BSW-Generalsekretär über CDU "Das ist doch alles Unsinn"
Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die Regierungsbildung in Sachsen und Thüringen wird kompliziert. t-online hat mit Christian Leye, Generalsekretär des BSW, zu den möglichen Verhandlungen gesprochen.
In Thüringen und Sachsen bahnen sich jeweils Koalitionen von CDU und BSW an – weil es nach den Landtagswahlen keine andere Möglichkeit gibt, ohne die AfD eine Regierung zu bilden. Doch gerade in der Union rumort es: Im Westen halten viele schon die Aufnahme von ersten Sondierungsgesprächen mit der Wagenknecht-Partei für Frevel.
Hinzu kommt, dass beide Parteien an vielen Stellen inhaltlich sehr weit auseinander liegen. Wie blickt das BSW selbst darauf? Und wie ließen sich Kompromisse mit der CDU finden? Christian Leye, Generalsekretär des BSW, steht t-online dazu Rede und Antwort. Und äußert erst einmal Kritik an dem möglichen neuen Koalitionspartner.
t-online: Herr Leye, viele in der CDU sagen: Das BSW ist der verlängerte Arm Putins. Mit welcher Stimmung gehen Sie nach solchen Aussagen in die Koalitionsverhandlungen in Thüringen?
Christian Leye: Mancher in der CDU versucht, die Landesverbände gegen die Bundespartei auszuspielen. Vor Sondierungsgesprächen für eine gemeinsame Regierung schafft so etwas in der Tat kein Vertrauen. Vielleicht aber spricht da auch ein wenig der Neid heraus, wenn man sich das Kommunikationsdebakel der Union ansieht. Da sind die einen bereit, mit uns Verantwortung zu übernehmen. Der andere Teil der Union vergisst seine gute Kinderstube unserer Bundesvorsitzenden gegenüber. Und der Chef steht in der Mitte und schaut, wer gewinnt. Ich kann mir vorstellen, dass Neid aufkommt – auf unsere Geschlossenheit und auch Entschlossenheit.
Friedenspolitik, die nichts mit Länderfragen zu tun hat, ist Ihrem BSW wichtig. Nun verhandeln Sie mit der CDU, die sich zumindest in Thüringen nicht von Waffenlieferungen an die Ukraine distanziert hat. Wie glaubwürdig sind Sie als BSW eigentlich in diesem Punkt?
Friedenspolitik ist uns wichtig, und das muss auf Landesebene eine Rolle spielen. Denn das Thema Krieg und Frieden war in diesen Landtagswahlkämpfen für die Menschen und für die Wählerinnen und Wähler sehr wichtig. Und vielleicht ist es eine gute Idee, dass man den Wählerwillen dann nach der Wahl auch aufgreift und umsetzt – und nicht dauernd versucht, die Menschen zu erziehen. Vielleicht gibt es dann weniger Sondersendungen im Fernsehen zum Thema: Warum wächst der Unmut in der Bevölkerung?
Die CDU will keinen höheren Mindestlohn, dafür lieber steuerfreie Überstunden. Sie und das BSW lehnen das ab und möchten eine Vermögenssteuer einführen. Passen diese Parteien in Sachen Finanzen und Soziales überhaupt zusammen?
Es stimmt, dass wir derzeit im sozial- und wirtschaftspolitischen Bereich unterschiedliche Ansätze verfolgen. Wir setzen uns für Gerechtigkeit und Verbesserungen für die breite Bevölkerung ein. Gleichzeitig haben wir eine Verantwortung gegenüber dem Land und den Wählern. Wahlergebnisse sind keine Wunschkonzerte.
Das war jetzt eine typische Politphrase. Was meinen Sie konkret?
