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Afghanistan - Maas: Botschaftspersonal an Kabuler Flughafen verlegt


Maas: Botschaftspersonal an Kabuler Flughafen verlegt

Von dpa
Aktualisiert am 15.08.2021Lesedauer: 5 Min.
Neben der US-Botschaft in Kabul steigt Rauch auf.Vergrâßern des BildesNeben der US-Botschaft in Kabul steigt Rauch auf. (Quelle: Rahmat Gul/AP/dpa./dpa)
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Berlin/Kabul (dpa) - Deutschland hat seine Botschaft in Afghanistan wegen des Vorrückens der Taliban auf Kabul geschlossen und das Personal zum militÀrischen Teil des Flughafens in der afghanischen Hauptstadt verlegt. Das teilte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Sonntag auf Twitter mit.

"Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dort inzwischen eingetroffen und stellen ihre ArbeitsfΓ€higkeit her", erklΓ€rte Maas.

Für den Nachmittag habe er erneut den Krisenstab der Bundesregierung einberufen. Es gehe darum, "Sofortmaßnahmen zur Sicherung und zur Ausreise deutscher Bediensteter und weiterer gefÀhrdeter Personen aus Afghanistan auf den Weg zu bringen".

Zuvor hatte bereits das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" ΓΌber die Evakuierung der deutschen Botschaft berichtet. Nach ersten Meldungen ΓΌber das Eindringen von Taliban-Einheiten in die Stadt seien die etwa 20 BotschaftsangehΓΆrigen und die Bundespolizisten, die zum Schutz der diplomatischen Vertretung abgestellt sind, aus SicherheitsgrΓΌnden zum militΓ€risch gesicherten Flughafen gebracht worden.

Merkel will Fraktionsvorsitzende unterrichten

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag noch an diesem Sonntag ΓΌber die dramatische Zuspitzung der Lage in Afghanistan unterrichten. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Fraktionskreisen. Dabei dΓΌrfte es auch um die Evakuierung des deutschen Botschaftspersonals, anderer deutscher StaatsbΓΌrger und afghanischer OrtskrΓ€fte durch die Bundeswehr gehen. Die Unterrichtung soll den Angaben zufolge um 18.30 Uhr stattfinden. Zuerst hatte das ZDF ΓΌber den Termin berichtet.

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Sonntagnachmittag bei der Aufzeichnung des Sommerinterviews fΓΌr die ARD-Sendung "Bericht aus Berlin", die Evakuierung der deutschen Botschaftsmitarbeiter und afghanischer OrtskrΓ€fte laufe an. Es gehe jetzt um Tempo. "Wir mΓΌssen schnell handeln." Dies sei auch mΓΆglich. Alle Dinge seien "auf den Weg gebracht".

An diesem Montag fliegen FallschirmjΓ€ger der Bundeswehr in MilitΓ€rtransportern nach Kabul. Am selben Tag trifft nach Angaben aus Sicherheitskreisen ein sogenanntes KrisenunterstΓΌtzungsteam (KuT) aus Experten verschiedener Ministerien in der afghanische Hauptstadt ein.

In der usbekischen Kapitale Taschkent soll ein zweites KuT eine Drehscheibe ("Hub") für die Rettung von Menschen vor den Islamisten organisieren. Es geht um den bislang wohl grâßten Evakuierungseinsatz der Bundeswehr.

Heiße Phase begann am Freitag

Sieben Wochen nach dem Abzug der letzten deutschen Soldaten aus Afghanistan jagte in Berlin in den vergangenen Tagen eine Krisensitzung die nÀchste. Die heiße Phase begann am Freitag um 11.30 Uhr mit Beratungen im AuswÀrtigen Amt. Noch kânnen die Zahlen sich verÀndern, aber es müssen wohl mindestens 57 Botschaftsangehârige und 88 weitere Deutsche ausgeflogen werden. Dazu kommt eine grâßere Anzahl bedrohter afghanischer OrtskrÀfte.

Nach einem Hickhack um die Ausreise von afghanischen Mitarbeitern nach Deutschland in den vergangenen Wochen wird nun eine sogenannte All-in-LΓΆsung vorbereitet. Deutsche und ihre Mitarbeiter werden in einem gemeinsamen Einsatz ausgeflogen. Allein Organisationen aus dem GeschΓ€ftsbereich des Entwicklungsministeriums haben derzeit noch mehr als 1000 einheimische Mitarbeiter in Afghanistan. GefΓ€hrdet sind aber auch Mitarbeiter deutscher Medien.

Allerdings sind fΓΌr viele OrtskrΓ€fte die Wege ins rettende Kabul bereits versperrt, nachdem die Taliban ihren Eroberungsfeldzug im Eiltempo und oft auch gegen kampflos kapitulierende RegierungskrΓ€fte fortsetzen. Sie stehen nun praktisch vor den Toren Kabuls. Dass sie die EvakuierungskrΓ€fte in der afghanischen Hauptstadt angreifen kΓΆnnten, gilt den MilitΓ€rplanern angesichts der wieder verstΓ€rkten US-Truppen als eher unwahrscheinlich, sehr wohl aber wird mit einer "Infiltration" gerechnet.

