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"Air Defender"-Mega-Manöver: Nato probt – Luftwaffe warnt vor Kreml


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Mega-Manöver in Deutschland
Luftwaffe warnt vor Reaktion aus dem Kreml

  • Annika Leister
InterviewVon Annika Leister

Aktualisiert am 08.04.2023Lesedauer: 5 Min.
Kampfjets des Typs A10 Thunderbolt: Die USA schicken die meisten Maschinen zur "Air Defender"-Übung.Vergrößern des Bildes
Kampfjets des Typs A-10 Thunderbolt: Die USA schicken die meisten Maschinen zur "Air Defender"-Übung. (Quelle: Imago/ StockTrek Images)

Es ist das bislang größte Manöver der Nato: Mit Hunderten Flugzeugen probt das Bündnis bald die Verteidigung eines Mitgliedslands. Ein Oberstleutnant erklärt, warum die Militärs in Deutschland üben – und warnt vor Reaktionen aus dem Kreml.

Eine so große Verlegeübung von Luftstreitkräften hat es in der Geschichte der Nato noch nie gegeben: Mit 10.000 Soldaten und mehr als 200 Flugzeugen üben 24 Nationen im Juni gemeinsam für den Ernstfall. Für das Manöver "Air Defender" werden vor allem in Nord-, Süd- und Ostdeutschland Kampfjets abheben. Viel Lärm ist genauso sicher wie Änderungen im normalen Luftverkehr.

Warum die Übung für die Nato gerade jetzt wichtig ist und die Bundeswehr nicht nur viele Zuschauer, sondern auch eine Reaktion aus Russland erwartet, erklärt Oberstleutnant Matthias Boehnke. Er brennt für das Manöver. Für das Interview mit t-online geht er auf einer Dienstreise auch morgens um 4 Uhr in Washington ans Telefon: "Für 'Air Defender' können Sie mich jederzeit wecken."

Zur Person

Matthias Boehnke, 54 Jahre alt, verantwortet bei der Luftwaffe die Kommunikation für die "Air Defender"-Übung. Er ist Oberstleutnant, seit 1988 bei der Truppe und hat unter anderem in Mali, Afghanistan und im Kosovo gedient.

t-online: Herr Boehnke, die Übung "Air Defender" wird seit vier Jahren geplant, Russlands Angriffskrieg in der Ukraine verleiht ihr aber ein ganz neues Gewicht. Welche Bedeutung hat die Übung aus Sicht der Streitkräfte jetzt?

Matthias Boehnke: "Air Defender" ist die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Bestehen der Nato. Wir üben nach langer Zeit erstmals wieder den Bündnisfall nach Artikel 5: Ein Angriff auf ein Nato-Land bedeutet einen Angriff auf die gesamte Nato. Es sind 24 Nationen mit 220 Flugzeugen dabei, allein die USA schicken mehr als 100 Maschinen. Diese Übung hat enorme Bedeutung für das Bündnis, sie ist ein historisches Zeichen. Wir senden an die Bevölkerung so die Botschaft: Wir sind gemeinsam bereit, euch zu verteidigen. Anderen Nationen wird das natürlich nicht verborgen bleiben.

Erwarten Sie eine Reaktion aus dem Kreml auf die Übung?

Man wird mit Sicherheit kommunikativ reagieren. Russland wird versuchen, Desinformationen zu streuen, und behaupten, dass wir das Land bedrohen. Da ist es wichtig aufzuklären: Wir sind ein absolut defensives Bündnis. Es geht nicht um den Angriff, sondern um Verteidigung. Die Übung richtet sich nicht gegen andere Länder, es geht um unsere Sicherheit.

In den vergangenen Wochen ist die Zahl der teilnehmenden Nationen von 18 auf 24 gestiegen. Warum kommt es angesichts der langen Vorplanung zu so kurzfristigen Änderungen?

Das müsste man die Länder fragen, die so kurzfristig noch zusagen. Ich nehme an, dass angesichts der aktuellen Lage immer mehr Länder begreifen, welche Rolle diese Übung spielt. Kurzfristige Planungen können auch eine Rolle spielen. Wir werben in Militärkreisen jedenfalls sehr für die Teilnahme.

Sie üben den Ernstfall, den Angriff auf ein Nato-Land. Warum findet das Manöver in Deutschland statt?

Wir werden immer wieder gefragt, warum Deutschland nicht mehr Führung übernimmt, warum Deutschland nicht mehr tut. Jetzt zeigen wir: Deutschland kann Führung, wir sind ein wichtiger Partner in der Verteidigung. Hinzu kommt, dass wir die Logistik für ein so großes Manöver haben. Wir müssen schließlich 10.000 Soldaten Unterkunft bieten, wir brauchen ausreichend Flugplätze. Dafür haben wir die nötige Infrastruktur.

