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Reaktionen auf die verschärften Corona-Regeln: "Enttäuschend und riskant"


"Enttäuschend und riskant"

Von t-online, aj

Aktualisiert am 26.11.2020Lesedauer: 5 Min.
Küche durchgehend geschlossen" prangt in einem Restaurant: Die verschärften Corona-Maßnahmen gelten auch im Dezember.Vergrößern des BildesKüche durchgehend geschlossen" prangt in einem Restaurant: Die verschärften Corona-Maßnahmen gelten auch im Dezember. (Quelle: Arne Dedert/dpa-bilder)
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Die Kanzlerin und die Länderchefs stimmen die Deutschen auf einen schwierigen Jahresabschluss ein. Die Luft werde für immer mehr Unternehmer dünner, klagt nicht nur die Industrie. Die ersten Reaktionen auf die Beschlüsse im Überblick.

Wieder ein Corona-Gipfel, wieder strengere Maßnahmen: Bund und Länder haben sich unter anderem darauf verständigt, den Teil-Lockdown bis zum 20. Dezember zu verlängern. Die Reaktionen aus Industrie und Handel fallen kritisch aus. Während einige der Landespolitiker die Beschlüsse verteidigen, bemängeln Kritiker Inkonsequenz. Ein Überblick.

Städtetagspräsident Burkhard Jung zeigte Verständnis für die Maßnahmen. "Es schmerzt, dass der Teil-Lockdown fortgesetzt werden muss. Jetzt die Kontakte noch weiter zu reduzieren, verlangt uns viel ab", sagte er den Zeitungen der "Funke Mediengruppe". "Aber die Corona-Lage lässt derzeit nichts anderes zu. Je stärker wir jetzt die Regeln einhalten, desto besser kommen wir hoffentlich durch den Winter." Er hoffe auf Lockerungen, wenn Impfstoffe verfügbar seien.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte den "Funke"-Zeitungen, die Lockerungen für Weihnachten und Silvester seien riskant. Er hoffe, dass daraus kein "Kickstarter für die Pandemie" entstehe. "Aber die Befürchtung ist, dass schärfere Regeln für diese Zeit von der Bevölkerung auch nicht akzeptiert würden." Er räumte ein: "De facto haben wir keine Möglichkeit, die Erhaltung der Vorschriften wirksam zu kontrollieren. Daher müssen wir an die Bevölkerung appellieren – und schauen, ob es funktioniert oder nicht."

Die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, unterstützte den Appell zum Verzicht auf das Silvesterfeuerwerk. Die Kliniken seien in der Pandemie ohnehin schon sehr belastet. "Die Ärztinnen und Ärzte in den Notaufnahmen werden es allen danken, die keine Raketen zünden und erst recht auf Chinaböller verzichten. An Silvester müssen jedes Mal schwerste Verletzungen an Händen und Augen behandelt werden, auch Knalltraumata sind häufige Folgen", sagte sie den "Funke"-Zeitungen. Hinzu komme die Belastung von Umwelt und Gesundheit durch Feinstaub. "Das alles sollten wir uns diesmal bitte sparen." In den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschlands verlangte Johna, Bund und Länder müssten endlich dafür sorgen, dass ausreichend Schnelltests für Klinikpersonal zur Verfügung stünden.

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Bildung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, nannte die Beschlüsse für den Schulbereich "enttäuschend und riskant". Sie sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, sie hätte sich stärkere Entscheidungen für den Wechselunterricht gewünscht, also die Aufteilung von Klassen in Schülergruppen, die dann abwechselnd zu Hause und in der Schule unterrichtet werden.

Der Chef des Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger kritisierte die Corona-Beschlüsse als nicht weitgehend genug. Er forderte eine strengere Maskenpflicht. Grundsätzlich sei es begrüßenswert, "dass wenigstens ein Mindestkonsens bei einer Verschärfung von Hygieneschutzmaßnahmen" erzielt worden sei, sagte Meidinger der "Rheinischen Post".

Allerdings hätte der Verband die Maskenpflicht im Klassenzimmer schon ab der 5. Klasse und bei hohen Inzidenzen auch für Grundschüler befürwortet, sagte Meidinger. "Auch dass man jetzt in Hotspotgebieten ab der 8. Klasse Wechselunterricht organisieren kann und damit die Abstandsregel wieder einführen kann, begrüßen wir." Problematisch sei aber, dass die Umsetzung nur eine Kann-Regelung sei und der Inzidenzwert von 200 um das Vierfache über der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts liege.

Auch der Handelsverband HDE kritisierte die Beschlüsse von Bund und Ländern. Es gebe keinen sachlichen Grund, unterschiedliche Regelungen für Verkaufsflächen über und unter 800 Quadratmetern zu erlassen, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth am Mittwochabend in Berlin. Die Hygienekonzepte im Einzelhandel hätten sich sowohl in kleinen wie auch in den größeren Räumlichkeiten von Geschäften, Supermärkten, Kaufhäusern und Einkaufszentren bewährt. "Die neue Regelung könnte auch kontraproduktiv sein, wenn sich Warteschlangen vor den Geschäften und in den Innenstädten bilden."

