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Reaktionen auf Thüringen-Einigung: "Eine historische Dummheit der CDU"


Reaktionen auf Thüringen-Einigung
"Das ist eine historische Dummheit der CDU"

Von dpa, afp, rtr, pdi

Aktualisiert am 22.02.2020Lesedauer: 5 Min.
Bodo Ramelow steht lachend im Thüringer Landtag: Der frühere Ministerpräsident soll Anfang März erneut zum Ministerpräsidenten gewählt werden.Vergrößern des BildesBodo Ramelow steht lachend im Thüringer Landtag: Der frühere Ministerpräsident soll Anfang März erneut zum Ministerpräsidenten gewählt werden. (Quelle: dpa-bilder)
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Thüringen bleibt für Überraschungen gut: Nach zähem Ringen haben Linke, SPD, Grüne und CDU einen historischen Kompromiss vereinbart. Die Reaktionen darauf fallen unterschiedlich aus.

Die Thüringer CDU will einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung für begrenzte Zeit zu Mehrheiten verhelfen – trotz eines Kooperationsverbotes mit den Linken. Bei Verhandlungen von Linke, SPD und Grünen mit den Christdemokraten wurde am Freitagabend in Erfurt ein entsprechender Durchbruch erzielt. Die vier Parteien einigten sich auf eine neue Ministerpräsidentenwahl am 4. März, bei der die Linke wieder den früheren Regierungschef Bodo Ramelow als Kandidaten aufstellen will. Außerdem wurde eine Neuwahl des Parlaments am 25. April 2021 beschlossen.

Die Reaktionen auf die Einigung fallen gespalten aus, auch aus der CDU kommt Kritik. während vor allem Linke und SPD den Thüringer Kompromiss begrüßen:

Die Thüringer Linke-Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow sprach von einer Minderheitsregierung in Thüringen, die für einen abgesteckten Zeitraum von einer "konstruktiven Opposition" unterstützt werden solle. Nachdem ein Haushalt für das Jahr 2021 beschlossen ist, solle die Neuwahl des Parlaments beantragt werden, sagte sie.

Ramelow sagte, man habe mit der CDU einen "Stabilitätsmechanismus" vereinbart. Damit solle unter anderem verhindert werden, dass die AfD bei Abstimmungen zum Mehrheitsbeschaffer werde. Linke-Chefin Katja Kipping erklärte, dass damit die bisher von der CDU praktizierte Äquidistanz zu AfD und Linken erledigt sei.

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"Wir sind sicher, dass diese Wahl gelingen wird und Thüringen eine Regierung bekommt, die von Demokraten getragen wird", sagte Thüringens Grünen-Fraktionschef Dirk Adams. SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee erklärte: "Die CDU macht damit den Weg frei, bis Ende des Jahres als konstruktive Opposition für stabile Verhältnisse im Parlament und damit in Thüringen zu sorgen."

Das Verhandlungsteam der Thüringer CDU-Fraktion erklärte nach der Einigung, dass Rot-Rot-Grün keine Vorhaben umsetzen könne, die fundamentalen Überzeugungen der CDU widersprächen. "Die Stabilitätsvereinbarung bedeutet keine Koalition, keine Tolerierung und keine Duldung von Rot-Rot-Grün, sondern eine zeitlich eng begrenzte, projektorientierte Zusammenarbeit zum Wohle Thüringens", hieß es in einer Mitteilung, deren Wortwahl auch vom erheblichen Konfliktpotenzial des Erfurter Kompromisses für die Union zeugt.

"Natürlich ist Ramelow kein Kommunist"

Trotzdem schlug die Einigung auch bei der CDU auf Bundesebene hohe Wellen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble lehnt die Zusammenarbeit seiner CDU mit der Linkspartei weiter kategorisch ab. Schäuble sagte dem "Handelsblatt": "Die Linkspartei ist rechtlich noch die alte SED. Wir hatten und haben Kollegen im Bundestag, die Opfer der Stasi gewesen sind." Der Kampf gegen den Kommunismus sei ein Teil der CDU.

Mit Blick auf die nun vereinbarte Kooperation der Thüringer CDU mit der Linkspartei sagte Schäuble: "Natürlich ist Bodo Ramelow kein Kommunist, er war Gewerkschafter in Hessen." Aber das ändere nichts daran, dass die Linke aus der Nato austreten wolle, dass sie eine unklare Haltung zur EU habe, dass sie in der Außenpolitik starke Rücksicht auf Russland nehme. "Da gibt es keine Zusammenarbeit mit der CDU", sagte Schäuble. Es blieb offen, ob Schäuble zwischen den Linken im Bund und auf Landesebene einen Unterschied macht.

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Zuvor hatte sich auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) entschieden gegen eine Wahl des Linken-Politikers Bodo Ramelow zum Thüringer Ministerpräsidenten mit Hilfe der CDU gewandt. "Eine Wahl von Bodo Ramelow durch die CDU lehne ich ab. Wir sind als Union in einer Vertrauenskrise. Die letzten Wendungen aus Thüringen kosten weiteres Vertrauen", twitterte Spahn, der Mitglied des CDU-Präsidiums ist. "Ich sehe einen Weg nach vorne nur in zügigen Neuwahlen."

