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Stadt-Land-Gefälle: Warum die AfD in manchen Regionen besonders punktet


Vom Breitbandnetz bis zum Benzinpreis
Warum manche Regionen plötzlich nach rechts kippen

Von t-online, pri

Aktualisiert am 05.08.2025 - 16:03 UhrLesedauer: 3 Min.
Eine Bushaltestelle in der Grenzregion zwischen Rheinland-Pfalz und Frankreich (Archivbild). Mangelnde Verkehrsanbindung trägt mit zum Frust der Bevölkerung bei.Vergrößern des Bildes
Eine Bushaltestelle in der Grenzregion zwischen Rheinland-Pfalz und Frankreich (Archivbild). Mangelnde Verkehrsanbindung trägt mit zum Frust der Bevölkerung bei. (Quelle: ZQS Foto Solution)
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Warum punktet die AfD im ländlichen Raum? Wissenschaftler haben das erforscht. Sie raten zum Ausbau der Infrastruktur von Breitband über Schulen bis zum Bäcker.

Der Politikwissenschaftler Lukas Haffert umschreibt das Problem so. "Die Gegensätze zwischen Stadt und Land werden ja nicht von selbst zu einem politischen Konflikt, sondern müssen von den Menschen auch als politisch relevant empfunden werden", sagt der Autor des Buchs "Stadt, Land, Frust."

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Der Geograph Bastian Heider und sein Forscherteam von der Universität Hannover haben den Zusammenhang zwischen ländlichen Wohnregionen, gefühlter Zurückweisung und frustrierter Wahlentscheidung nun anhand von Wahldaten näher untersucht. "Antidemokratische Wahlerfolge im ungleichen Deutschland. Demokratiestützende Aspekte der Daseinsvorsorge", lautet der Titel der Studie im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Das Fazit: "Unterschiede in der Zustimmung für populistische und autoritäre Parteien zeigen sich nicht nur aus individueller, sozioökonomischer Perspektive, sondern werden auch in räumlicher Perspektive sichtbar."

Im Klartext: Weniger als das Einkommen tragen in ländlichen Regionen die marode Infrastruktur zu Frust bei – und damit auch zu Wahlentscheidungen für die rechte AfD.

Kein einfacher Ost-West-Gegensatz

Für ihre Studie verglichen Heider und sein Team die Wahlergebnisse der vergangenen beiden Bundestagswahlen mit Daten zur Infrastruktur: Wie dicht ist der Breitbandausbau? Wie gut ist die Anbindung einer Region an den öffentlichen Personennahverkehr? Wie ist die Schulversorgung?

Die Ergebnisse sind eindeutig: "Mit großem Abstand am erfolgreichsten ist der Rechtspopulismus in den strukturschwachen ländlich geprägten Räumen Ostdeutschlands. Trotz einiger Aufholerfolge, etwa in der Einkommensentwicklung, ist der Stimmenzuwachs für Rechtsaußen hier ungebremst", notieren Heider und sein Forscherteam. Doch gibt es auch im Westen solche Regionen: Kaiserslautern und Gelsenkirchen etwa, in beiden Regionen erzielte die AfD ihre besten Ergebnisse im alten Bundesgebiet.

Land ist dabei jedoch nicht gleich Land. So gibt es am Rande städtischer Ballungsgebiete von Hamburg über Berlin und Potsdam bis Mannheim und Stuttgart echte Wohlfühloasen. Pendler, die die Natur schätzen, zugleich aber Engagement in Kirchengemeinden und Sportvereine in ihren Wohnorten einbringen.

Heider und sein Team sprechen von "resilienten ländlichen Räumen" – sprich Regionen mit hoher Widerstandskraft.

Die Studie notiert: "Sie liegen in Süddeutschland, Hessen sowie im Umland von Hamburg und Berlin." Die Gegenden weisen zwar "unterdurchschnittliche Werte bei wirtschaftlicher Diversität, Betreuungsquote, Glasfaser und Schienenanbindung auf. Dennoch stechen die demografische Lage, die Attraktivität für Hochqualifizierte und hohe kommunale Investitionen positiv hervor, sodass diese Regionen insgesamt gut auf zukünftige Herausforderungen der Transformation vorbereitet sind."

Mehr Investitionen in Busse, Breitband, Kitas und Schulen

Die Bilanz der Forschergruppe: Der Anteil der AfD am Stimmergebnis fällt mit steigendem Breitbandausbau, großem Anteil von Schulabgängern mit Hochschulreife und guter Kita-Betreuungsquote.

Heider und sein Team ermuntern deshalb zu einem Ausbau der Infrastruktur: Von der Schulversorgung, über den Ausbau der Infrastruktur bis hin zur Anbindung an den Nahverkehr. Die Debatte über das Deutschland-Ticket gewinnt da plötzlich eine andere Bedeutung.

Zuvor hatten schon die Ökonomen Jakob Lehr von der Universität Mannheim und Robert Gold vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) die Bedeutung der Regionalförderung untersucht – auch, weil die EU die Gelder möglicherweise kappen will. Das Fazit von Lehr und Gold lautet: Damit Regionalpolitik gegen Populismus wirken könne, müssten zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Investitionen in strukturschwache Regionen sollten erstens neue tragfähige Entwicklungsperspektiven schaffen. Und: Die Fördermaßnahmen müssten auch so vermittelt werden, dass sich Menschen vor Ort damit identifizieren können.

So sehen es auch die Autoren der Studie für die Friedrich-Ebert-Stiftung um Bastian Heider. Sie raten ganz schlicht: "Erfolge besser kommunizieren."

Vom Getreide- zum Benzinpreis

Der Gegensatz zwischen Städtern in Hamburg, Berlin, Leipzig und München und Dorfbewohnern in der Uckermark, Baden und Niederbayern ist dabei nicht neu. Politikwissenschaftler Lukas Haffert macht ihn schon für das 19. Jahrhundert aus.

Auch damals beschäftigte die Menschen Zölle. Die Bauernlobby auf dem Land forderte Schutz vor billigen Getreideimporten aus Russland und anderen Ländern. Die aufkommende Industrie in den Städten drängte auf den Abbau von Zollschranken.

Haffert vergleicht die Debatte im 19. Jahrhundert mit dem aktuellen Konflikt zwischen der eher städtisch geprägten Klimabewegung und den mobilitätsgeplagten Menschen auf dem Land, wo ohne Auto häufig nichts geht.

Hafferts Fazit vor dem Hintergrund von so manch bangem Blick auf die Preisentwicklung an der Anzeigentafel der Tankstellen: "Der Benzinpreis ist der Getreidepreis des 20. Jahrhunderts."

Verwendete Quellen
  • Lukas Haffert: Stadt, Land, Frust. München 2022.

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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