Die MilitΓ€rfΓΌhrung hatte deswegen am Freitag auch NH-90-Hubschrauber in Bereitschaft versetzt, die den Transport innerhalb Kabuls ΓΌbernehmen kΓΆnnten. Allerdings wurden sie erst jΓΌngst aus Afghanistan abgezogen und mΓΌssten nun mit der Kraft der eigenen Triebwerke und ΓΌber zahlreiche Zwischenstationen zurΓΌck an den Hindukusch verlegt werden.

Zum Einsatz sollen in der neuen Woche aber vor allem FallschirmjΓ€ger der Division Schnelle KrΓ€fte (DSK) kommen, die die Bundeswehr als Teil der Nationalen Risiko- und Krisenvorsorge fΓΌr diese Aufgabe bereithΓ€lt. Die Spezialisten sind in Saarlouis (Saarland) und Seedorf (Niedersachsen) stationiert und gehΓΆren allesamt der Luftlandebrigade 1 an. "Sie ist die am schnellsten verfΓΌgbare Brigade der Bundeswehr fΓΌr krisenhafte Entwicklungen im Ausland", schreibt die Bundeswehr.

In Seedorf stand man am Wochenende in den StartlΓΆchern. Eine Zahl von 300 Soldaten gilt als realistisch. Zudem sind deutsche MilitΓ€rpolizisten ("FeldjΓ€ger") und BundeswehrsanitΓ€ter beteiligt.

Denn die Evakuierung ist vor allem eine logistische Aufgabe: Menschen auf einer Liste müssen zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem Punkt versammelt und identifiziert werden - notfalls auch in einer feindlichen Umgebung, in der Straßen nicht mehr ungehindert befahren werden kânnen. Einen solchen Einsatz hat es für die Bundeswehr so weit entfernt noch nicht gegeben. Aber: Beim Zusammenbruch in Albanien im MÀrz 1997 hatten deutsche Soldaten mit der "Operation Libelle" rund 100 Menschen aus Tirana ausgeflogen. Dabei kam es zu einem Schusswechsel. Im Jahr 2011 wurden bei der "Operation Pegasus" bedrohte Deutsche aus Libyen gebracht.

Bundestagsmandat wird vorbereitet

FΓΌr die Evakuierung aus Kabul wird nun ein Bundestagsmandat vorbereitet, auf das in den vergangenen Tagen vor allem MilitΓ€rexperten drΓ€ngten. Die Soldaten wollen den RΓΌckhalt der Politik haben. Formal gilt der Evakuierungseinsatz als mandatierungspflichtig, weil eine Basis fΓΌr das bisherige Mandat nach dem Ende des Nato-Einatzes "Resolute Support" als nicht mehr gegeben gilt. Allerdings wΓΌrde bei bei Gefahr im Verzug - also wenn es um Leib und Leben von Deutschen im Ausland geht - auch unverzΓΌglich und auf Basis eines Kabinettsbeschlusses gehandelt.

Dass der schnelle Zusammenbruch der mit Geld und Waffen aufgebauten afghanischen KrÀfte Fragen über den Tag hinaus aufwerfen wird, ist klar. Der frühere Nato-General Hans-Lothar Domrâse plÀdiert schon für ein Überdenken des Vorgehens bei MilitÀrengagements außerhalb Europas. "Unser gesamtes Konzept "train assist advise" (ausbilden, unterstützen, beraten) werden wir überprüfen müssen und wir müssen fairerweise die Frage stellen: Funktioniert das außerhalb Europas? Scheinbar nicht", sagte der Heeresgeneral am Samstag in NDR Info. Man müsse bei AuslandseinsÀtzen vorher politische Ziele klar setzen, langen Durchhaltewillen zeigen - oder eben nicht hingehen.

Der Westen habe in Afghanistan "350.000 SicherheitskrΓ€fte ausgebildet, recht gut ausgerΓΌstet. Da fliegen mehr Hubschrauber bei denen als bei der Bundeswehr. Also: Sie haben sie nicht eingesetzt, und warum nicht?" Es mangele an Kampfmoral und LoyalitΓ€t, sagte DomrΓΆse. Den afghanischen Soldaten "fehlt das WofΓΌr".

In Berlin kommt nun Kritik, aber auch Zustimmung aus Parteien, die stets gegen diesen Einsatz waren: Der Linken-Verteidigungspolitiker Alexander Neu wies darauf hin, dass andere Staaten ihre Botschaften in Kabul ganz schließen, und sagte mit Blick auf die Niederlage der USA im Vietnamkrieg: "Nicht das Szenario Rote Armee 1989, sondern das Szenario Saigon deutet sich an."

Der AfD-Verteidigungspolitiker Rüdiger Lucassen schrieb in einem fraktionsinternen Brief, Argumente gegen den Einsatz und gegen AuftrÀge an die Bundeswehr zur Demokratisierung anderer Staaten seien nun "unwiderlegbar" bestÀtigt. Die Rettung von Deutschen aus großer Gefahr werde aber immer und überall unterstützt.

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