Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Feiertag abschaffen? Das wird sich bitter rächen

Bundeskanzler Friedrich Merz fordert eine höhere Leistungsbereitschaft in Deutschland. Der erste Verband plädiert bereits für weniger Feiertage. Eine gute Idee?
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft fordert weniger Feiertage. Geschäftsführer Bertram Brossardt teilt mit: "Ostermontag, Pfingstmontag, zweiter Weihnachtsfeiertag – da sind meine Kollegen aus Frankreich und Italien regelmäßig verblüfft, dass wir da freihaben." Einen Tag davon zu streichen, "würde der deutschen Wirtschaft viel bringen und die Arbeitnehmer nicht stark belasten", so der arbeitgebernahe Wirtschaftsboss.
Auch Friedrich Merz scheint sich dieser Tage beim Thema Leistungsbereitschaft in Stellung zu bringen. Ein Mentalitätswechsel sei vonnöten, so der Tenor des neuen Kanzlers. Deutschland müsse wieder klotzen, statt kleckern. Das führt zu der Frage:
Sollte es weniger Feiertage geben?

Ja, das ist ein richtiges Signal
"Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen." Das letzte Mal, dass so ein Satz von einem Kanzler im Deutschen Bundestag gesagt wurde, ist über 22 Jahre her. Gerhard Schröder hat mit ihm am 14. März 2003 seine Agenda 2010 begründet. Es war höchste Zeit, dass das mit Friedrich Merz wieder ein Kanzler an diesem Ort getan hat.
16 Jahre Angela Merkel und drei Jahre Olaf Scholz waren vor allem Attentismus. Der Versuch zu simulieren, dass sich für den Einzelnen, die Einzelne gar nichts ändert. Kanzler Scholz hat das sogar noch behauptet, nachdem ihm das Bundesverfassungsgericht seine Schattenhaushalte aus der Hand geschlagen und er selbst die Zeitenwende ausgerufen hatte.
Große Teile dieses Landes haben sich in einer Behaglichkeit eingerichtet, die es nicht mehr gibt in der Härte des Hier und Heute. Deshalb ist es auch legitim, darüber nachzudenken, einen Feiertag dranzugeben. Vielleicht ein etwas grobschlächtiges, aber probates Mittel, dazu beizutragen, das Land wieder flott zu kriegen. Der Song von Geier Sturzflug war ironisch gemeint, aber man darf ihn in der jetzigen Situation auch wörtlich nehmen: "Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt." Wenn es sein muss, auch mit einem geopferten Feiertag.
Und hoffentlich einem baldigen Ende des Familienurlaubs auf Staatskosten, was sich Elterngeld nennt, zehn Milliarden Euro im Jahr kostet und die Produktivität schmälert, ohne dass deshalb ein einziges Kind mehr auf die Welt kommt. Alt-Bundespräsident Joachim Gauck hat unlängst zu Recht einen Mentalitätswechsel in Deutschland eingefordert. Ein freier Tag weniger tut keinem wirklich weh und zahlt auf dieses Ziel ein.

Nein, das wird sich bitter rächen
Mit dem Muskelaufbau ist es so: Wer richtig stark werden will, muss viel trainieren – aber ebenso penibel auf die Erholungsphasen achten, in denen die Muckis wachsen können. Wer pausenlos Eisen stemmt, läuft Gefahr, sich zu verletzen oder die harte Arbeit verpuffen zu lassen. Ergo: Effektivität funktioniert nur mit dem richtigen Maß.
So ist es auch mit der Leistungsfähigkeit Deutschlands. Wer ernsthaft in diesen angespannten Zeiten auf die Idee kommt, den hart arbeitenden Menschen die handgezählten Feiertage zu rauben, ist entweder masochistisch veranlagt oder ignoriert die Grundprinzipien der Stärke. Nur wer ausreichend Verschnaufpausen eingeräumt bekommt, ist in der Lage, zur Höchstform aufzulaufen. Was im Sport Usus ist, gilt auch für die Arbeitswelt.
Wochenenden und (in den meisten Fällen) 28 Urlaubstage sind eine notwendige Basis – die 10 bis 14 Feiertage, die je nach Bundesland hinzukommen, der zusätzliche Puffer, um Abstand zu gewinnen, den Kopf freizubekommen oder einfach mal die schweren Glieder auszustrecken. Denn was bringen Arbeitnehmer, die aufgrund hoher Belastungen und fehlender Ruhephasen 30 oder mehr Krankheitstage im Jahr ansammeln? Richtig: Probleme, weniger Leistung, eine Negativbilanz.
Wenn die deutsche Wirtschaft bei rund 230 Arbeitstagen keine 10 Feiertage aushält, hat sie Prioritäts- oder Effizienzprobleme. Es muss möglich sein, in dieser Zeit effektiv und leistungsstark zu arbeiten. Wichtig ist dabei nur, die Arbeit sinnvoll aufzuteilen und zu gewichten.
Und was soll das überhaupt für ein Argument sein, dass "Kollegen aus Frankreich und Italien regelmäßig verblüfft" seien über die vielen deutschen Feiertage? Sind diese beiden Länder etwa die tatkräftigsten, wirtschaftsstärksten Vorbilder, denen nachgeeifert werden sollte, indem Traditionen über Bord geworfen werden? Deutschland ist auch oder gerade wegen seiner Regelungen zur drittstärksten Wirtschaftsnation der Welt aufgestiegen – und Bayern führt das interne Ranking an, sowohl bei der Wirtschaftskraft als auch bei der Anzahl der Feiertage. Paradox, dass ausgerechnet aus diesem Bundesland der Feiertagsvorschlag stammt.
Richtig ist doch vielmehr Folgendes: Bringt die Menschen, die 365 Tage im Jahr freihaben, in Lohn und Brot, lasst sie zwischendrin ausreichend ausruhen – und schon mutiert Deutschland wieder zu einem kraftvollen Schwergewicht.
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