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MPK – NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst widerspricht Kanzler-Linie scharf


Nach dem Corona-Gipfel
NRW-Ministerpräsident Wüst widerspricht Kanzler-Linie scharf

Von t-online
Aktualisiert am 22.12.2021Lesedauer: 4 Min.
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Wegen Omikron: Bund und Länder haben in ihrer Spitzenrunde am Dienstag neue Einschränkungen beschlossen. (Quelle: t-online)
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Bund und Länder haben neue Maßnahmen im Kampf gegen Omikron beschlossen. Bereits auf der Pressekonferenz protestieren mehrere Länder. Doch Kritik kommt nicht nur von den Ministerpräsidenten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Bundesländer haben sich auf neue Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie geeinigt, die nach Weihnachten in Kraft treten sollen. Mehr zu den Beschlüssen lesen Sie hier.

"Corona macht keine Weihnachtspause", sagte Scholz bei der Vorstellung der Maßnahmen am Dienstagabend in Berlin. Dennoch habe die Spitzenrunde den Zeitpunkt bewusst erst nach Weihnachten gewählt, sagte der Bundeskanzler. Die Erfahrungen der Corona-Pandemie hätten gezeigt, dass Weihnachten und Ostern auch wegen der Verhaltensweise der Bürger keine großen Treiber der Pandemie gewesen seien. Deutlich warnte Scholz aber vor großen Silvesterpartys.

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Am 7. Januar wollen sich Scholz und die Ministerpräsidenten das nächste Mal treffen. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, der derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist, sagte, Bund und Länder bräuchten wegen der Omikron-Variante eine klare Strategie für die nächsten Wochen. Diese solle bei dem Treffen zu Jahresbeginn festgelegt werden. Die Bundesregierung habe zugesagt, zu dem Termin eine konkrete Planung vorzulegen.

Wüst kritisiert chaotische Informationslage

Zugleich kritisierte Wüst nach einem erst kurz vor dem Spitzengespräch bekannt gewordenen Papier mit neuen Empfehlungen des Robert Koch-Instituts eine chaotische Informationslage des Bundes. Dies habe zu Verunsicherung geführt. Wüst räumte ein, dass die von der Politik beschlossenen Maßnahmen nicht mit den RKI-Empfehlungen übereinstimmen. Die MPK müsse nicht immer allen Empfehlungen nachkommen, sagte Wüst weiter. Dennoch sei dem RKI der nötige Respekt entgegenzubringen, forderte er. Das RKI als Institution habe diesen Respekt verdient.

Die RKI-Experten hatten insbesondere sofortige Maßnahmen zum Herunterfahren des öffentlichen Lebens gefordert. Die von der MPK beschlossenen Beschränkungen treten mehrheitlich erst nach Weihnachten in Kraft und sehen nicht die vom RKI empfohlenen Maßnahmen wie etwa die Schließung der Gastronomie vor.

Sachsen, Baden-Württemberg und NRW kritisieren Beschlüsse als nicht ausreichend

Wüst kritisierte auch scharf den Beschluss der Ampelparteien, die epidemische Notlage nationaler Tragweite auslaufen zu lassen. "Wann, wenn nicht jetzt, haben wir eine epidemische Lage nationaler Tragweite?", sagte Wüst bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz und Berlins neuer Regierungschefin Franziska Giffey (SPD). "Insofern ist der Beschluss, dass sie nicht fortgilt, aus meiner Sicht ein klarer Fehler."

Auch dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) gehen die Maßnahmen nicht weit genug. Die verabredeten Kontaktbeschränkungen seien nicht ausreichend, vor allem, wenn sich die Lage zuspitze, sagte der Grünen-Politiker am Dienstagabend nach der Ministerpräsidentenkonferenz dem SWR. Den Ländern fehlten weiter die Instrumente, um die Pandemie einzudämmen. Wenn es zu einem Hochlauf der Omikron-Mutante komme, könne er keine Ausgangssperren mehr anordnen, kritisierte Kretschmann.

In einer Protokollerklärung zu dem Beschluss der Bundesregierung und der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vom Dienstag fordert Baden-Württemberg den Bundestag mit Blick auf die exponentielle Ausbreitung der Omikron-Variante auf, kurzfristig erneut die sogenannte "epidemische Lage von nationaler Tragweite" festzustellen. Die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Sachsen erklären zudem, dass sie die von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen gegen die Pandemie für unzureichend halten.