Auch positive Reaktionen aus der Union

Auch der Berliner CDU-Chef Kai Wegner übte scharfe Kritik an der Zusage der Thüringer CDU. "Dieser Schritt würde die Grundsätze der CDU Deutschlands verraten. Das wäre ein Stich ins Herz unserer Partei", teilte er am Samstag mit. "Als CDU-Abgeordnete einen Linken zum Ministerpräsidenten zu wählen, wäre eine historische Dummheit.

Es gibt aber auch gegenteilige Meinungen: Thüringens ehemalige Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hat die Einigung begrüßt. "Die Verhandlungspartner von rot-rot-grün und CDU haben einen tragfähigen Kompromiss gefunden", sagte Lieberknecht den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Dieser Kompromiss ermögliche "Verlässlichkeit in der Wahl des Ministerpräsidenten und Stabilität für das Regierungshandeln", fügte Lieberknecht hinzu. Er gebe der CDU Raum für eigene Schwerpunktsetzung und eigenes Profil. Die Zeit bis zu Neuwahlen im kommenden Jahr "kann und muss die CDU nutzen, um in neuer Aufstellung mit einem glaubwürdigen und guten Angebot die Menschen in Thüringen wieder für sich und ihre Arbeit zu gewinnen".

AfD spricht von Verrat

Auch die AfD zeigte sich erwartungsgemäß empört. Die Vorsitzende der Partei im Bundestag, Alice Weidel, sprach am Samstag von einem Dammbruch. "Damit wird der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU zur Makulatur und es zeigt sich einmal mehr: Die anderen Parteien machen sich ihre "Demokratie", wie sie ihnen gefällt", schrieb sie auf Facebook. "Für diesen Dammbruch erhält die CDU noch eine Schonfrist von einem Jahr bis zur Neuwahl, denn man will ja nicht zehn Prozent der Wähler verlieren." Am Schluss schrieb sie: "Den Sozialismus in seinem Lauf, hält weder Ochs noch die CDU auf..."

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Alexander Gauland, AfD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, wählte ähnliche Worte: "Die Entscheidung der Thüringer CDU, einem Ministerpräsidenten der Linkspartei ins Amt zu verhelfen und seine Regierung zu tolerieren, ist ein Verrat an den Wählern der CDU und an allen Opfern des SED-Regimes", erklärt Gauland am Samstag. "Das ist das Ende der CDU von Konrad Adenauer, Ludwig Erhard und Helmut Kohl. Damit ist die Brandmauer zur Linkspartei, die das politische und wirtschaftliche System der Bundesrepublik stürzen und den Sozialismus einführen will, endgültig gefallen."

Lindner: Zusammenarbeit in Einzelfällen

Keine grundsätzliche Ablehnung der Einigung kam dagegen überraschenderweise von der FDP. Parteichef Christian Lindner hält eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei im Einzelfall in Sachfragen für möglich, lehnt dies aber mit der AfD strikt ab. Lindner sagte ntv.de, der ehemalige Ministerpräsident Bodo Ramelow halte die DDR zwar weiterhin nicht für einen Unrechtsstaat, doch anders als der AfD-Politiker Björn Höcke sei Ramelow kein Extremist. "Deshalb kann man mit der Linken im Einzelfall in Sachfragen zusammenarbeiten." Auf die Frage, ob die FDP jetzt die Scherben in Thüringen aufkehren und Ramelow unterstützen sollte, sagte Lindner: "In solchen Fragen entscheiden Fraktionen autonom."

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Bei der SPD, einem der künftigen Koalitionspartner der Linken in Thüringen, zeigte man sich angesichts der Minderheitsregierung und der Neuwahlen im Jahr 2021 erleichtert.

"Gut ist, dass die Bürgerinnen und Bürger bald dran sind", sagte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) am Rande eines Treffens der G20-Finanzminister in Riad (Saudi-Arabien). Die SPD habe von Anfang an für eine Neuwahl plädiert. "Auf diesen Erfolg sind wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehr stolz", sagte Scholz. Es sei auch folgerichtig, dass man neue Wege für eine Minderheitsregierung finden müsse, wenn eine Mehrheitsregierung ohne die AfD wegen der Wahlergebnisse nicht möglich sei.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat außerdem die CDU als Koalitionspartner im Bund aufgefordert, wie vereinbart in Thüringen eine Regierungsbildung und baldige Neuwahlen zu ermöglichen. Esken twitterte: "In der Koalition im Bund haben wir vereinbart, dass die Koalitionsparteien ihren Beitrag für eine demokratisch getragene Regierung und baldige Neuwahlen in Thüringen leisten. Die Demokraten in Thüringen haben einen Weg gefunden. Wir erwarten, dass die CDU im Bund Wort hält."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
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