"Türkei ist kein Rechtsstaat" Ihm droht erst die Abschiebung – und dann Folterhaft

Niedersachsen will den PKK-Anhänger Mehmet Çakas in die Türkei abschieben – noch bevor sein Fall vor Gericht verhandelt wird. Çakas' Mitstreiter befürchten Schlimmes.
Es müssen Tage voller Angst sein für Mehmet Çakas und seine Angehörigen. Am 28. August will das Land Niedersachsen den kurdischen Aktivisten in die Türkei abschieben – dabei verhandelt das Verwaltungsgericht Lüneburg seinen Fall erst eineinhalb Wochen später am 8. September. Auch vor dem Bundesverfassungsgericht läuft derzeit noch ein Eilverfahren, das Çakas vor der Abschiebung bewahren könnte. Deshalb erheben dessen Mitstreiter nun schwere Vorwürfe.
"Auch eine anhängige Verfassungsbeschwerde schützt nicht vor der Abschiebepraxis deutscher Behörden", schrieb der kurdische Verein Civaka Azad am Mittwoch in einer Presserklärung zu Çakas' geplanter Abschiebung. "Dabei ist die Lage eindeutig: In der Türkei laufen gegen Çakas weitere Verfahren, bei denen ihm sogenannte erschwerte lebenslange Freiheitsstrafen drohen – eine Strafe, die in der Realität nichts anderes bedeutet als ein Leben unter Bedingungen, die nach internationalen Standards als Folter gelten." Und die Befürchtungen dürften nicht unbegründet sein.
Mehmet Çakas wurde als PKK-Helfer verurteilt
Das Oberlandesgericht Celle verurteilte Çakas im April 2024 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Çakas organisatorische, finanzielle und propagandistische Aktivitäten für die PKK in Deutschland koordiniert hatte. Derzeit sitzt Çakas in der JVA Uelzen ein.
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Die in der Türkei verbotene kurdische Arbeiterpartei untersteht auch hierzulande einem Betätigungsverbot und steht seit 2002 auf der Terrorliste der EU. Zwar hat sich die PKK inzwischen aufgelöst und den bewaffneten Kampf für beendet erklärt, dennoch müssen ihre Mitglieder wohl weiterhin mit harschen Repressionen rechnen. So warnt der Flüchtlingsrat Niedersachsen, dass Menschen, denen eine Tätigkeit für die PKK vorgeworfen wird, in der Türkei kein faires Verfahren zu erwarten haben.
Mehmet Çakas: Flüchtlingsrat fordert Abschiebestopp
"Die Weigerung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, die Verfolgung des Mehmet Çakas im Lichte der erfolgten Verurteilung in Deutschland neu zu prüfen, ist inakzeptabel!", schrieb der Verein schon Anfang Juli in einer Erklärung. Darin heißt es weiter: "Die Türkei ist kein Rechtsstaat! Zu befürchten ist, dass Mehmet Çakas nach seiner Verurteilung in Deutschland in der Türkei angeklagt und zu einer weiteren drakonischen Freiheitsstrafe verurteilt wird. Wir fordern das Land Niedersachsen auf, die Abschiebung auszusetzen und zumindest das Hauptsacheverfahren abzuwarten."
Ob es dazu kommt, ist derzeit unklar. Das niedersächsische Innenministerium konnte sich am Mittwoch auf Anfrage von t-online nicht zum Fall Mehmet Çakas äußern. Man arbeite aber an einer Stellungnahme, versicherte ein Sprecher.
Erst kürzlich hat ein ähnlich gelagerter Fall in Brandenburg bundesweites Aufsehen erregt. Dort war Ende Juli eine jesidische Familie mit vier minderjährigen Kindern in den Irak abgeschoben worden – obwohl ein Gericht noch am selben Tag die Abschiebung untersagt hatte.
Die jesidische Minderheit im Irak war während der Herrschaft der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) 2014 Opfer eines Völkermords geworden. Etwa 10.000 Angehörige der Volksgruppe waren vom IS ermordet worden. Der Bundestag erkannte das Schicksal der Jesiden 2023 als Völkermord an. Derzeit bemüht sich das Land Brandenburg um die Rückholung der Familie.
- civaka-azad.org: Trotz drohender Repression: Kurdischer Aktivist Mehmet Çakas soll abgeschoben werden
- x.com: Post Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland (KON-MED) vom 5. August
- celler-presse.de: Oberlandesgericht Celle verhängt Haftstrafe gegen Mehmet Çakas
- verfassungsschutz.de: Rekrutierung von Kämpfern für die PKK in Deutschland
- nds-fluerat.org: Mehmet Çakas droht in der Türkei Verfolgung
- Anfrage beim niedersächsischen Innenministerium am 6. August