Dietmar Bartsch kritisiert "kommunikatives Desaster"

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, sieht das Vertrauen der Bevölkerung massiv beschädigt. Es sei irritierend, dass die Corona-Maßnahmen erst ab dem 28. Dezember und nicht schon vor Weihnachten verschärft werden, sagte Bartsch den Zeitungen Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Er wolle es ironisch sagen: "Bis vor Kurzem war mir nicht bekannt, dass das Virus unsere Weihnachtsfeiertage verinnerlicht hat." Dazu komme das "kommunikative Desaster", dass das RKI öffentlich auf viel schärfere und schnellere Maßnahmen durch sofortige und maximale Kontaktbeschränkungen gedrängt habe, als die Bundesregierung es dann mit den Ländern beschlossen habe – und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sich vernehmbar über seine Bundesbehörde beklage. Bartsch sagte dem RND: "Das alles ist der Bevölkerung nicht zu erklären und schwächt das Vertrauen in die Corona-Politik weiter."

Auch der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger kritisierte die jüngsten Beschlüsse als unzureichend, um die Ausbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante aufzuhalten. "Wir bräuchten jetzt einen scharfen Lockdown vom 27. Dezember bis zum Neujahrstag, ähnlich wie in den Niederlanden", sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete der "Augsburger Allgemeinen". "Das ist alles nicht genug, schon im vergangenen Winter haben die geringen Kontaktbeschränkungen nicht ausgereicht, um die damalige Corona-Welle zu brechen."

Virologe Streeck: Beschlüsse "sind erst mal ein guter Weg"

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck, Mitglied des Corona-Expertenrates der Bundesregierung, hält die Beschlüsse von Bund und Ländern hingegen im Moment für ausreichend. Streeck wies am Dienstagabend im ZDF darauf hin, dass die Inzidenzen in Deutschland – anders als in anderen Ländern – zuletzt immer noch gefallen seien. Deshalb sei es auch gerechtfertigt, dass die geplanten Kontaktbeschränkungen erst nach Weihnachten greifen sollen und nicht schon während der Feiertage.

Angesichts einer drohenden Omikron-Welle halten die Kliniken in Deutschland eine weitere Verschärfung der Corona-Maßnahmen für denkbar. Die von Bund und Ländern beschlossenen Kontaktbeschränkungen seien "notwendig, möglicherweise aber nicht ausreichend", sagt der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Deshalb sei es notwendig, dass die Lage weiterhin täglich beobachtet und analysiert werde. "Gegebenenfalls muss dann kurzfristig nachgesteuert werden." Gaß fordert die Politik parteiübergreifend auf, "die Debatte um die allgemeine Impfpflicht nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern kurzfristig hier eine Entscheidung zu treffen." Es brauche Klarheit, ein hohes Impftempo und das Schließen der Impflücke.

Der deutsche Mittelstand vermisst nach dem jüngsten Corona-Gipfel entscheidende Antworten, wie die Unternehmen die wirtschaftlichen Auswirkungen unbeschadet bewältigen können. "Ganze Branchen werden im Grunde genommen allein gelassen", sagt Hans-Jürgen Völz, Chefvolkswirt des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wieder werden entscheidende Fragen für Wirtschaft und Gesellschaft nicht schlüssig beantwortet." Es bleibe der Eindruck eines Planungs- und Kommunikationschaos. Dies sei nach immerhin zwei Jahren Corona-Pandemie ein "unhaltbarer Zustand".

Der Expertenrat hatte am Wochenende mit Blick auf die hochansteckende Omikron-Virusvariante vor einer dramatischen Lage gewarnt und "Handlungsbedarf" bereits für die kommenden Tage festgestellt. Man habe empfohlen, Omikron ernst zu nehmen und die erwartete Welle abzubremsen, sagte Streeck am Abend in der Sendung "ZDF spezial". "Dafür sind die Beschlüsse der MPK erst mal ein guter Weg." Falls es nötig sei, könne man auch sehr schnell nachsteuern.

Verwendete Quellen
  • Pressekonferenz von Bund und Ländern am 21. Dezember
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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