Reaktion auf Merz' Scheitern "Da wollen einige wohl die Republik brennen sehen"

Noch nie ist ein Kanzlerkandidat im ersten Wahlgang gescheitert. Die Reaktionen auf das Scheitern reichen von Schadenfreude bis Unverständnis.
Nach der historischen Niederlage des Bundeskanzlerkandidaten Friedrich Merz im ersten Wahlgang im Bundestag sorgte im politischen Berlin für sehr unterschiedliche Reaktionen. Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte einem Reporter laut "Tagesspiegel" den Vogel, als dieser ihn fragte, ob er sich über die Lage freue: "Ich glaube, es wäre gut gewesen, es hätte im ersten Wahlgang geklappt. Aber es gibt ja einen zweiten Wahlgang", sagte der geschäftsführende Bundeskanzler wohl sichtbar angefasst.
CDU-Fraktionschef Jens Spahn zeigte sich vor Journalisten kämpferisch: "Wir werden als Koalition – Union und SPD – Friedrich Merz erneut für den zweiten Wahlgang vorschlagen", sagte Unionsfraktionschef Jens Spahn im Bundestag. Es sei gemeinsam beschlossen worden, in einen zweiten Wahlgang zu gehen. Wann dieser stattfinden werde, sei aber noch offen. Es werde noch geklärt, ob dieser erst in einigen Tagen oder mit Zustimmung anderer Fraktionen möglicherweise auch früher stattfinden könne.
Der designierte Außenminister Johann Wadephul erklärte im Gespräch mit der britischen BBC, die Ereignisse bei der Kanzlerwahl seien kein chaotischer Start für eine mögliche Kanzlerschaft von Friedrich Merz. Die Niederlage im ersten Wahlgang sei "ein Hindernis, aber keine Katastrophe". Merz werde "mit Sicherheit" nächster Kanzler – auch wenn er noch nicht wisse, wann er gewählt werde.
Häme von der AfD
Aus den Reihen der AfD kommt vor allem Häme. So schrieb der AfD-Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah auf X nur "Merz kaputt!".
Auch die beiden AfD-Chefs, Alice Weidel und Tino Chrupalla, zeigen sich erfreut über Merz Scheitern. In einer Stellungnahme vor Journalisten erklärt Weidel: "Wir haben heute gesehen, dass Lügen kurze Beine haben." Und fordert: "Herr Merz sollte direkt abtreten und der Weg freigemacht werden für Neuwahlen in diesem Land."
"Ein guter Tag für Deutschland"
Chrupalla spricht von einem "guten Tag für Deutschland". Merz habe seine Wahlversprechen gebrochen – jetzt trage er die Konsequenzen. In einem zweiten Wahlgang Merz zum Kanzler zu wählen, schließt er im Interview mit n-tv aus.
Bernd Baumann, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD, äußerte die Hoffnung, dass die Abweichler aus den Reihen der Union kommen. "Von Leuten, die noch bei Trost sind." Die Union sei mit riesigen Wahlversprechen in den Wahlkampf gezogen: Einhaltung der Schuldenbremse, Abweisung von Flüchtlingen an den Grenzen – nichts davon werde gehalten. Das sei "Wahlbetrug", erklärte Baumann.
Sahra Wagenknecht, die mit ihrem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) den Einzug in den Bundestag verpasste, schließt sich dem AfD-Vorwurf des Wahlbetrugs im Gespräch mit t-online an. "Der bisher größte Wahlbetrüger in der Geschichte der Bundesrepublik wollte Kanzler werden, jetzt hat er noch nicht einmal das geschafft. Friedrich Merz kann es einfach nicht und sollte daraus die Konsequenzen ziehen. Es ist aber auch eine krachende Niederlage für Lars Klingbeil. Diese schwarz-rote Aufrüstungskoalition ist eine Totgeburt. Es wäre ein guter Tag für Deutschland, wenn es dabei bliebe und Friedrich Merz kein Bundeskanzler wird", so Wagenknecht.
"Das ist unverantwortlich"
Auch aus der Linken kommt Kritik an der Schwarz-Roten Koalition. "SPD und CDU sollten das Votum ernst nehmen. Alles andere fördert nur weiter die sowieso steigende Politikverdrossenheit. Es war von Anfang an ein Fehler von Merz das Vertrauen der demokratischen Parteien zu verspielen und mit den Faschisten zu paktieren. Er hat die Brandmauer eingerissen und bekommt nun die Rechnung," so die Parteivorsitzende der Linken, Ines Schwerdtner.
Der Verteidigungsexperte Carlo Masala macht den Abweichlern schwere Vorwürfe. Auf X schreibt er: "An die 6. Herzlichen Glückwunsch zu Eurem absolut verantwortungslosem Handeln." Auch der ehemalige Bundestagsabgeordnete von den Grünen, Volker Beck, zeigt sich schockiert über das Ergebnis. "Da wollen einige wohl die Republik brennen sehen. #merz Das ist unverantwortlich. Wenn demokratische Abgeordnete den Ernst der Lage verkennen.", so Beck im Kurznachrichtendienst X.
- Eigene Recherchen
- X-Profile von Maximilian Krah, Carlo Masala und Volker Beck