsordnungsantrag zu.
Die Union stimmte sich für das Vorgehen auch erstmals im Bundestag mit der Linken ab. Der designierte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) verteidigte die Gespräche. Wenn eine Zweidrittelmehrheit gebraucht werde, müsse mit den Abgeordneten der Linkspartei gesprochen werden, sagte Dobrindt am Dienstag im Sender ntv. "Ob einem die politische Farbe jetzt passt oder nicht", fügte er hinzu. Daher sei es richtig gewesen, das Gespräch mit ihnen zu suchen.
Vereidigung des Kabinetts am Abend
Merz machte sich am Dienstagnachmittag auf ins Schloss Bellevue zu Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der ihm die Ernennungsurkunde aushändigte. Erst damit ist er auch rechtlich gesehen Bundeskanzler.
Anschließend fährt Merz zurück in den Bundestag und spricht dort den Amtseid. Die Vereidigung der 17 Bundesministerinnen und Bundesminister wird noch am Dienstagabend stattfinden.
Dem Kabinett gehören zehn Männer und acht Frauen an. CDU und SPD stellen jeweils sieben Minister und Ministerinnen, die CSU drei. Vizekanzler und damit zweitmächtigster Mann im Kabinett nach Merz ist der künftige Finanzminister Lars Klingbeil (SPD). Der Erfolg der Regierung wird maßgeblich davon abhängen, wie die beiden sich verstehen. In den Koalitionsverhandlungen hat das ganz gut geklappt.
Kritik der Opposition, Erleichterung im Ausland
Die Reaktionen der Opposition fielen zurückhaltender aus. Die Grünen-Politikerin Irene Mihalic, begründete ihre Zustimmung ihrer Fraktion zum schwarz-roten Vorschlag für einen raschen zweiten Wahlgang: "Das sollten Sie nicht als Zustimmung mit Ihrer Politik verstehen. Ihre Politik ist nicht die richtige für unser Land. Deshalb werden wir Sie auch nicht zum Bundeskanzler wählen."
Ähnlich äußerte sich die Linke. "Die gemeinsame Einbringung des Antrags zur Änderung der Geschäftsordnung sei "keine Zustimmung zu Ihrer Politik", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Christian Görke, im Bundestag.
Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek erklärte: "Wir haben immer angekündigt, wir stehen bereit, mit den demokratischen Fraktionen gemeinsam zu sprechen - das haben wir getan." Auf die Frage, ob damit der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU Geschichte sei, antwortete sie: "Ich finde, das zeigt ziemlich deutlich, dass die Gesprächskanäle zwischen den demokratischen Fraktionen da sind, und die Frage ist für mich damit geklärt." Wie das die Union sehe, könne sie natürlich nicht sagen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gratulierte Merz (CDU) zur Wahl. "Ich freue mich auf eine enge Zusammenarbeit", schrieb von der Leyen am Dienstag im Onlinedienst Bluesky. "Wir werden uns gemeinsam für ein starkes und wettbewerbsfähigeres Europa einsetzen."
Die Erleichterung im Ausland war groß. So fürchtete der britische "Guardian" schwere "politische Turbulenzen". Merz Scheitern im ersten Wahlgang hatte die Börse in Frankfurt auf Talfahrt geschickt. In vielen Ländern herrschte Sorge, über die Handlungsfähigkeit Deutschlands.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa