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Die Ampel und ihre Arroganz? Union ist sauer: "So etwas habe ich noch nie erlebt"


"Einmaliger Vorgang"
Es rappelt im Karton


Aktualisiert am 22.03.2022Lesedauer: 4 Min.
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Olaf Scholz und Friedrich Merz: Man könnte noch auf die Union angewiesen sein.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz und Friedrich Merz: Man könnte noch auf die Union angewiesen sein. (Quelle: IMAGO / Christian Spicker)

In einem Ausschuss blockiert die Ampel eine Debatte über das Infektionsschutzgesetz. Die Union ist entrüstet – und sieht einen weiteren Beleg für die Arroganz der Regierung.

Die Wut der CDU entzündet sich in diesen Tagen an einer vermeintlichen Kleinigkeit: Es geht um einen Tagesordnungspunkt der Sitzung des Bildungsausschusses vom vergangenen Mittwoch. Das Thema des "TOP 5" war das Infektionsschutzgesetz, das am nächsten Tag vom Parlament geändert werden sollte. Ein hochumstrittenes Vorhaben.

In den Ausschüssen des Bundestages werden solche Gesetze und ihre Änderungen von den Fachpolitikern vorbereitet. Hier geschieht die eigentliche Arbeit im Gesetzgebungsverfahren, es wird diskutiert und im Idealfall verbessert, bevor die Gesetze dann im Plenum des Bundestages beschlossen werden.

Die Ampelfraktionen haben – wie in allen Ausschüssen – auch im Bildungsausschuss die Mehrheit. Und der Ausschussvorsitzende Kai Gehring von den Grünen entschied sich dazu, den Tagesordnungspunkt zum Infektionsschutzgesetz nicht debattieren zu lassen. Obwohl mehrere Unionspolitiker bei Gehring protestierten. Es gab eine kurze Abstimmung zum "TOP 5", aber keine Diskussion. Und – so zumindest der Vorwurf der Union – nicht mal die Möglichkeit für sie, zur Sache zu sprechen, also etwas zum Infektionsschutzgesetz zu sagen.

Es wirkt wie eine Lappalie, eine weitere Posse im possenreichen Parlamentsalltag. Doch es ist mehr als das, denn die Union ist wütend. Sie findet, so etwas habe es bislang noch nicht gegeben. Und damit scheint die vermeintliche Kleinigkeit einen Vorwurf an die noch junge Ampelregierung zu stützen, der sich zuletzt im politischen Berlin breitgemacht hat und der ihr noch gefährlich werden könnte: den Vorwurf der Arroganz, insbesondere im Umgang mit der Opposition.

"Einmaliger Vorgang"

"So etwas Konfrontatives habe ich noch nie erlebt in zwölf Jahren Bundestag", sagte Thomas Jarzombek t-online. Er sitzt für die CDU im Bildungsausschuss, ein erfahrener Parlamentarier. Jarzombek hält es für einen "einmaligen Vorgang", dass die Ampel hier eine "Debatte verweigert" habe. Sein Parteikollege Stephan Albani sagte: "Wir haben um eine juristische Klärung des Falls gebeten, das sollte sich nicht wiederholen." Der Vorwurf: Die Ampel in Person des grünen Ausschusschefs habe mit dem Verhalten die Rechte der Opposition beschnitten.

Der Ausschussvorsitzende Kai Gehring sieht das anders. Er argumentiert, das Minderheitenrecht der Union sei gewahrt worden, weil es eben eine Abstimmung zu "TOP 5" gegeben habe. Dort habe sich "jedes Ausschussmitglied durch das eigene Abstimmungsverhalten positionieren" können, sagte er t-online.

Ein Thema ohne vorherige Debatte abzustimmen, sei "in mehreren Ausschüssen seit Jahren gängige Praxis", damit Sitzungen "handhabbar bleiben". Der Schwerpunkt der Sitzung seien außerdem die Folgen des Ukraine-Kriegs gewesen. Das sei zwischen den Fraktionen "einhellig vereinbart worden".

"TOP 5" vor dem Ältestenrat

Keine Zeit fürs Infektionsschutzgesetz? Die Union empört das, und hat das Vorgehen Gehrings vor den Ältestenrat des Bundestags gebracht. Das Gremium ist unter anderem genau für solche heiklen Dinge zuständig: Es soll Streit im parlamentarischen Alltag klären.

Als es dort um den "TOP 5" und den Grünen-Politiker Gehring ging, musste die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen Stellung beziehen, Irene Mihalic. Und die sagte nach t-online-Informationen aus Kreisen des Ältestenrats, dass nun geprüft werden müsse, ob die Union tatsächlich nicht zur Sache sprechen durfte. Denn mindestens das wäre wohl nicht rechtens. Mihalic selbst wollte sich auf Anfrage von t-online nicht äußern. Der Ältestenrat tage intern, ließ sie mitteilen.

Eine förmliche Ermahnung des Ältestenrats an Gehring hat es den Informationen zufolge anschließend nicht gegeben. Doch nun prüft die Bundestagsverwaltung, was dran ist an den Vorwürfen gegen ihn.

Die Union wird noch gebraucht

Die Sache ist nicht nur für Gehring unangenehm, der den Ausschussvorsitz in dieser Legislaturperiode neu übernommen hat. Sie könnte der Ampelkoalition insgesamt ernsthaft schaden, weil sie die Laune der Union weiter drückt. Und die ist ohnehin schon ziemlich mies.

Hinter vorgehaltener Hand hört man aus der Union nun immer häufiger messerscharfe Empörung, schon grundsätzlich über den Regierungsstil der Ampel. Man fühle sich nicht ernstgenommen, heißt es bei den Christdemokraten. Ein kurzfristig abgeräumtes Unionsanliegen im Bildungsausschuss verstärkt diesen Eindruck nur noch.

Dabei könnte die Ampel die Union in dieser Legislaturperiode noch öfter brauchen. Etwa bei der Änderung des Grundgesetzes für die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angestrebten 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr. Oder bei den hohen Kosten in Folge des Ukraine-Kriegs, die noch niemand beziffern kann und für die im Zweifel auch die Unterstützung der Opposition vonnöten sein könnte. Und auch bei der Impfpflicht, die Scholz unbedingt will, für die er aber keine eigene Mehrheit in seiner Koalition hat.

Nun, heißt es bei der Union, hoffe man, dass die Leitung des Ausschusses Stellung bezieht und sich entschuldigt. Dafür sieht Kai Gehring bislang aber offensichtlich noch keinen Anlass. Ihm sei "an einer guten Debattenkultur und einem fairen Umgang" gelegen, sagte er t-online. Aber er sagte auch: "Wenn die Union meint, gängige parlamentarische Praxis, die sie selber 16 Jahre immer wieder angewandt hat, skandalisieren zu wollen, erscheint mir dies als Effekthascherei."

Er, Gehring, wolle nun die Prüfung der Bundestagsverwaltung abwarten, "um daraus gemeinsam Schlüsse für künftige Ausschusssitzungen zu ziehen". So oder so: Beim nächsten Treffen des Bildungsausschusses am 6. April wird es wohl noch etwas mehr zu besprechen geben als üblich.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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