Welche der 24 Nationen sind bei der Übung am stärksten vertreten?

18 Nationen nehmen mit Flugzeugen an der Übung teil. Die USA verlegen mehr als 100 Flugzeuge, Deutschland stellt rund 60, die Niederlande beteiligen sich mit 12 Flugzeugen. Das sind die Top 3. Andere Länder schicken fünf oder sechs Maschinen. Das ist auch schon einiges.

Welche Manöver werden konkret geübt? Was ist am Himmel zu erwarten?

Das wird nicht ablaufen wie im Film "Top Gun", wie manche glauben. Flieger werden nicht eng aneinander und wie wild am Himmel kreisen. Wir werden auch keine Waffen einsetzen. Das Wichtigste bei einer solchen Übung ist die Planung und Auswertung im Anschluss. Man muss schließlich Dutzende Flugzeuge mit unterschiedlichsten Fähigkeiten gleichzeitig koordinieren.

Ein Beispiel?

Nehmen wir den Auftrag, einen gegnerischen Bunker zu zerstören: Dafür braucht es ein Flugzeug, das die Waffe trägt und einsetzt, es braucht aber auch ein Aufklärungsflugzeug und gleich mehrere Maschinen, die den Einsatz absichern. Das ist ein enormer Planungsaufwand und ähnlich wie bei einem Orchester: Damit nichts schiefgeht, damit alle im Einklang sind, braucht es einen guten Dirigenten.

Durchbrechen die Kampfjets dabei die Schallmauer oder machen Manöver im Tiefflug?

Das ist nicht geplant, auf jeden Fall nicht über bewohntem Gebiet. Über See kann es dazu kommen. Die Einzigen, die über Land tiefer fliegen werden, sind A-10-Maschinen der Amerikaner am Truppenübungsplatz Baumholder in Rheinland-Pfalz. Die werden im Luft-Boden-Einsatz simuliert den Bombenabwurf üben. Aber auch das sind keine Tief- oder Überschallflüge.

Für die "Air Defender"-Übung werden kurz vor Ferienbeginn Teile des deutschen Luftraums für zehn Tage für die gesamte zivile Luftfahrt gesperrt. Wie groß werden die Auswirkungen auf den Flugverkehr sein?

Es gibt drei größere zusammenhängende Lufträume – den Luftraum Ost, Süd und Nord –, die im Uhrzeigersinn für jeweils zwei Stunden pro Tag gesperrt werden. Damit der Luftraum dann tatsächlich frei ist, braucht es ein bisschen Zeit vor und nach jeder Übung. In Simulationen wird noch geprüft, wie lange wir genau dafür brauchen. Erst danach können wir sagen, welche zivilen Flüge umgeleitet, verschoben oder im schlimmsten Fall abgesagt werden müssen.

Die Flugsicherheit erwartet erhebliche Auswirkungen auf den zivilen Flugverkehr. Fluggesellschaften hätten gerne früh Klarheit, damit ist aber erst Ende April zu rechnen. Warum so spät?

Die Planung ist extrem komplex. Die Übung ist schon lange angemeldet, die Lufträume sind uns vor Monaten zugesagt worden. Aber wie viele Flugzeuge tatsächlich zur Übung kommen, können auch wir erst Mitte April sagen. Wichtig ist: Wir fliegen an zehn Tagen bei der Übung. Zehn von 365 Tagen. Ich denke, das ist ein hinnehmbarer Anteil für die Verteidigung unserer aller Freiheit und Demokratie.

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Für Flugzeugfans ist das Manöver ein Spektakel. Erwarten Sie Schaulustige an den Flughäfen?

Ja, wir rechnen mit vielen Zuschauern. Aus der Community der sogenannten Spotter, die Flugzeuge sichten und Flüge dokumentieren, erhalten wir bereits viele Anfragen. Wer tatsächlich etwas sehen will, der muss zu den Flugplätzen selbst kommen. Wenn die Maschinen einmal vom Boden abgehoben sind, fliegen sie zu hoch.

Wie funktioniert das bei einem Militärflughafen, wie nah lassen Sie die Leute ran?

Die Flughäfen sind militärisches Sperrgebiet, sie werden von einem Zaun und Wachen abgeriegelt. Aber wir werden die Sperrzone nicht ausweiten. Bis an den Zaun darf jeder Mensch gehen.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Matthias Boehnke
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