"Was sind Absprachen noch wert?" SPD-Fraktionschef hinterfragt Verlässlichkeit von Schwarz-Rot

Frauke Brosius-Gersdorf kandidiert nicht mehr für das Bundesverfassungsgericht. Doch der Streit über ihre Person ist noch nicht beendet. SPD-Fraktionschef Miersch geht hart mit der Union ins Gericht.
Nach dem Rückzug der Verfassungsrichterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf hat SPD-Fraktionschef Matthias Miersch Zweifel an der Verlässlichkeit innerhalb der Regierungskoalition geäußert. Es stelle sich in dem Fall auch "eine grundsätzliche Frage", schrieb er an die Bundestagsabgeordneten der SPD. "Was sind Absprachen noch wert? Was bedeutet Verlässlichkeit in einer Koalition?", heißt es in dem Schreiben, das der Nachrichtenagentur AFP am Freitag vorlag.
Die Richterwahl sei mit breiter Zustimmung in den zuständigen Gremien vorbereitet worden, "auch mit Stimmen der Union", schrieb Miersch. Die Unionsspitze sei frühzeitig eingebunden worden und habe ihre Zustimmung wiederholt signalisiert. "Dass sich zentrale Teile der CDU/CSU-Fraktion am Ende davon distanziert haben, erschüttert nicht nur Vertrauen, sondern stellt das Fundament infrage, auf dem demokratische Zusammenarbeit überhaupt möglich ist."
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Brosius-Gersdorf zieht Kandidatur zurück
Für den Koalitionspartner fand der SPD-Fraktionschef scharfe Worte: "Vielleicht fragen sich einige von Euch, wie belastbar diese Koalition überhaupt noch ist, wenn sich der andere Partner nicht an Absprachen hält", schrieb er. "In dem Zustand, in dem sich die Unionsfraktion bei der Richterwahl präsentiert hat, ist diese Frage berechtigt."
Die von der SPD vorgeschlagene Bewerberin für das Bundesverfassungsgericht hatte am Donnerstag ihre Kandidatur zurückgezogen. Sie stehe "für die Wahl als Richterin des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr zur Verfügung", schrieb sie in einer Erklärung. Die Unionsfraktion habe ihr "in den letzten Wochen und Tagen sehr deutlich signalisiert, dass meine Wahl ausgeschlossen ist". Die Union hatte sich vor allem an der Haltung der Juristin zu den Themen Abtreibung und Kopftuchverbot gestört.
Miersch: Juristin war "Ziel einer beispiellosen Kampagne"
Miersch schrieb an die Mitglieder der SPD-Fraktion weiter, er bedauere Brosius-Gersdorfs Rückzug "zutiefst". Die Juristin sei in den vergangenen Wochen "Ziel einer beispiellosen Kampagne" gewesen. Das hinterlasse Spuren, nicht nur bei der Kandidatin der SPD, "auch in unserer Demokratie".
Miersch forderte in dem Schreiben, die Union müsse sich "zu klaren Spielregeln des Regierens bekennen". Nur wenn Zusagen Bestand hätten, seien tragfähige Kompromisse möglich. Die SPD-Fraktion werde nun einen neuen Vorschlag unterbreiten. "Wir erwarten von unserem Koalitionspartner, dass Absprachen künftig Bestand haben."
- Nachrichtenagentur AFP