Die Industrie mahnte unterdessen Planungssicherheit an. Bund und Länder bemühten sich um eine verlässliche Perspektive bis zum Jahresende. "Dies bietet immerhin kurzfristige Orientierung, bringt aber noch nicht ausreichend Planungshorizont für die Wirtschaft", sagte der Präsident des Industrieverbandes BDI, Dieter Kempf, am Mittwochabend in Berlin. Es bleibe wichtig, wirtschaftliche Aktivität weitestgehend am Laufen sowie Schulen, Kindergärten und Kitas offen zu halten. "Zentral muss sein, das Risiko von Jo-Jo-Shutdowns für Wirtschaft und Gesellschaft zu reduzieren", sagte Kempf.

Die Beschlüsse von Bund und Ländern werden die Wirtschaftsaktivität und Verbraucherstimmung aus Sicht des BDI für den Rest des Jahres zusätzlich beeinträchtigen. "Dies wird die vorübergehende konjunkturelle Erholung auch im kommenden Jahr zunächst in Mitleidenschaft ziehen", sagte Kempf. "Die Luft wird im Winter für immer mehr Unternehmer dünner."

Eine intensivere Nutzung der Überbrückungshilfe und eine sofortige Stärkung der steuerlichen Verlustverrechnung seien notwendig, um Betriebe in schwerer Zeit schnellstmöglich mit Liquidität zu versorgen. Der Ersatz ausfallender Umsätze durch staatliche Hilfszahlungen belaste die öffentlichen Haushalte. "Dies darf weder zu einem Verzicht auf Zukunftsinvestitionen noch zu höheren Steuern führen", warnte der BDI-Chef.

Politiker werben um Verständnis

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet verteidigte die Beschlüsse. "Diese heutigen Verschärfungen sind keinem leicht gefallen", sagte Laschet am Mittwochabend in Düsseldorf. "Es wird ein Weihnachtsfest, wie wir es in den letzten Jahren noch nicht erlebt haben."

Laschet betonte, den früheren Beschlüssen für einen befristeten Teil-Lockdown zufolge habe der November ein "Monat der Ruhe" werden sollen. Zwar sei das exponentielle Wachstum bei den Infektionszahlen gebrochen worden, aber die Zahlen bewegten sich noch auf einem "zu hohem Niveau." "Die Lage bleibt ernst, Öffnungsschritte sind jetzt nicht denkbar, und wir können auch noch keine Entwarnung geben."

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) appellierte an die Bevölkerung, Skiurlaube in diesem Jahr zu unterlassen. Diese Art von Tourismus "konterkariere alle Bemühungen der Bevölkerung", das Virus zu bekämpfen, sagte Söder am Mittwochabend in der ZDF-Sendung "Markus Lanz - Das Jahr 2020". Auf ein Verbot von Skigebieten habe man sich bislang auf europäischer Ebene nicht verständigen können. Möglich sei aber eine Reduzierung der Angebote, sagte Söder.

Wenn sich die Zahl der Toten im Zusammenhang mit der Pandemie so weiterentwickele, wären es "6.000 Tote bis Weihnachten", rechnete Söder vor. Deshalb bleibe er bei seiner Linie "von Umsicht und Vorsicht". Mit Blick auf die Entwicklung der Corona-Pandemie sagte der CSU-Chef: "Ich hätte mir gewünscht, ich hätte mich geirrt."

"Der Corona-Winter stellt uns auf eine harte Probe", erklärte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. "Wir müssen den Teil-Lockdown verlängern." Die Trendwende bei den Neuinfektionen sei noch nicht geschafft.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller appellierte angesichts geplanter Lockerungen über Weihnachten und Silvester an Vernunft und Eigenverantwortung der Menschen. Die Politik wolle "natürlich in Anbetracht dieser besonderen Jahreszeit auch einiges ermöglichen, was vielleicht noch nicht geboten wäre, wenn man sich ganz kühl die Zahlen anguckt", sagte der SPD-Politiker am Mittwoch. "Aber Dinge zu ermöglichen heißt ja nicht, dass alles genutzt werden muss, was möglich ist."

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Er richte einen dringenden Appell an die Menschen, sich bewusst zu machen, was jeder Einzelne tun könne, um sich und andere zu schützen, sagte Müller. "Und Familienfeste, (...) selbst wenn sie möglich sind, muss man vielleicht auch nicht so groß und in der Form organisieren, wie man es in den letzten Jahren getan hat." Noch sei das Ende der Pandemie nicht gekommen. "Wir sind in einer Situation, wo es wirklich auch in vielen Bereichen um Leben und Tod geht."

Oben im Video oder hier sehen Sie, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel die neuen Regeln nach dem Corona-Gipfel verkündete.

Liebe Leserinnen und Leser: Wie stehen Sie zu den neu verkündeten Corona-Regeln von Bund und Ländern? Schicken Sie uns Ihre Meinung dazu an lesermeinung@stroeer.de. Eine Auswahl der Einsendungen werden wir mit Nennung des Namens veröffentlichen.

Am Donnerstag will die Kanzlerin eine Regierungserklärung im Bundestag abgeben, wie Regierungssprecher Steffen Seibert ankündigte.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
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  • Florian Schmidt
Von Florian Schmidt

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