Wir werden uns nicht wie die CDU verhalten, die bereits zwei Unvereinbarkeitsbeschlüsse gefasst hat und nun den dritten gegen uns diskutiert. Man fragt sich, was passiert, wenn sie noch die SPD ausschließen, weil die Große Koalition unerwünscht ist – dann bleibt ja nur noch die FDP. Das ist doch alles Unsinn. Wir sind in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen. Auf Länderebene müssen wir genau schauen, was gemeinsam möglich ist. Wir haben klargestellt, dass wir konkrete Vorschläge unterbreiten werden, wenn es Verbesserungen für die Menschen vor Ort gibt. Wenn diese gemeinsam umsetzbar sind, sind wir auch bereit, zusammenzuarbeiten.
Kommen Sie und das BSW jetzt in der Realität an und merken, dass Ihre populistischen Forderungen wie ein höherer Mindestlohn und soziale Gerechtigkeit mit der CDU nicht umsetzbar sind?
Da muss ich widersprechen, das ist kein Populismus, auch aus etablierten Parteien gibt es diese Forderung. In Thüringen oder Sachsen muss nun sondiert werden, bei welchen konkreten Themen in den Ländern es Gemeinsamkeiten gibt, etwa bei Verbesserungen im Bildungssystem. Dann wird sich zeigen, ob es für die Länder insgesamt Fortschritte gibt. Das werden unsere Vertreterinnen und Vertreter vor Ort in den Sondierungsgesprächen klären. Ich werde von der Bundesebene aus nicht vorgreifen, da es sich um Länderthemen handelt, die von unseren Landesvertretern in den Gesprächen besprochen werden. Danach werden wir die Situation gemeinsam bewerten müssen.
Ich habe mir die Wahlergebnisse in Thüringen auch nicht gewünscht.
Christian Leye
Aber hat Frau Wagenknecht nicht angekündigt, selbst mit am Verhandlungstisch sitzen zu wollen?
Nein, das wurde missverstanden. Das wäre auch weder praktikabel noch umsetzbar, da Frau Wagenknecht ja schon terminlich keine Sondierungsgespräche in mehreren Ländern führen kann. Das ist klar eine Aufgabe der Länderebene, und unsere Leute vor Ort werden das sehr gut meistern. Wir haben betont, dass es vor Beginn der Sondierungsgespräche ein Gespräch über die grundsätzliche Richtung geben muss. An dem ist dann neben unseren Vertretern auf der Länderebene auch Frau Wagenknecht beteiligt. Ich denke nicht, dass das zu viel verlangt ist, denn es geht schließlich um eine stabile Regierung in den Ländern.
Wie gefällt Ihnen der Gedanke, dass Bodo Ramelow dem BSW mit seiner Stimme in die Regierung helfen könnte?
Ich habe mir die Wahlergebnisse in Thüringen und die daraus resultierende komplizierte Konstellation auch nicht gewünscht. Wie man damit umgeht und wie sich die anderen Partein oder Bodo Ramelow dazu aufstellen, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Wichtig ist, dass wir stabile Verhältnisse schaffen wollen. Das Wahlergebnis ist natürlich alles andere als einfach, da muss man nichts beschönigen.
Neben der CDU müssten Sie in Thüringen auch mit der SPD zusammenarbeiten, die Ihre Vorsitzende in jeder Rede zerpflückt. Ist das BSW damit schon jetzt eine "Systempartei", die doch nur auf Posten und Macht schielt?
Wir haben, glaube ich, stärker als alle anderen Parteien in diesem Wahlkampf deutlich gemacht, dass wir nicht auf Posten schielen und dass Regieren für uns kein Selbstzweck ist. Das gilt auch nach der Wahl. Wir werden uns nur dann an einer Regierung beteiligen, wenn es in Zusammenarbeit mit den anderen Parteien konkrete Verbesserungen für die Menschen im Land gibt. Wenn die Menschen umgekehrt nicht das Gefühl haben, dass es vorangeht und sich etwas verbessert, sondern alles bleibt wie bisher, dann hätten wir der Demokratie einen Bärendienst erwiesen. Dafür sind wir nicht bereit, und das haben wir immer mit großer Klarheit gesagt. Das gilt vor der Wahl genauso wie jetzt danach.
Herr Leye, vielen Dank für dieses Gespräch.
- Interview mit Christian Leye